Wie weit die Entwicklung medizinischer Mikroroboter ist

Mikroroboter, die im Körper freigesetzt werden, könnten Blutgerinnsel auflösen, Krebsmedikamente verabreichen und sogar lustlose Spermien an ihr Ziel bringen.

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Arzt mit Stethoskop in der Hand

(Bild: PopTika/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Cassandra Willyard

Der menschliche Körper ist ein Labyrinth aus Gefäßen und Schläuchen, voller Barrieren, die nur schwer zu durchbrechen sind. Das stellt für Ärzte eine große Hürde dar. Krankheiten werden oft durch Probleme verursacht, die schwer zu erkennen und schwer zugänglich sind. Winzige Roboter könnten helfen, diese Probleme aufzuspüren und zu beseitigen. Sie könnten schwer zugängliche Blutgerinnsel auflösen, Tumore bekämpfen und sogar Embryos bei der Einnistung in der Gebärmutter helfen.

Die medizinischen Mikroroboter werden kommen, sagt Brad Nelson, Experte für Robotik an der ETH Zürich. Und das schon bald. Und sie könnten bei einer Reihe von schweren Krankheiten eine entscheidende Rolle spielen. In einer aktuellen Veröffentlichung in "Science" argumentieren Nelson und sein Co-Autor Salvador Pané, dass diese winzigen Maschinen dazu beitragen könnten, Medikamente genau dorthin im Körper zu bringen, wo sie benötigt werden. Das könnte helfen, die Toxizität der Medikamente zu minimieren. "Durch gezielten Einsatz können wir stärkere Dosen verwenden und vielleicht sogar die Art und Weise, wie wir einige dieser Krankheiten behandeln, neu überdenken", sagt Nelson.

Es gibt Gründe, weshalb Brad Nelson so optimistisch ist. Einige dieser Roboter haben bereits den Weg aus dem Labor in große Tiere, einschließlich Schweinen, gefunden. Es gibt mindestens vier Start-ups, die an medizinischen Mikrorobotern arbeiten, die sich "ungebunden" im Körper bewegen können. Eines dieser Unternehmen, Bionaut, hat Anfang dieses Jahres 43 Millionen US-Dollar gesammelt, um eine Phase-I-Studie durchzuführen. Mit dem Geld will das Unternehmen Roboter von der Größe einer Bleistiftspitze entwickeln, die Medikamente an die Stelle von Hirntumoren (Gliome) bringen und Zysten durchstoßen sollen, die den Fluss der Rückenmarksflüssigkeit im Gehirn blockieren – ein Symptom einer seltenen Kinderkrankheit namens Dandy-Walker-Syndrom.

"Mikroroboter" ist ein Sammelbegriff für Roboter, deren Größe von einem Mikrometer (etwa ein Hundertstel der Breite eines menschlichen Haares) bis zu einigen Millimetern reicht. Wenn der Roboter wirklich winzig ist, kleiner als ein Mikrometer, handelt es sich um einen Nanoroboter. Der Begriff "Mikrobot" mag zwar verlockend klingen, weil er wirklich cool ist, aber das sei "eher ein Begriff aus Hollywood", sagt Nelson.

Die winzigen Roboter können aus synthetischen Materialien, aus biologischen Materialien (biologische Roboter oder Biobots) oder aus einer Mischung aus beidem (biohybride Roboter) bestehen. Viele von ihnen, auch die, die Nelson entwickelt, bewegen sich mithilfe von Magneten durch den Körper.

Andere können sich aber auch von selbst bewegen. Kürzlich berichtete ein Forscherteam der Universitäten Tufts und Harvard, dass sie Luftröhrenzellen in Biobots verwandelt haben. Die menschliche Luftröhre verfügt im Inneren über Flimmerhärchen, die Mikroben und Ablagerungen auffangen. Die Forscher brachten die Luftröhrenzellen jedoch dazu, eine organähnliche Mikrostruktur mit den Flimmerhärchen auf der Außenseite zu bilden. Je nach Form und Flimmerhärchenbedeckung konnten sich die Bots in geraden Linien bewegen, Kreise drehen oder wackeln. Und als die Forscher mit einem Metallstab über eine Schicht lebender Neuronen in einer Schale kratzten, schwärmten die Biobots in diesem Bereich aus und lösten das Wachstum neuer Neuronen aus.

