KI-Modell soll tödlichen Bauchspeicheldrüsenkrebs früh erkennen

Bauchspeicheldrüsenkrebs wird oft zu spät erkannt. Das KI-System PRISM AI soll daher früh Patienten identifizieren, die die häufigste Form entwickeln könnten.​

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Futuristisches Bild von einem Arzt, der Daten einträgt

(Bild: PopTika/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Rhiannon Williams
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Apple-Chef Steve Jobs litt daran, die Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg und der Schauspieler Patrick Swayze: Die Rede ist von Bauchspeicheldrüsenkrebs, die am schwersten zu erkennende Krebsart. Nun soll eine neue Künstliche Intelligenz (KI) helfen, die häufigste Varainte dieser Krankheit schon früh zu erkennen: das duktale Adenokarzinom der Bauchspeicheldrüse (PDAC).

Das KI-System namens PRISM AI ermittelt die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten sechs bis 18 Monaten an einem PDAC zu erkranken. Dann könnten Betroffene noch vor dem Auftreten von Symptomen regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen vereinbaren. So sollen eine Früherkennung und Heilung möglich werden. In ersten Tests übertraf das System alle bisherigen Diagnosestandards. Es wurde in Zusammenarbeit von Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Strahlenonkologin Limor Appelbaum vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston entwickelt.

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist aus zwei Gründen schwer zu erkennen. Zum einen treten die Symptome nur selten schon im Frühstadium auf. Zum anderen sind die Tumore bei Untersuchungen schwer zu entdecken, weil die Bauchspeicheldrüse von anderen Organen verdeckt wird. So aber werden die meisten Fälle erst spät diagnostiziert. Nämlich dann, wenn sich der Krebs bereits auf andere Teile des Körpers ausgebreitet hat. Eine Heilung ist dann nicht nur schwieriger, sondern meist unmöglich.

Um das Modell zu entwickeln, untersuchten die Forschenden bestehende elektronische Gesundheitsakten. PRISM AI besteht aus zwei KI-Modellen. Das erste verwendet künstliche neuronale Netze, um Muster in den Daten zu erkennen, zu denen das Alter der Patienten, ihre Krankengeschichte und Laborergebnisse gehören. Anschließend berechnet es einen Risikoscore für einen einzelnen Patienten. Das zweite KI-Modell wurde mit denselben Daten gefüttert, um einen Score zu erstellen, verwendete aber einen einfacheren Algorithmus.

In die beiden Modelle flossen anonymisierte Daten aus sechs Millionen elektronischen Gesundheitsdatensätzen aus den USA ein, in denen es 35.387 PDAC-Fälle gab. Das Team verwendete die Modelle, um das PDAC-Risiko der Patienten alle 90 Tage zu bewerten, bis keine ausreichenden Daten mehr vorlagen oder bei dem Patienten Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert wurde. Anschließend setzten sie Nachfolgeuntersuchungen an, die sechs Monate nach der ersten Risikobewertung starteten und bis 18 Monate nach der letzten Risikobewertung liefen, um zu sehen, ob bei den Probanden in dieser Zeit ein PDAC diagnostiziert wurde.

Wie die Forscher in der Fachzeitschrift eBioMedicine schreiben, identifizierte das neuronale Netzwerk von den Probanden, die tatsächlich an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankten, 35 Prozent als Hochrisikopatienten – und zwar sechs bis 18 Monate vor der Diagnose. Das ist nach Ansicht der Autoren eine erhebliche Verbesserung gegenüber den derzeitigen Screening-Systemen. Anders als für Brust- oder Darmkrebs gibt es in den USA für den größten Teil der Bevölkerung keine empfohlene Screening-Routine für Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die existierenden Standard-Screening-Kriterien erfassen gerade mal zehn Prozent der Fälle.

Da es wichtig ist, die Krankheit in einem möglichst frühen Stadium zu erkennen, ist das System vielversprechend, sagt Michael Goggins. Der Professor für Pathologie und Spezialist für Bauchspeicheldrüsenkrebs an der Johns Hopkins University School of Medicine ist nicht an dem Projekt beteiligt. "Es wäre zu erwarten, dass ein solches Modell die derzeitige Situation verbessern würde", sagt er. "Aber es muss wirklich sehr früh sein, um die größte Wirkung zu erzielen."

Schließlich sei es möglich, dass Menschen innerhalb des Zeitfensters von sechs bis 18 Monaten an fortgeschrittenem Bauchspeicheldrüsenkrebs erkranken. Das würde bedeuten, dass es zu dem Zeitpunkt, an dem sie eine Risikobewertung erhalten haben, zu spät sein könnte, um sie wirksam zu behandeln, sagt er.

Bei dieser Studie handelte es sich um eine retrospektive Studie, bei der vorhandene Daten ausgewertet und die Modelle mit hypothetischen Vorhersagen beauftragt wurden. Inzwischen hat das Team mit den Vorbereitungen für eine Studie begonnen, bei der Daten vorhandener Patienten gesammelt und ihre Risikofaktoren berechnet werden. Dann wird abgewartet, um zu sehen, wie genau die Vorhersagen sind, sagt Martin Rinard, Professor für Elektrotechnik und Informatik am MIT, der an dem Projekt mitgearbeitet hat.

In der Vergangenheit haben andere KI-Modelle, die mit Daten aus einem bestimmten Krankenhaus erstellt wurden, manchmal nicht so gut funktioniert, wenn sie mit Daten aus einem anderen Krankenhaus versorgt wurden, betont er. Das könnte an allen möglichen Gründen liegen, etwa an unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, Verfahren und Praktiken.

"Da wir über Daten verfügen, die im Wesentlichen einem bedeutenden Teil der gesamten Bevölkerung der Vereinigten Staaten entsprechen, haben wir die Hoffnung, dass das Modell organisationsübergreifend besser funktioniert und nicht an eine bestimmte Organisation gebunden ist", sagt er. "Und weil wir mit so vielen Organisationen zusammenarbeiten, haben wir auch eine größere Auswahl an Trainingsdaten.“

In Zukunft könnte PRISM auf zwei Arten eingesetzt werden, sagt Appelbaum. Erstens könnte es helfen, Patienten für Bauchspeicheldrüsenkrebstests auszuwählen. Zweitens könnte es eine breitere Art von Screening anbieten, indem es Menschen ohne Symptome auffordert, einen Blut- oder Speicheltest zu machen, der Aufschluss darüber gibt, ob sie weitere Tests benötigen.

"Es gibt Zehntausende dieser Modelle für verschiedene Krebsarten, aber die meisten von ihnen stecken in der Literatur fest", fügt Limor Appelbaum hinzu. "Ich denke, wir haben den Weg, um sie in die klinische Praxis zu bringen, und deshalb habe ich mit dieser Arbeit begonnen – damit wir sie den Menschen zur Verfügung stellen und Krebs frühzeitig erkennen können. Es hat das Potenzial, viele, viele Leben zu retten."

(jle)