Nanotech 2007: Lichte Zukunft

Die Beherrschung von Produktionsverfahren auf der Nanoebene soll optische Leitungen auf Chips ermöglichen.

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Von
  • Martin Kölling

Die weltgrößte Messe für Nanotechnologie, die Nanotech in Japan, zieht immer mehr Aussteller an. Auch Volkmar Börner, Geschäftsführer des deutschen Unternehmens Holotools, ist 2007 das erste Mal vertreten. „Eine große Marktdurchdringung wird uns nur hier gelingen“, weiß er. Denn das Gros der potenziellen Kundschaft der Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme sitzt in Japan: die Zulieferer von Flachbildschirmherstellern wie der Folienhersteller Toppan.

Die Chancen stehen gut, dass er Kunden findet. Die japanische Nanotech richtet sich vor allem an Unternehmen, die auf der Suche nach neuen Materialien und Herstellungsverfahren sind, um im globalen Wettbewerb als Sieger vom Platz zu gehen. „Der Unterschied ist, dass die Japaner sehr pragmatisch sind, während in Deutschland und Amerika viel akademisch gemacht wird“, erzählt ein paar Meter entfernt von Messeneuling Börner Michael Popall, der als Chef des Geschäftsfelds Mikrosysteme und mobile Energieversorgung des Fraunhofer-Instituts für Silikatforschung seit Jahren zu den gefragten Ausstellern zählt. „Schon die Nanotech-Messen spiegeln dies wieder: In Europa und den USA gibt es kleine Messen mit großen Konferenzen, hier eine große Messe mit kleinen Konferenzen.“

Die Zahl der Aussteller ist gegenüber dem vergangenen Jahr um fast ein Viertel auf 484 Unternehmen und Institutionen aus 22 Ländern gestiegen. Aus Japan werben Großkonzerne wie NEC, Hitachi, Toshiba oder Fujitsu um Kunden ebenso wie Kleinunternehmen wie der mittelständische Farbenhersteller Mizutani Nano Technologies. Doch auch ausländische Unternehmen sind stark vertreten, denn so sehr Japan mit seiner großen Anzahl an Unternehmen aus der Konsumelektronik, dem Maschinenbau und Materialherstellern auch die Nachfrage dominiert, ist die Forschung auch im Ausland stark.

„Die Themen der Forschung in Japan und in Deutschland sind sehr ähnlich“, sagt Popall. Nur in der Anwendung der Technologien sind die Japaner den Europäern oft voraus. „Hier will man Nanotech möglichst schnell nutzen, während wir in Deutschland erst eine Anwendung möglichst komplett erforschen wollen. Dann sind die Japaner schon davongelaufen“, benennt Popall einen Kulturunterschied, der Japan für den Hochtechnologie-Standort Deutschland unentbehrlich macht. „Wenn man Spitzenforschung machen will, muss man da sein, wo die Kunden sind“, betont Holotools-Chef Börner.

Japan versucht seine Spitzenstellung auf diesem Gebiet weiter auszubauen. „Im dritten Fünf-Jahresplan für Wissenschaft und Technologie sind Nanotechnologie und Materialien neben IT, Life Science und Umwelt als eines von vier Hauptfördergebieten bestimmt worden“, sagt Kazunobu Tanaka, vom Zentrum für Forschungs- und Entwicklungsstrategie der Japan Science and Technology Agency (JST). Eines von zehn strategischen Gebieten ist die „Forschung und Entwicklung für die gesellschaftliche Akzeptanz von Nanotechnologie“. Erstmals geht es dabei auch um die verantwortliche Forschung und vor allem um Standardsetzung in der Nanotechnologie. Doch der Technologietransfer von Forschungsergebnissen ist grundsätzlich noch recht langsam, stellt Tanaka fest.

In einigen Anwendungen mit ad hoc großem Marktpotenzial wie bei Holotools Produkt stimmt die Aussage allerdings nicht mehr. „Wir dachten erst, dass unser Stand mit vier Leuten ein wenig überbesetzt ist, aber wir kommen kaum zum Mittagessen“, berichtet Börner. Denn Holotools ist weltweit der einzige Hersteller, der Vorlagen für Matrizen in der Folienherstellung für beispielsweise Flüssigkristallbildschirme in der Größenordnung von 960 mm mal 720 mm herstellt. Diese Folien dienen der Entspiegelung von Flüssigkristallbildschirmen (LCD) und als holografische Diffusoren, mit denen das Licht der Hintergrundbeleuchtung in den LCDs gestreut wird.

Die notwendige Technologie, die Interferenzlithographie, erfordert eine Kontrolle im Nanometerbereich: Das Licht eines Lasers wird großflächig aufgeweitet und überlagert. Auf diese Weise werden Mikrostrukturen ohne „schreibende Verfahren und Belichtungsmasken“ auf die Vorlage geschrieben, erklärt Börner. „Dazu müssen wir einen Lasertisch über eine Stunde so stabil halten, dass er nicht um zehn Nanometer wackelt.“ Allein eine Temperaturveränderung von 0,03 Kelvin würde dazu führen. Durch die Größe der Vorlage können Unternehmen Folien effizienter Herstellen als mit anderen Verfahren.

