Auch Putins Wunsch nach russischen Konsolen ist unrealistisch

Russen sollen in ihrem Land trotz westlicher Sanktionen Spielkonsolen und Handheld-PCs kaufen können. Dafür fehlt Russland jedoch die Technik.

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London,,Uk,-,May,25,,2021:,Two,Playstation,5,(ps5)

(Bild: Shutterstock.com/Alena Veasey, verfremdet von heise online)

Lesezeit: 3 Min.

Geht es nach Wladimir Putin, sollen schon bald Konsolen und Handheld-PCs erscheinen, die russische Technik verwenden. Unter der Leitung des russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin soll ein Team die Hardware-Konzepte ausarbeiten und die Entwicklung eines eigenen Betriebssystems einläuten.

Das ganze Projekt erscheint allerdings äußerst unrealistisch. Russland hat keine inländischen Prozessoren, die nur ansatzweise schnell genug wären für einigermaßen moderne Spiele. Es fehlt sowohl an konkurrenzfähigen CPU-Entwürfen als auch an zeitgemäßer Halbleiterfertigungstechnik. Auf beiden Gebieten hat Russland Jahrzehnte verloren und muss daher sogar uralte Chips für manche eigenen Waffensysteme aufwendig ins Land schmuggeln.

Bisherige russische CPUs mit VLIW-, RISC-V- und ARM-Architekturen sind lahm und von neueren Modellen hört man nichts mehr, seitdem der weltweit führende Auftragsfertiger TSMC die Geschäftsbeziehungen nach Russland eingestellt hat. Aktuell käme für moderne Prozessoren nur der chinesische Chipauftragsfertiger SMIC infrage, der allerdings schon mit CPUs und KI-Beschleunigern von Huawei gut zu tun hat.

Ein Kommentar von Mark Mantel

Mark Mantel ist seit 2019 Redakteur bei heise online und c't. Er kümmert sich hauptsächlich um die Online-Berichterstattung rund um PC-Hardware.

Schnelle Grafikkarten oder Technik für passable integrierte GPUs fehlt Russland komplett. Hier können auch chinesische Unternehmen nicht aushelfen. Bisherige China-Grafikkarten wie die MTT S80 von Moore Threads kommen gerade einmal an die Bildraten kleiner integrierter Grafikeinheiten von AMD und Intel heran und das auch nur in optimierten Ausnahmefallen.

Damit wäre Grafik auf Niveau der Playstation 3 oder Xbox One schon hoch gegriffen. Bestenfalls wären Emulatoren für noch ältere Spiele zu erwarten. Außerhalb Russlands dürfte derweil kaum ein Entwicklerstudio russischen Konsolen Beachtung schenken.

Die Regierung hat den Entwurf russischer Konsolen aus zwei Gründen angeordnet: Zum einen haben sich unter anderem Microsoft und Sony seit dem Ukraine-Krieg mit ihrer Xbox Series X/S und Playstation 5 aus dem Land zurückgezogen. Zum anderen verbietet die Regierung Spiele, die etwa Homosexualität thematisieren. Mit einer komplett eigenen Konsole hätte man mehr Kontrolle.

Schon im Jahr 2022 verblüfften russische Pläne, eine moderne Chipfertigung aufbauen zu wollen. Entscheidungsträger im Land scheinen sich der Komplexität moderner Halbleiter nicht bewusst zu sein. Halbleiterwerke lassen sich nicht mal eben hochziehen; Prozessoren nicht in kurzer Zeit auf Befehl entwickeln. Beide Unterfangen würden jeweils viel Geld verschlingen und lange Zeit beanspruchen.

Auf dem Gebiet der Mikroelektronik fehlen Russland nicht nur das Know-how, die Unternehmen, Maschinen, speziellen Vorprodukte und ultrareinen Rohstoffe, sondern auch die Fachleute. Die müssten erst einmal an Hoch- und Fachschulen ausgebildet werden. Selbst das viel größere, modernere und wirtschaftlich stärkere Land China, das seit Jahrzehnten strategisch die Mikroelektronik fördert, ist auf diesem Gebiet noch immer stark von den westlichen Industrienationen abhängig.

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