Renault Master ZE im Fahrbericht

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Schritt für Schritt baut Renault den aus dem Zoe bekannten Elektroantrieb in ihre Nutzfahrzeuge ein. Nach dem Kangoo ist jetzt der Master dran: Synchronmotor mit 57 kW (76 PS), Traktionsbatterie mit 33 kWh, Wechselstrom-Ladegerät, abgespeckt in Deutschland auf maximal 4,6 kW Ladeleistung (einphasig 20 A). Außerhalb Deutschlands oder Österreichs lädt der Wagen mit 7,2 kW, also 32 A einphasig. Grund für diese Konfiguration sind die bei uns vorgeschriebenen, maximalen Schieflasten von 20 A. Renault beschränkt die Ladung aber sicherheitshalber generell, also laden alle deutschen Fahrzeuge egal an welchem Stecker in welchem Land langsamer.

"Kunden verlangen keine Schnellladung"

So oder so: Mittags nachladen ist wenig sinnvoll, die Reichweite von rund 120 km in der Praxis muss also bis Schichtende reichen. Laut Renault verlangten die Kunden keine Schnellladung. Wer das will, geht vielleicht gleich zu Nissan. Wie beim Kangoo ZE hängt die Batterie hinten unter der Fahrgastzelle. Innenraum und (wichtiger) Frachtraum bleiben damit identisch zu anderen Master-Modellen.

Weil ausreichend Drehmoment (225 Nm) vorhanden ist, reicht die Nennleistung des Motors in den Bereichen zwischen 50 und 100 km/h (der Höchstgeschwindigkeit) aus für normales Mitschwimmen im Verkehr. Mit dem auf 100 km/h ausgelegten Einganggetriebe kann der elektrische Master natürlich nicht dasselbe Drehmoment an der Vorderachse generieren wie ein kurzer erster Gang an Dieselmotor und Kupplung.

Auf der Windschutzscheibe klebte ein Warnaufkleber für 15 % Steigung, wir finden gerade heraus, wie viel Ladung der Master wie steil hochzieht und aktualisieren den Artikel, sobald Renault geantwortet hat. [Update:] Renault bestätigt, dass ab 15 % Steigung die Gefahr besteht, nicht mehr "starten" zu können, gemeint wohl "anfahren". Das deckt sich mit den Fahreindrücken. [/Update] Für den Einsatzzweck ist Steigfähigkeit relevant: Die steilste Straße in Stuttgart hat 23 %, in meiner Straße hat es 17 %. Ein Paketlieferfahrzeug müsste das schon schaffen, wobei hier auch keine Streetscooter fahren. Den neuen, stärkeren Motor des Zoe erhält der Master nicht.

Kleine Box, großer Preis

Technisch gibt es am Master ZE selbst nichts Neues oder Bemerkenswertes. Interessant für Flottenbetreiber sieht allerdings ein Zubehörangebot aus: Ein kleines Kistchen liest über OBD Fahrzeugdaten aus, kombiniert diese mit der GPS-Position und sendet etwa alle zwei Minuten ein Update über GSM an Renaults Server. Von dort können Logistiklösungen dann darauf zugreifen. Zum Beispiel TomTom Telematics oder die Verizon-Logistiklösungen Telogis und Fleetmatics. Der Vorteil dieser Konfiguration: Renaults eigene Box liest mehr Daten aus als viele Standard-Lösungen. Vor allem die knappe Akku-Energie kann also gut überwacht werden für rechtzeitige Umplanungen. Das Produkt läuft unter "Renault Easy Connect for Fleets" und soll ab Mitte 2018 verfügbar sein.

Trotz des Technik-Recyclings im Antrieb schockiert auch im Master wieder der Preis: ab 59.900 Euro für die kürzeste Variante Kastenwagen, und das ist schon inklusive Elektroautoförderung. Ein Master mit aufwendig abgasnachbehandeltem Dieselmotor kostet ab 27.358 Euro, in der "Ecoline" im Konfigurator fängt der Preis sogar schon bei 22.990 Euro an.

Es fällt schwer, das nachzuvollziehen. Die Batterie kostet laut Renault etwa 10.000 Euro. Der E-Motor ist günstiger als der Diesel. Das Einganggetriebe ist viel günstiger. Abgasreinigung fällt weg. Ein Teil der Erklärung liegt vielleicht in der Fertigung: Vorproduzierte Master werden in der kleinen, von Renault aufgekauften Umrüst-Firma PVI mit ihrem Antrieb verheiratet. Das gibt Renault die Flexibilität, eine Nachfrage von 0 bis 10.000 Einheiten pro Jahr zu bedienen – eine Kapazität, die mit diesem Preis wahrscheinlich nicht ausgereizt werden wird.

Anschaffungsüberlegungen

Wie schon beim Kangoo kann man den Master nur über die vielzitierten TCO (total cost of ownership), also seine Gesamtkosten über die Nutzung verstehen: Wenn im Kurzstreckenverkehr mit den geringeren Wartungskosten (auch hier: Anfrage läuft) und gewerblichen Strompreisen ein Vorteil gegenüber dem Diesel herauskommt, braucht man über den Rest nicht mehr argumentieren. Das müssen aber recht saftige Kosten sein, um den Mehrpreis wieder reinzuholen – vor allem im Hinblick auf den recht eingeschränkten Einsatzbereich.

Wenn ein elektrischer Transporter allerdings angeschafft wird in Spekulation auf Fahrverbote, würde ich wenn irgend möglich noch abwarten, was die Konkurrenz mit ihren elektrischen Transportern abliefert: VWs e-Crafter soll im September 2018 erscheinen, mit 100-kW-Motor und 43 kWh in der Batterie. Der elektrische Mercedes Sprinter soll 2019 kommen. Der Master ZE steht in Resteuropa bereits beim Händler. Bei uns in Deutschland startet zuerst ein Vorverkauf an besonders umsorgte Erstflottenkunden. Der freie Verkauf soll im Frühjahr 2018 beginnen.