Japanische Unternehmen versuchen derweil, die Herstellungsverfahren für Strukturen im Nanometerbereich zu verbessern. Beispiel Folien: Während die Folienhersteller Holotools Vorlagen in der Regel um eine Walzenpräge legen, um ihre Folien zu pressen, versucht Hitachi eine Art Gurt zu nutzen. „Durch den Thermo Sheet-type imprint können wir die Dauer und die Temperatur des Pressvorgangs besser als mit herkömmlichen Walzenprägen kontrollieren“, sagt ein Ingenieur. So lassen sich nicht nur höhere Strukturen prägen, sondern vor allem die Produktivität um das zehn bis hundertfache erhöhen. Das Problem: Das vorgestellte Verfahren braucht noch einige Jahre bis zur Marktreife.

Fast ein Dutzend japanischer Unternehmen versucht hingegen, Belichtungsverfahren zu entwickeln, die feinste Strukturen durch die Belichtung von Polymeren mit ultraviolettem Licht herstellen. Dieses Verfahren wird derzeit vom US-Hersteller Molecular Imprint, Inc (MII) dominiert. „Die Genauigkeit ist viel höher als mit Thermo-Verfahren, weil wir die Temperatur nicht verändern müssen“, sagt Hiroshi Yoshida, ein führender Wissenschaftler von Hitachis Abteilung für Nanoimprint. Damit lassen sich auch Strukturen unterhalb von 100 Nanometern herstellen.

Ein weiterer neuer Trend ist bei Japans Chipherstellern zu beobachten: Die elektronische Datenübermittlung auf dem Chip soll durch optische Lichtleiter ersetzt werden. Ein Konsortium der Universität Kyoto, dem mittelständischen Unternehmen Hamamatsu Photonics und dem New Glass Forum hat gerade 2006 ein fünfjähriges Projekt begonnen, durch ein Laserverfahren dreidimensionale optische Schaltkreise und optische Komponenten für Sensoren in Silizium zu bohren. Dazu wird ein Laser aufgefächert, durch Linsen wieder gebündelt. Damit soll eine Genauigkeit von einem Zehntel der Wellenlänge des Lichts erreicht werden.

An einer marktnäheren Technik entwickelt NEC in seinem Projekt Nanophotonik für Computer. Sie ist kompatibel mit weit verbreiteten CMOS-Prozessen und damit schnell nutzbar für eine Massenverfertigung. Der Lichtleiter besteht aus Siliziumoxidnitrid, erklärt Toshio Baba, einer der führenden Wissenschaftler. Durch diese neuen Technik können optische Komponenten wie Photodetektoren und -modulatoren sowie optische Transmitter direkt auf dem Logikchip untergebracht werden.

Die Chiphersteller erwarten sich dadurch einen Leistungssprung. „Optische Verbindungen sind drei bis viermal schneller als elektronische“, sagt Baba. Zudem schrumpfen Größe und Energieverbrauch der Chips weiter. Der Schönheitsfehler: „Wir brauchen noch fünf bis sechs Jahre, um die Technik zu einem Produkt zu machen.“ Das Rimcof-Labor der Tohoku Universität für Materialforschung wiederum demonstriert Japans Bestreben, sich global im Flugzeugbau durch die Entwicklung neuer Materialien unentbehrlich zu machen. Boeing nutzt die durch staatliche Fördergelder errungene Vormachtstellung der japanischen Schwerindustriekonzerne bei Verbundwerkstoffen zum Ärgernis von Airbus sehr intensiv für seine neue Boeing 787. Japanische Firmen stellen einen Großteil der Rümpfe und Flügel her. Nun will Rimcof auch Titan im Flugzeugbau durch metallisches Glas ersetzen, erklärt Nobuyuki Nishiyama, Manager der Forschungsgruppe. Das bereits seit fast 50 Jahren bekannte neue Material ist härter als Stahl und Titan, lässt sich gießen wie Kunststoff, ist elastisch und rostet nur ein 10000stel mal so viel wie Edelstahl, schwärmt Nishiyama. Und mehr noch: Die Herstellung von Strukturen aus Titan braucht lange Zeit und hohe Temperaturen, während sich metallisches Glas schon bei 400 Grad Celsius und mit nur einem Druck von einem Megapascal verarbeiten lasse.

Schon heute wird metallisches Glas in Skalpellen oder als Schale für Nokias extrem teures Edelhandy Virtu verwendet. Auch die Forschung an diesem Produkt ist beileibe kein japanisches Monopol „Grundlagenforschung wird auch in den USA und in Deutschland betrieben. Aber einmalig in Japan ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen“, behauptet Nishiyama. Er klopft mit dem Finger an eine fertige Form. „Noch müssen unsere Materialen die Eignungstest der Flugzeughersteller bestehen.“

Doch Japaner sind nicht nur harte Konkurrenkten, sondern auch gute Kunden. Vier bis fünf Millionen Euro fließen jährlich an Lizenzgebühren aus Japan in die Kassen der Fraunhofer-Institute, mehr als in die Kassen selbst der größten japanischen Institute, schätzt ein Japan-Kenner. Bei Auslandsertragen von rund 100 Millionen Euro ist Japan damit einer der attraktivsten Märkte für die Hochtechnologie-Forscher aus Deutschland. Produkte aus der Nano-Schmiede Fraunhofers werfen „noch unter einer Million“ ab, sagt Popall. „Aber die Erträge steigen deutlich.“ (wst)