Bezahlen für News: Wie die Tech-Branche den Journalismus stärken könnte

Überall auf der Welt erwägen Staaten, Facebook & Co. dazu zu zwingen, Geld an Medien zu zahlen, die unter den Plattformen leiden. Wie kann das funktionieren?

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(Bild: Ms Tech / Pexels / Unsplash)

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Justin Hendrix
Inhaltsverzeichnis

Demokratien auf der ganzen Welt stecken in der Krise. Viele sehen den Niedergang der traditionellen Nachrichtenindustrie als einen der Faktoren an, die dazu beitragen. Kein Wunder also, dass die Frage nach der Finanzierung von Journalismus als dringendes Thema gilt und einige Regierungen mit ehrgeizigen Plänen vorpreschen.

Ein Beispiel ist Australien: Dort hatte man ein Gesetz verabschiedet, das Such- und Social-Media-Plattformen dazu zwingen sollte, Nachrichtenorganisationen für die Verlinkung ihrer Inhalte zu bezahlen. Google hat sich dazu entschlossen, das Gesetz zu befolgen und machte Deals mit großen Medienkonzernen wie News Corp, Nine und Seven West Media. Doch Facebook ging einen anderen Weg – anstatt für das Erscheinen von Nachrichten auf seiner Plattform zu bezahlen, sperrte der Social-Media-Riese australische Nutzer zunächst komplett für den Zugriff auf Nachrichteninhalte – inklusive der Teilenfunktion. Erst später einigte sich das Unternehmen mit lokalen Medienbetreibern.

Die Reaktionen darauf waren heftig. Einige Kommentatoren stürzten sich auf das Vorgehen von Facebook als Beweis für dessen monopolistische Absichten und mangelnde Sorge um einen zivilen Diskurs. Andere werfen der australischen Regierung vor, sich den protektionistischen Interessen von Mediengiganten wie jenem von Rupert Murdoch zu beugen und Tech-Unternehmen dabei in eine absurde Position zu bringen.

Doch was kann noch getan werden, um die Milliardenverluste, die Medienkonzerne durch soziale Medien und Suchmaschinen erlitten haben, die ihnen den Werbemarkt abnahmen, zurück in den Journalismus zu pushen?

Australiens Ansatz wird mittlerweile von Gesetzgebern und Regulierungsbehörden in mehreren anderen Ländern in Betracht gezogen. In Kanada wird etwa erwogen, seine eigene Gesetzgebung an das australische Gesetz anzulehnen. Es gibt auch einige Ähnlichkeiten in einem vom US-Kongressabgeordneten David Cicilline aus Rhode Island vorgeschlagenen Gesetzentwurf, der "einen temporären sicheren Hafen für die Herausgeber von Online-Inhalten" bieten soll, um mit "dominanten Online-Plattformen kollektiv über die Bedingungen zu verhandeln, zu denen ihre Inhalte verbreitet werden dürfen".

Aber welche anderen Optionen gibt es angesichts der Einwände gegen solche Ansätze? Wenn neue Abo-Modelle nicht ausreichen, um die Medienindustrie zu erhalten, was kann dann noch getan werden, um der Branche genügend Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre zweifellos wichtige Aufgabe erfüllen kann?

Eine Reihe von Ideen findet sich in den Archiven der US-Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC), die sich schon vor zehn und mehr Jahren ausführlich mit diesem Problem befasst hat. Ein Papier der Behörde aus dem Jahr 2010 ("Potential Policy Recommendations to Support the Reinvention of Journalism") sah Gründe zur Annahme, dass das schlichte Experimentieren "kein robustes und nachhaltiges Geschäftsmodell für den kommerziellen Journalismus hervorbringen könnte". Also machten sich die Autoren auf die Suche nach anderen Goldtöpfen.

Eine Idee, die in dem Bericht vorgebracht wurde, war eine kartellrechtliche Ausnahmeregelung, die es Nachrichtenorganisationen erlaubt, sich gemeinsam auf einen "Mechanismus zu einigen, der von Nachrichtenaggregatoren und anderen verlangt, für die Nutzung von Online-Inhalten zu bezahlen", was sehr nach dem australischen Gesetz klingt.

