Alles auf Android?

Häuser werden smart, bleiben aber etwas – noch ist das Angebot von vielen inkompatiblen Standards geprägt.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Boris Hänßler

Häuser werden smart, bleiben aber etwas kommunikationsscheu – noch ist das Angebot von vielen inkompatiblen Standards geprägt. Der Einstieg der Smartphone-Riesen Google und Apple könnte das ändern.

Wenn es draußen regnet, schließt das kluge Haus die Fenster. Fängt der Bewohner an zu frösteln, schaltet es die Heizung an. Fährt er weg, schließt es Tür und Garage. Smart wird das Haus also. Woran es dagegen noch hapert, ist Kommunikationsgeschick, denn die modernen Gerätschaften reden oft noch aneinander vorbei.

Die Heizkörperthermostate von Danfoss etwa nutzen den Funkstandard Z-Wave, das Beleuchtungssystem Philips Hue die Alternative ZigBee – und andere Geräte arbeiten mit HomeMatic, EnOcean, KNX, Digitalstrom, WLAN oder Bluetooth. Kaum ein Gerät weiß deshalb, was die anderen gerade machen, und meist ist eine eigene Bedienoberfläche erforderlich.

Der Markt für Smart Homes ist jung, deshalb ist dieser Wildwuchs nicht ungewöhnlich. Auch bei Smartphones stand der Konsument anfangs vor der Wahl, ob er lieber Geräte mit dem Betriebssystem Symbian, Palm OS, Windows CE, BlackBerry oder Maemo kaufen sollte. Bis zum iPhone blieb dieser Markt zersplittert, dann aber kam er richtig in Schwung. Heute teilen ihn Apple (15,3 Prozent Marktanteil in Europa) und Google mit Android (74 Prozent) unter sich auf – und Anbieter von Apps und Zubehör wissen genau, auf welche zwei Systeme sie sich konzentrieren müssen.

Nicht wenige in der Branche hoffen, dass es bei schlauen Häusern so ähnlich kommen wird. Und als die großen Konsolidatoren könnten sich erneut Apple und Google erweisen. Apple will im Herbst mit iOS 8 das sogenannte HomeKit-Netzwerk einführen: Die Hersteller von Smart-Home-Produkten können ihre Geräte bei dem Unternehmen zertifizieren lassen und ihre Software für sichere Verbindungen mit der HomeKit-Schnittstelle aufrüsten. Das iPad oder iPhone erkennt und integriert die Geräte dann automatisch. Über das Spracherkennungssystem sind sogar mündliche Anweisungen möglich.

Nutzer müssten dann künftig nur noch darauf achten, ob ihr Gerät mit einem MFI (Made for iPhone/iPad)-Label ausgestattet ist. Erste Unternehmen wie der US-Haustechnikriese Honeywell, Philips, das Start-up netatmo und Osram haben bereits solche Produkte in Aussicht gestellt. Über welche Art von Verbindung sie kommunizieren, kann dem Nutzer weitgehend egal sein. Apple hat bisher nicht bekannt gegeben, welche Funkstandards außer WLAN und Bluetooth integriert werden, doch vermutlich kommen weitere hinzu. Denn WLAN ist für viele Smart-Home-Anwendungen ungeeignet, da es relativ viel Energie verbraucht. Bluetooth hat nur eine begrenzte Reichweite.

Google wiederum hatte schon vor drei Jahren seine Plattform Android@Home angekündigt, die ebenfalls Haustechnik aller Art miteinander vernetzen soll. Mit dem Kauf von Nest, einem angesagten Hersteller intelligenter Thermostate, intensivierte der Suchriese diese Aktivitäten. Nest stellte ein offenes Entwicklerprogramm vor, das seine Geräte zum Zentrum digitaler Häuser mit Technik verschiedener Hersteller machen soll – wie bei Apple inklusive Sprachsteuerung, in diesem Fall über "Ok Google".

Über die offene Schnittstelle ermöglicht Nest Zugriff auf ausgewählte Daten seiner Geräte, etwa ob ein Bewohner anwesend ist oder ob der Rauchmelder einen Brand detektiert hat. Einige Gerätehersteller nutzen diese Schnittstelle bereits: LIFX-Lampen blinken auf Wunsch rot, wenn es in einem anderen Raum raucht. Nest kaufte darüber hinaus die Videoüberwachungsfirma Dropcam, sodass künftige Smart-Home-Apps zum Beispiel Live-Bilder der Überwachungskameras auswerten könnten. Dropcam nutzen derzeit zum Beispiel Eltern, um ihre Kinder auf Entfernung im Auge zu behalten.

