Augmented Reality: Wie Luxusmarken die junge Generation ködern wollen

Die vom Social-Media-Unternehmen Snap gestarteten Kampagnen zeigen, dass Luxusmarken eine neue Kundengruppe ansprechen wollen.

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(Bild: Snap)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tanya Basu
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Die Diamanten glitzern im gedämpften Licht, das Edelmetall glänzt ebenfalls – hübsch sehen die Cartier Tank-Uhr und die Tiffany-Armbänder an meinem Handgelenk aus. Allerdings musste ich für die Anprobe nicht in ein Geschäft. Stattdessen war ich zu Hause, in meinem Bett, barfuß und in Jogginghose. Das virtuelle Trage-Erlebnis war möglich durch erweiterte Realität (augmented reality, kurz AR) vom Technologie- und Social-Media-Unternehmen Snap, das sich für die Plattform Snapchat verantwortlich zeichnet. Das ließ mich sehen, wie die Schmuckstücke an meinem Handgelenk aussehen würden.

Die AR-Kampagnen von Cartier und Tiffany sind die jüngsten in einer Reihe von Kooperationen, die Snap mit Marken eingeht, um die Generation Z (geboren etwa zwischen 1995 und 2010) durch virtuelle Anproben dazu zu bringen, in Luxus zu investieren. Der Preis für Cartiers Tank-Uhren beginnt bei 2.790 Dollar, das günstigste Tiffany Lock-Armband liegt bei 6.900 Dollar.

Auch die Luxusmarke Louis Vuitton hat sich gerade mit der Künstlerin Yayoi Kusama zusammengetan, um einen Filter für Snap zu entwickeln. Dieser hüllt Wahrzeichen auf der ganzen Welt in Kusamas Punktmuster-Markenzeichen ein. Snap hat bereits mit Dior, Gucci und Prada zusammengearbeitet und dabei die Technologie der virtuellen Anprobe genutzt.

"Marken nutzen die Snapchat-Community, die größtenteils aus der Generation Z besteht, um die Welt ein wenig interaktiver und unterhaltsamer zu gestalten“, sagt Geoffrey Perez, Leiter des Bereichs Luxus bei Snap.

Das Cartier Tank-Uhrenerlebnis nutzt einen Augmented-Reality-Filter, um den Nutzer auf die Brücke Alexandre III in Paris zu versetzen. Das virtuelle Erlebnis ermöglicht es, vier Versionen der Uhr aus verschiedenen Epochen der letzten 106 Jahre zu sehen und sich dann auf der Brücke umzusehen und andere Passanten zu beobachten, um ein Gefühl für die damalige Zeit zu bekommen.

Tiffany nutzt die aus Videospielen bekannte Raytracing-Technologie, mit der die Lichtbewegungen auf AR-Objekten realistischer dargestellt werden. Damit lässt sich das einzigartige Funkeln von Metall und Diamanten in AR übertragen.

Ziyou Jiang, Doktorandin an der University of Georgia, präsentierte letztes Jahr auf einer Bekleidungskonferenz einen Vortrag darüber, wie AR die Generation Z beeinflusst. Jiang hatte 134 Personen dieser Altergruppe befragt, ob und wie AR ihre Kaufentscheidungen beeinflusst. Sie fand heraus, dass zwei Dinge dazu führten, dass sie ein Produkt kaufen wollten, nachdem sie es in AR gesehen hatten: Interaktivität und virtuelle Erfahrungen.

Die Zeitreise-Erfahrung von Cartier ist ein Beispiel für Interaktivität. Laut Jiang will die Generation Z nicht unbedingt ein Produkt in einer Werbung gezeigt bekommen, sondern sehen, wie es sich in eine größere Geschichte oder Bewegung einfügt. Das kann AR in einzigartiger Weise leisten. Die Tiffany-Anprobe hingegen zeigt, wie wichtig ein virtuelles Erlebnis ist. "Die Leute wollen, dass das Produkt in AR so aussieht wie das echte Produkt im Laden", sagt Jiang. Bei Schmuck bedeutet das eben, das Glitzern der Edelsteine so realistisch wie möglich zu gestalten.

Jiangs Ergebnissen zufolge erhöht also ein Luxusprodukt, das mit AR interaktiv und virtuell erlebbar gemacht werden kann, die Kaufbereitschaft. Das bedeutet nicht, dass die Leute das Produkt sofort kaufen. Vielleicht können sie es sich im Moment nicht leisten, oder sie wollen das Bild mit Freunden und Familie teilen, um deren Meinung einzuholen. Aber wenn das AR-Erlebnis einprägsam ist, so Jiang, werden die Verbraucher der Generation Z eine mentale Notiz machen, um das Produkt in Zukunft zu kaufen.

Ein Sprecher von Snap lehnte es zwar ab, Angaben darüber zu machen, wie viele Nutzer der Tiffany- und Cartier-Erlebnisse tatsächlich Schmuck von den Marken gekauft haben. Jiang kann ihre Arbeit dennoch durch tatsächliche Kauftrends untermauern. Ein Bericht der Unternehmensberatung Bain vom Januar dieses Jahres stellt nicht nur fest, dass der Luxusmarkt trotz der wirtschaftlichen Abschwächung robust wächst, sondern sagt auch vorher, dass bis 2030 die Gen Z und Gen Alpha (geboren zwischen 2010 und 2020) ein Drittel des Luxusgütermarktes ausmachen werden. Die Generation Z kauft ihre ersten Luxusgüter auch früher als andere Generationen, nämlich im Alter von 15 Jahren, ganze fünf Jahre vor den Millennials, der zwischen 1981 und 1996 geborenen Generation.

Dies könnte erklären, warum Luxusmarken verstärkt auf AR-Erlebnisse setzen. Jiang sagt, dass die Pandemie diese Marken hart getroffen hat, weil Besuche in den Geschäften und die Möglichkeit, mit den Produkten zu interagieren, wichtig sind, um den Kunden zum Kauf zu bewegen. AR löst dieses Problem und macht Luxus zugänglicher. Selbst wenn man in Jogginghosen unterwegs ist.

(vsz)