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Vernunft als Qualität

Fahrbericht Kia Optima Sportswagon

Fahrberichte Christian Lorenz
Kia Optima Sportswagon

Kia erweitert die Optima-Familie mit einem 245 PS-Topmodell, einem Plug-in-Hybrid und dem ersten Mittelklassekombi der Marke. Der Sportswagon zeigt, dass Kia neue Marktanteile in Europa erringen kann, wie eine Ausfahrt zeigt

München, den 9. September 2016 – Dass auch der koreanische Hersteller Kia im D-Segment vertreten ist, hat hierzulande bisher kaum einer wirklich mitbekommen. Dabei geht der Optima bereits in seine vierte Generation. Als D-Segment bezeichnet die Europäische Kommission die lukrative Mittelklasse von Audi A4 und BMW 3er bis Skoda Superb [1] und VW Passat [2]. Seit Januar 2016 ist der aktuelle Optima auf dem deutschen Markt. Jetzt hat Kia die Optima-Familie stark erweitert. Es gibt nun zu den bekannten Versionen mit 163 PS-Benziner und 141 PS-Diesel ein 245 PS starkes sportliches Topmodell, einen Plug-in-Hybrid und eine neue sportliche Ausstattungslinie für den Diesel. Am wichtigsten ist aber eine neue Karosserieversion. Mit dem Optima Sportswagon stellt Kia erstmals einen Mittelklassekombi vor, exklusiv für Europa.

Der Diesel ist in Europa die meistverkaufte Motorisierung und Kia rechnet fest damit, dass das weiterhin so bleibt. Das wichtigste Modell der Optima-Familie wird also wohl der Sportswagon mit dem 1,7-Liter-Turbodiesel werden.

Gelungenes Cockpit

Nach dem Einsteigen überwiegt Positives. Das Cockpit wirkt aufgeräumt und ist gut verarbeitet. Der weiche Kunststoff in Lederoptik schmeichelt dem Auge und fasst sich angenehm an. Der aktuelle BMW 3er und insbesondere der Jaguar XE [3] wirken im direkten Vergleich nicht hochwertiger, im Gegenteil. Die Instrumente sind sehr gut ablesbar und die unzähligen Funktionen sind über Touchscreen und Bedienpanel intuitiv bedienbar. Eine Sitzbelüftung und eine induktive Ladeschale für Smartphones sind noch Besonderheiten im Segment. Ein Navigationssystem mit 7-Zoll-Touchscreen gehört zur serienmäßigen Grundausstattung. Der Testwagen in der neuen Top-Ausstattungslinie GT-Line hat einen 8-Zoll-Bildschirm. Ich finde sehr schnell eine bequeme Sitzposition über die elektrische Sitzverstellung. Allenfalls die Oberschenkelauflage ist etwas kurz.

Die Familientauglichkeit des neuen Kombis ist für das D-Segment überdurchschnittlich. Die Knie- und Beinfreiheit im Fond liegt zwischen VW Passat und Skoda Superb. Diese beiden Fahrzeuge aus dem Volkswagenkonzern sind auch die einzigen im D-Segment, die das Kofferraumvolumen des Kia von 552 bis 1686 Liter – wenn auch deutlich – übertreffen. Vor allem der Skoda spielt hier noch einmal in einer anderen Liga. Die dreigeteilte, vom Kofferraum aus umklappbare Rücksitzlehne des Kia ist praktisch. Eine sensorgesteuerte Heckklappe ist bei den teureren Ausstattungslinien auch dabei.

Vom relativ hubraumschwachen Diesel ist beim Fahren kaum etwas zu hören und zu spüren. Der 1,7-Liter-Turbodiesel läuft sehr kultiviert, wird nie unangenehm laut. Nichts dröhnt, nichts vibriert. Klar machen 141 PS und 350 Nm den knapp 1800 kg schweren Kombi nicht zum Rennwagen. Das Drehmoment drückt einem zu keinem Zeitpunkt spürbar in den Sportsitz. Das serienmäßige Sechsgang-Schaltgetriebe lässt sich ohne großen Kraftaufwand ausreichend exakt schalten. Die Wege sind nicht besonders kurz, das Schaltgefühl ist weich und nicht knackig. Wer nicht jeden Cent umdrehen muss, sollte sich, meiner Meinung das sanft schaltende 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe gönnen. Ausreichend für den ambitionslosen Cruiser ist der Antrieb, aber die Spaßwertung gewinnen hier die europäischen Konkurrenten.