Welche Nest- und Dropcam-Daten mit Googles Android geteilt werden, soll der Nutzer selbst entscheiden. "Wir werden nicht Teil einer großen Google-Maschine", versichert Nest-Gründer Matt Rogers. Damit spielt er auf ein Problem an, das aus dem klassischen Internet nur zu gut bekannt ist: Gesammelte Daten ermöglichen interessante Dienste – aber gleichzeitig verrät aufmerksame Technik mitten im eigenen Haus potenziell noch viel mehr über die Bewohner als einfaches Web-Surfen.

Untereinander kommunizieren die Nest-Geräte über Thread – das nächste neue Funkprotokoll. Auf den ersten Blick schreibt Google damit die chaotische Entwicklung im Smart-HomeBereich fort. Zusammen mit Samsung will das Unternehmen Thread als Standard etablieren.

Wie das ältere ZigBee basiert Thread auf dem Standard IEEE 802.15.4. Auf die Frage, warum Google nicht gleich mit dem ZigBee-Standard arbeitet, antworten die Entwickler auf ihrer Webseite: Andere Protokolle würden nicht "die gewünschten Anforderungen" erfüllen. Thread verfüge über Funktionen, die Energie sparen und die Nutzerfreundlichkeit erhöhen.

Auf den zweiten Blick allerdings könnte der Weg ein Gewinn sein. Denn ZigBee genießt einen schlechten Ruf. Die ZigBee-Allianz gibt Unternehmen einige Freiheiten bei der Einbindung des Protokolls, um Innovationen voranzutreiben. Dadurch entstehen jedoch Kompatibilitätsprobleme, weil die Hersteller unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie sie mit Daten und Funktionen umgehen. Nicht alle ZigBee-Geräte können untereinander kommunizieren, was für einen Standard peinlich ist. Sollte nun Google das bessere ZigBee gelingen, läge darin eine Chance – zumal Thread die bereits massenhaft verbauten ZigBee-Chips nutzen kann.

So unterschiedlich die Ansätze von Google und Apple im Detail sind – allein ihre Reichweite dürfte für rasche Bewegung auf dem Markt sorgen. Ob es am Ende jedoch nur eine oder zwei dominierende Smart-Home-Lösungen geben wird, bezweifeln Experten.

Jens Hempel etwa, Leiter des Kompetenzzentrums Smart Grid beim TÜV Rheinland Industrie Service, hält die Bedürfnisse der Nutzer für zu verschieden: "Es ist zum Beispiel ein großer Unterschied, ob ein Wohnungsmieter oder Villenbesitzer ein intelligentes Sicherheitssystem installieren will." Wer sein teures Eigentum sichern möchte, dürfte sich für eigenständige, geschlossene Systeme entscheiden. Das System, das alles können will, wird immer Defizite haben – daran werden auch Apple und Google nichts ändern.

Kleine Start-ups mit guten Ideen haben daher nach wie vor gute Chancen. Das schwäbische Start-up Codeatelier etwa hat sich das System "Homee" einfallen lassen: eine Art Überbau, der unabhängig von Art und Standard alles steuern soll, was ein Smart Home ausmacht. Das Herzstück ist die erweiterbare Basis-Einheit "Brain", die einem weißen Legostein ähnelt. Inklusive WLAN, DLNA und AirPlay kostet Homee etwa 130 Euro, Bausteine für die Haustechnik-Standards Z-Wave, ZigBee oder En-Ocean sind für je 99 Euro zu haben – sie werden einfach auf das Brain aufgesteckt.

Gesteuert wird Homee über Android- oder iOS-Apps. Um die neue Kommunikationsfreudigkeit der Geräte sinnvoll nutzen zu können, hat sich Codeatelier "Homeegramme" ausgedacht. Der Nutzer stellt sie nach dem Wenn-dann-Prinzip zusammen: Wenn das Fenster aufgeht, dann schalte die Heizung aus. Wenn es 6 Uhr ist, öffne das Rollo. Alles läuft lokal ab: Der Fenstersensor schickt Daten an das Brain, von dort geht ein Befehl an die Heizung.

"Das ist schneller und sicherer als über eine Cloud", sagt Codeatelier-Mitgründer Jochen Schöllig. "Wir sehen nicht, dass sich auf absehbare Zeit international ein System durchsetzen wird – eher drei oder vier", sagt Schöllig. Den Einstieg von Google und Apple sieht er daher nicht als Gefahr, sondern als Chance: "Je mehr Leute etwas Spannendes machen, desto attraktiver wird das Smart Home." (bsc)