Aber andere Ideen sind noch moderner. Dazu gehörten etwa:

  • Eine Frequenzauktionssteuer. Dieser Eingriff würde nicht versuchen, den Plattform-Anbietern Geld aus den Rippen zu leiern, sondern eher die Gewinne von Mobilfunkbetreibern und Rundfunkveranstaltern umzuleiten, indem die Lizenzen besteuert werden, die sie für das Recht erwerben, auf bestimmten Frequenzen zu arbeiten, wobei der Erlös in eine Art öffentlichen Medienfonds gehen würde. Doch bislang fließt dieses Geld vor allem dem Staat zu – in Europa wie in den USA.
  • Steuern für Werbung. Anstatt Tech-Plattformen zu zwingen, Nachrichtenunternehmen direkt zu bezahlen, könnten Regierungen einfach eine Steuer auf digitale Werbung erheben. In ihrem Bericht von 2010 vermutete die FTC, dass eine zweiprozentige Umsatzsteuer auf Werbung jährlich 5 bis 6 Milliarden Dollar einbringen würde, die in den Journalismus fließen könnten. Der US-Bundesstaat Maryland hat bereits einen Gesetzesentwurf zur Einführung einer Steuer auf digitale Werbung vorgelegt, mit der ein weiteres öffentliches Gut finanziert werden soll – Bildung. (Die großen Tech-Unternehmen wehren sich vehement dagegen.)
  • Steuern auf Mobilfunktarife. Eine andere Möglichkeit, Medien zu bezahlen, wäre, dass die Verbraucher eine kleine Steuer auf ihre monatlichen Handyrechnungen zahlen. Im Dollar von 2010 gerechnet hätte eine Steuer von drei Prozent auf die monatlichen Gebühren jährlich 6 Milliarden Dollar eingebracht, und es gibt heute etwa 120 Millionen mehr US-Mobilfunkverträge.

Der FTC-Bericht ist voll von Vorschlägen für alternative Steuerstrukturen, Urheberrechtsvorteile und andere kreative Mechanismen, um den Journalismus zu unterstützen. Auch gibt es Ideen, wie man die Nachrichtenindustrie direkter subventionieren könnte.

Zusätzlich zu diesen Ideen gibt es meiner Meinung nach eine weitere Möglichkeit, die der Kongress in Betracht ziehen sollte: die Finanzierung des Journalismus durch die Umleitung von Bußgeldern gegen die Tech-Plattformen für Datenschutz- und Kartellrechtsverletzungen.

So kündigte die FTC 2019 eine Geldstrafe in Höhe von 5 Milliarden Dollar gegen Facebook wegen mehrerer Datenschutzverstöße an, darunter auch der Skandal um Cambridge Analytica. Fünf Milliarden Dollar sind das Doppelte des Stiftungsvermögens der Knight Foundation, einer der großzügigsten Philanthropieorganisationen, die heute in den Journalismus investieren. Und im selben Jahr legte Google einen Prozess wegen der Verletzung der Privatsphäre von Kindern außergerichtlich bei und zahlte der FTC 170 Millionen Dollar.

Es ist nicht schwer, sich einen neuen Mechanismus vorzustellen, der Bußgelder aus Datenschutz- und Kartellrechtsverstößen in eine quasi-staatliche Stiftung umleiten könnte. In Europa könnte dies an die DSGVO andocken. Auf die USA gerechnet ergeben sich erstaunliche Zahlen: Im Laufe der Zeit könnte das Vermögen einer solchen Stiftung die Verluste der Nachrichtenindustrie in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als ausgleichen – die gesamte Branche hat im letzten Jahr knapp 25 Milliarden Dollar verdient.

Das aktuelle politische Klima in den USA und anderswo macht es wahrscheinlich, dass Regierungen zunehmend versuchen werden, Gelder von Tech-Plattformen in die Nachrichtenmedien umzuleiten. Ein Bericht des US-Repräsentantenhauses mit dem Titel "Investigation of Competition in Digital Markets" (Untersuchung des Wettbewerbs in digitalen Märkten) kam zu dem eindeutigen Schluss, dass "das Aufkommen von Plattform-Gatekeepern - und die Marktmacht, die diese Firmen ausüben – zum Rückgang vertrauenswürdiger Nachrichtenquellen beigetragen hat".

Aber Tech-Unternehmen zu zwingen, die Nachrichtenmedien direkt zu bezahlen – mit all den Gefahren, die das mit sich bringen kann – ist nur eine Option. Sie wird heute auch schon freiwillig umgesetzt, durch den neuen Facebook-News-Dienst etwa oder durch Google. Doch wenn das Ziel ist, den Journalismus in großem Umfang zu rekapitalisieren, ist es an der Zeit, wirklich kreativ zu werden.

Justin Hendrix ist Chefredakteur von Tech Policy Press, einem Non-Profit-Medienunternehmen, das sich mit Technik und Demokratie beschäftigt. Zuvor war er Exekutivdirektor des NYC Media Lab und über ein Jahrzehnt lang beim "Economist" tätig. (bsc)