Kein Effizienzwunder

Auch was die Effizienz angeht, ist Kia hier noch nicht auf der Höhe der besten im Segment. Nach einer flott gefahrenen Runde in der Schaltgetriebe-Version über bergauf und bergab gehende, enge, verwinkelte Landstraßen stehen 7,4 Liter Durchschnittsverbrauch auf dem Display des Bordcomputers. Übernommen hab ich den Optima mit 8,9 Litern in der Durchschnittsverbrauchanzeige. Das hat zwar bei einem Testauto, das den ganzen Tag getreten wird, nicht die größte Aussagekraft. Aber die 4,2 Liter NEFZ-Verbrauch (mit Doppelkupplungsgetriebe: 4,4 Liter) sind im normalen Leben wohl illusorisch. Mit ausreichend ist das Motorenkapitel am besten beschrieben. Es fehlt einem zwar weniger, als man am Anfang glaubt. Aber mit der Konkurrenz aus dem deutschen Süden und der dort gebotenen Dynamik der Motoren sollte man gar nicht erst liebäugeln, wenn man sich für den Optima interessiert.

Präzises Fahrverhalten

Überhaupt keinen Sparzwang vermittelt dagegen das Fahrwerk des Optima. Kia hat die Lenkgeometrie für Diesel, GT und Hybrid überarbeitet. Das Lenkgefühl ist direkt, der Wagen lässt sich spielerisch dirigieren ohne in irgendeiner Weise hibbelig zu werden. Der Geradeauslauf ist tadellos. Die Bremsen sind kraftvoll. Das neue aktive Fahrwerk vermittelt sehr guten Fahrbahnkontakt, ohne dabei irgendwie hart zu wirken. Der Sportmodus ist für den Diesel eine eher unnütze Spielerei. Nicht das der Kia dann unangenehm hart werden würde. Aber bereits in der Normalstellung ist keine übermäßige Seitenneigung spürbar. Das Auto macht exakt genau das, was man von ihm erwartet. Es ist diese unaufgeregte Selbstverständlichkeit, die mich für den Kia einnimmt.

Er verliert sie auch nicht, wenn man mit dem Topmodell GT mit 245 PS starkem Vierzylinder-Turbobenziner, immerhin dem schnellsten Kia, den es in Europa jemals gab, über den Handlingparcours heizt. Hier ist der Sportmodus des Aktivfahrwerks dann doch eine ganz feine Sache. Der Top-Kia bleibt lange in der Spur, neigt sich nicht spürbar zur Seite und kündigt den Grenzbereich durch sanftes Untersteuern an. Die Lenkpräzision überzeugt auch hier. Insbesondere die verwindungssteife Karosserie vermittelt sich im leichtfüßigen Fahrverhalten.

Ein Lob an die Fahrwerkstechniker, die den GT auf der Nürburgring-Nordschleife feinabgestimmt haben. Vom Antrieb her hätte man sich allerdings auch vom schnellsten Kia mehr erwartet. Ab 180 km/h auf der Autobahn wird es zäh. Drückt man jetzt aufs Gas, klingt der 4-Zylinder etwas beleidigt angestrengt und die Beschleunigung wirkt im Vergleich dazu enttäuschend. Bei meinem alten 3er BMW mit 170 PS fühlt sich das deutlich souveräner an. Der Verbrauch ist für das Gebotene zu hoch. Bei der Vollgasfahrt von München nach Leipheim zeigt der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von 14,5 Litern an. Der NEFZ-Verbrauch von kombiniert 8,2 Liter dürfte sich nur schwer erreichen lassen.

