Eine Frage der Ehre

Fünf Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima weiß noch immer niemand, wie es im Innersten der Atommeiler genau aussieht.

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Fünf Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima weiß noch immer niemand, wie es im Innersten der Atommeiler genau aussieht. Dass japanische Roboter die strahlenden Hinterlassenschaften beseitigen sollen, betrachtet die Techniknation jedoch als ihre nationale Pflicht.

Das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im April 2015: Zum ersten Mal nach der Katastrophe soll ein Roboter in den Sicherheitsbehälter des zerstörten Reaktorblocks 1 vordringen. Ferngesteuert kriecht das von Hitachi GE entwickelte, schlangenförmige Gefährt durch eine Röhre, seilt sich ab und landet schließlich auf einer Gitterbühne im Innern des 30 Meter hohen, stark verstrahlten Behälters aus Stahlbeton.

Die Aufgabe des Roboters: Er soll herausfinden, ob der Weg zur unteren Etage frei ist, wo die geschmolzenen Brennstäbe vermutet werden. Fünf Stunden lang schleicht er mit fünf Zentimetern pro Sekunde über den Gittergang, stoppt regelmäßig und filmt seine Umgebung. Im rund 500 Meter entfernten Kontrollzentrum verfolgen die Ingenieure gebannt den Livestream aus der Todeszone. Die Scheinwerfer reichen nur einige Meter weit, das verrauschte Schwarz-Weiß-Bild zeigt Trümmerteile, die hier und dort im Weg liegen. Unten rechts auf dem Monitor wird die Strahlung angezeigt: 5,9 Sievert pro Stunde – tödlich für Menschen binnen 20 Minuten. Plötzlich bleibt der Roboter an einem Loch im Boden hängen und fährt sich fest.

Jahrelange Entwicklung für ein paar Stunden Einsatz. Doch der hat sich gelohnt: Die Videos des Roboters haben gezeigt, dass der Weg zur unteren Etage frei ist. Nun können die Entwickler einen weiteren Spezialroboter planen, der dort unten nach dem geschmolzenen Brennstoff suchen soll. Simulationen zufolge hat sich der hochradioaktive Müll am Boden des Behälters gesammelt. Vielleicht aber hat er sich auch in den Beton gefressen – sicher ist das noch immer nicht.

Auch fünf Jahre nach der Katastrophe ist der Atomkomplex Fukushima noch immer eine kaum zu überblickende Herausforderung. Auf keinen Fall will Japan eine Atomruine als „nationale Schande“ zurücklassen, wie es die Sowjetunion in Tschernobyl getan hat. Aber wie das gelingen soll, weiß noch niemand so genau. In drei von sechs Kraftwerksblöcken hat es aller Wahrscheinlichkeit nach eine Kernschmelze gegeben – wie genau die Lage in diesen Gebäuden ist, wird noch immer erkundet. 30 bis 40 Jahre wird es wahrscheinlich dauern, die Ruinen komplett zurückzubauen. Nur eines ist ziemlich sicher: Der Rückbau kann nur mit der Hilfe von Robotern gelingen.

(wst)