"Es ist faszinierend und völlig unerwartet, dass normale Luftröhrenzellen von Patienten, ohne dass ihre DNA verändert wurde, sich selbständig bewegen und das Wachstum von Neuronen in einem geschädigten Bereich anregen können", sagt Michael Levin, Experte für synthetische Biologie an der Tufts-Universität und Leiter der Studie. "Wir untersuchen jetzt, wie der Heilungsmechanismus funktioniert um herauszufinden, was diese Konstrukte sonst noch leisten können."

Der potenzielle Nutzen dieser Mikroroboter ist enorm. "Viele Ansätze zielen auf Gefäßkrankheiten ab", sagt Brad Nelson. Mikroroboter könnten injiziert werden und Blutgerinnsel im Gehirn auflösen, um Schlaganfallpatienten zu behandeln. Oder sie könnten Schwachstellen in Hirngefäßen ausbessern, um zu verhindern, dass diese platzen. Forscher an der Universität von Pennsylvania haben einen Mikroroboter entwickelt, der eines Tages die Zahnbürste ersetzen könnte.

Andere Teams arbeiten an Robotern, die Sperma nachahmen – oder sogar aus Sperma hergestellt werden. Sie haben Kuhspermien entwickelt, die mit Eisen-Nanopartikeln bedeckt sind, IRONSperm genannt, und die mit Hilfe eines rotierenden Magnetfeldes schwimmen. Man hofft, dass sie für die gezielte Verabreichung von Medikamenten eingesetzt werden können.

Ein Team aus Deutschland wiederum arbeitet an Mikrorobotern, die bei der Befruchtung helfen, indem sie schwach schwimmende Spermien zur Eizelle befördern. Ihr System setzt sogar Medikamente frei, um die harte Hülle der Eizelle aufzubrechen. Dieselbe Gruppe hat vor kurzem auch beschrieben, wie Mikroroboter bei der In-Vitro-Fertisilation eingesetzt werden könnten. Bei einem typischen IVF-Verfahren wird eine Eizelle außerhalb des Körpers befruchtet, und der daraus entstehende Embryo wird in die Gebärmutter übertragen. Dieses Verfahren schlägt oft fehl. Wenn jedoch Mikroroboter den Embryo zurück in den Eileiter oder die Gebärmutterschleimhaut bringen könnten, könnte sich der Embryo unter natürlicheren Bedingungen entwickeln, was die Einnistungsraten verbessern könnte. Die Forscher stellen sich von Magnetfeldern gesteuerte Mikroroboter vor, die einen Embryo ergreifen oder tragen, ihn freisetzen und dann auf natürliche Weise abbauen könnten.

Dennoch gibt es einige erhebliche Hürden, die die Unternehmen überwinden müssen, bevor sie die medizinischen Roboter in Menschen einsetzen können. Einige sind technischer Natur. "Es handelt sich um sehr kleine Systeme", sagt Victoria Webster-Wood, Maschinenbauingenieurin an der Carnegie Mellon University, die biohybride Roboter entwickelt. Das macht es nicht leicht, durch eine relativ zähflüssige Körperflüssigkeit wie Blut zu steuern: "Wenn sich der Fluss also sehr schnell bewegt, ist es für den Roboter schwierig, in die andere Richtung zu gehen", sagt sie.

Andere Hürden sind rechtlicher Natur. Mikroroboter gelten zwar als Medizinprodukte, aber sie können auch ein Medikament verabreichen. "Man spricht hier von einer Kombination aus Medikament und Gerät", sagt Nelson. "Das Medikament mag zwar bekannt sein, aber seine Konzentration wird sich hoffentlich deutlich von der normalen Konzentration unterscheiden. Das könnte bedeuten, dass die Aufsichtsbehörden zusätzliche Studien verlangen werden."

Wie Nelson ist auch Webster-Wood seit Jahren auf diesem Gebiet tätig und freut sich, dass die Mikroroboter endlich Beachtung finden. "Allein in den vergangenen zehn Jahren hat sich das Thema so stark entwickelt", sagt Webster-Wood, "ich denke, das Potenzial für eine tatsächliche Umsetzung ist endlich vorhanden."

(jle)