Harmonischer Hybrid

Da passt der Plug-in-Hybrid-Antrieb besser zum Optima. Er erlaubt laut Werksangabe rein elektrisches Fahren über eine Distanz von bis zu 50 km. Am harmonischsten fährt er sich, wenn man sanft Gas gibt, vernünftig sowie vorausschauend fährt und man in der Leistungsanzeige anstelle des Drehzahlmessers kontinuierlich im grünen Eco-Bereich bleibt. Dann bleibt der 4-Zylinder-Benzindirekteinspritzer, der mit 156 PS der Systemleistung von 205 PS zuarbeitet, akustisch komplett im Hintergrund. Ich ertappe mich dabei, wie ich im Plugin einen runderen, ausgewogeneren Fahrstil pflege und explosionsartigen Leistungseinsatz vermeide.

Nach etwa 35 km durch verwinkelte Landstraßen mit großen Höhenunterschieden weist der Bordcomputer dafür einen Durchschnittsverbrauch von 4,4 Litern pro 100 km aus. Allerdings bin ich mit randvollen Batterien und sehr hohem Elektroanteil gefahren. Man muss erst sehen, was so ein Wert im richtigen Leben für Umwelt und Geldbeutel bedeutet. Die NEFZ-Angabe von 1,6 Litern auf 100 km hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun – der kruden ECE-Norm R 101 [4] sei Dank.

Der Optima-Plug-In-Hybrid ist zunächst nur als Limousine verfügbar, deren Kofferraumvolumen wegen des Batteriepakets von 510 Litern auf 307 Liter schrumpft. Zudem entfällt die Umklappmöglichkeit der Rücksitzlehne. Das kann man heutzutage auch besser hinkriegen. Ein Passat GTE [5] hat als Limousine immerhin 402 Liter Kofferraum, die sich auf 952 Liter erweitern lassen. Bleibt abzuwarten, ob die Integration des Batteriepakets bei der Kombiversion besser gelöst sein wird. Sie ist für Mitte nächsten Jahres angekündigt. Die Limousine kostet ab 44.490 Euro mit einer bereits sehr umfänglichen Ausstattung, mit allen verfügbaren Extras 47.640 Euro.

Ich würde den Sportswagon mit Dieselmotor wählen. Der kostet minimal 28.290 Euro und mit allen verfügbaren Extras 41.370 Euro. Immer serienmäßig sind 7-Zoll-Navigationssystem (ab den teuren Ausstattungslinien hat es dann einen 8-Zoll-Monitor), Bluetooth-Freisprecheinrichtung, Fahrersitz mit elektrischer Lendenwirbelstütze, Rückfahrkamera. Immer inklusive ist zudem eine siebenjährige Garantie und ein ebenso langes, kostenloses Update der Navigationsdaten. Das ist konkurrenzlos im Segment.

Große Ausstattungsvielfalt

Über die Vielfalt der Ausstattungen haben wir schon gesprochen. Harman Kardon Soundsystem, sensorgesteuerter Heckklappe, Sitzventilation (von der man allerdings nur wenig spürt) und der kompletten modernen Assistenzarmada inklusive autonomer Vollbremsung bis 80 km/h inkl. Fußgängererkennung , Spurhalte-Assistent mit Lenkeingriff, elektrisch verstellbaren Ledersitzen mit Memory, Sitzheizung im Fond, Voll-LED-Scheinwerfern inkl. Fernlichtassistent und dynamischem Kurvenlicht – für knapp über 40.000 Euro ist alles drin. Die teuerste Möglichkeit einen Sportswagon zu fahren ist der GT in Vollausstattung für 45.520 Euro – allerdings nur bis nächstes Jahr der Plug-in-Hybrid auch in dieser Version kommt. Generell beträgt der Aufpreis für den Kombi 900 Euro, die meiner Meinung nach auf jeden Fall investiert werden sollten. Man wird sie beim Weiterverkauf vermutlich 1 zu 1 wiedersehen.

Alle Kosten, die im Zusammenhang mit diesem Test entstanden, wurden vom Hersteller übernommen.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Skoda-Superb-Combi-1-4-TSI-ACT-3305923.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Unterwegs-im-VW-Passat-2-0-TDI-mit-150-PS-2688252.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Jaguar-XE-20d-2621431.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Mercedes-S-500-Plug-In-Hybrid-Fabelwerte-beim-Verbrauch-2283162.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Unterwegs-im-Volkswagen-Passat-GTE-3141281.html