"Und das finden Sie jetzt gut?"

Ist die Energiewende dringend geboten angesichts des Klimawandels, oder ist sie eine „Geisterfahrt“ auf Kosten der Wirtschaft?

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Für den einen ist die Energiewende dringend geboten, „weil wir ein wahnsinniges Experiment mit der Erde machen“, der andere hält sie für eine „Geisterfahrt“ auf Kosten der Wirtschaft. Die beiden profilierten Energieexperten Fritz Vahrenholt und Eicke Weber diskutieren engagiert über das Für und Wider der Erneuerbaren.

TR: Herr Weber, Herr Vahrenholt, brauchen wir eine Energiewende?

Vahrenholt: Wir brauchen einen neuen Energiemix, weil wir uns von der Kernenergie verabschieden. Das wird auch niemand mehr zurückdrehen. Aber das Mantra von der Klimakatastrophe darf nicht der alleinige Treiber für eine Energiewende sein.

Weber: Schon die Verknappung der fossilen Brennstoffe zwingt uns zur Energiewende. Vor allem aber der steigende CO2-Gehalt der Atmosphäre. Wir hatten eine Million Jahre lang einen CO2-Gehalt zwischen 220 und 280 Teilen pro Million (ppm) und sind heute bei 390 ppm. Wir machen mit der Erde ein wahnsinniges Experiment. Der dritte Antrieb ist ein ökonomischer: Wenn die Energiewende sowieso unabweisbar ist, dann haben Firmen, die sich dieser Technologien frühzeitig annehmen, einen großen Vorteil auf dem Weltmarkt.

Vahrenholt: Das meiste davon ist falsch. Erstens: Wenn es um die Ökonomie geht, sind wir gerade dabei, den Standort Deutschland aufs Spiel zu setzen. Wir unterwerfen die Verfügbarkeit von Strom der Volatilität von Wind und Sonne und können in wenigen Jahren keine gesicherte Energieleistung mehr anbieten. Zweitens: Wir haben bei den fossilen Brennstoffen noch Reichweiten von 300 bis 400 Jahren. Warum halten Sie es unbedingt für erforderlich, schon bis 2040 oder 2050 hundert Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen? Drittens: Sie behaupten, der CO2-Gehalt der Atmosphäre ist größer geworden. Das ist richtig. Und wir haben eine Erwärmung. Daraus ziehen Sie den Kurzschluss: Es muss wohl CO2 sein. Das ist unzulässig, weil es schon immer eine große Variabilität des Klimas gab.

Weber: Die Menschheit hat ja noch gar keinen Globus erlebt, der mit einem CO2-Gehalt von 390, 500 oder gar 1000 ppm zurechtkommen musste. Und dazu wird es kommen, wenn wir bis 2100 weiterwirtschaften wie bisher. Die neuesten und gründlichsten Analysen sagen, dass die Temperatur um drei Grad pro Verdoppelung des CO2-Gehalts ansteigt. Bei 1000 ppm wären wir bei etwa plus sechs Grad.

Vahrenholt: Die Verdoppelung des CO2-Gehalts bringt nur eine Erwärmung von ungefähr einem Grad. Das ist auch das, was wir naturwissenschaftlich begründen können. Alles andere geht auf Rechenmodelle zurück, die nicht in der Lage sind, die Wirklichkeit abzubilden.

Weber: Herr Vahrenholt stellt sich gegen den Weltklimarat und die Gesamtheit der Forscher. Er ist ein Flache-Erde-Vertreter.

Vahrenholt: Danke, danke. Hunderte von Wissenschaftlern teilen meine Einschätzung. Eben keine Fantasten wie Herr Weber. Wir haben seit 14 Jahren keine Erwärmung mehr. Bestreiten Sie das?

Weber: Dass wir seit 14 Jahren keine Erwärmung haben, bestreite ich, ja. In den letzten Jahren war die Erwärmung allerdings nicht so hoch wie vorher.

Vahrenholt: Ach, nicht so hoch? Die war null! Absolut null.

Weber: Also wissen Sie, Herr Vahrenholt, wir können im Jahr 2020 eindeutig entscheiden, wer von uns recht hat.

TR: Wie relevant ist es für die Energiewende überhaupt, von welchen Motiven sie angetrieben wird?

Weber: Den Unterschied macht die Zeitachse. Herr Vahrenholt konzidiert, dass auf Dauer die Umstellung des Energiesystems nötig ist. Aber er sagt, wir können uns Zeit lassen. Dann braucht jedenfalls unsere Generation dafür kein Geld auszugeben. (grh)