Ein mieser Chatbot ist auch eine miese Kosten-Nutzen-Rechnung

Der "Berufsinformat", ein Chatbot des österreichischen AMS, ist ein Paradebeispiel dafür, wie KI nicht hilft und zu teuer ist, meint Eva-Maria Weiß.

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(Bild: Ditty_about_summer / Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.

Der Einsatz von Künstliche Intelligenz muss sich lohnen. Das kann auf verschiedenen Ebenen schieflaufen. Ein aktuelles Beispiel ist der Chatbot des Arbeitsmarkt-Service Österreich. Der glänzte bei der Veröffentlichung mit einem starken Bias und schlug Frauen vor, in die Beauty-Branche zu gehen, Männer sollten IT-Berufe ergreifen. Der "Berufsinfomat", wie der Chatbot heißt, war aber auch technisch nicht gerade ausgereift. Die Verantwortlichen haben nachbessern müssen. Und damit stiegen die Kosten auf eine halbe Million Euro.

Alle wollen KI einsetzen und sehr viele Menschen glauben daran, dass KI uns alle unglaublich viel effizienter machen wird. Der positive Dreh dieser Hoffnung lautet, wir können dem Fachkräftemangel entgegnen und lästige Fleißaufgaben abtreten. Möglich. Pessimisten sorgen sich um ihre Jobs. Immer wieder wird betont, dass der Mensch die Oberhand behalten werde, KI nur ein Assistent sein könne. Nicht ohne Grund heiße es Copilot, sagt beispielsweise Microsoft immer wieder.

Und dann macht sich doch Unsicherheit breit, ob es wirklich nur um Unterstützung geht – oder die KI uns nicht doch ersetzen wird. Eine Vereinigung der Synchronsprecher sagte kürzlich: "Vielleicht sind wir die letzte Generation". Stars wie Billie Eilish und Jon Bon Jovi unterzeichneten ein Schreiben, in dem vor den Auswirkungen der KI gewarnt wird. Erinnern wir uns an Napster, wissen wir, dass die Musikindustrie Einfluss haben kann. Gesetzgebung und Gerichte seien in dieser Betrachtung jedoch außen vor gelassen.

Nicht ohne Grund hängt an den meisten KI-Anwendungen noch das Label "Beta" – sie funktionieren oft nicht besonders gut. Entsprechend groß ist der Anteil, den der Mensch leisten muss, wenn er generative KI wie Chatbots einsetzt. Muss ich der KI jeden Aspekt des gewünschten Outputs haarklein erklären, stellt sich die Frage, wie viel effizienter das eigentlich ist. Ein großes Unternehmen, das den Copilot in sämtliche Bereiche integriert hat und bei dem alle Mitarbeiter darauf zugreifen können, erzählt unter Hand, in der Summe erreiche die KI pro Mitarbeiter und Woche eine halbe Stunde Zeitgewinn. Der Copilot kostet aber auch eine Menge Geld – je nach Unternehmens- und Einsatzgröße. Man muss also ganz genau betrachten, was diese halbe Stunde kostet, und das gegen die Kosten für ein KI-Tool rechnen.

Zu den Problemen von KI-Anwendungen gehören auch die allseits bekannten Halluzinationen oder eben der Bias, der im AMS-Chatbot wie auch den anderen gängigen Chatbots tief verankert ist. Aber der Berufsinfomat soll hier nur Anlass sein, sich mit der Effizienz auseinanderzusetzen. Kann der Chatbot die Mitarbeiter des AMS entlasten? Sie müssen genauso gut wie der Chatbot und wie sie selbst zuvor alle Berufe kennen und jede Aussage überprüfen können. Gespräche mit Arbeitssuchenden werden wohl kaum durch einen Chatbot ersetzt werden können.

Die halbe Million Euro, die der Chatbot kostet, sind also nicht über eine gesteigerte Effizienz der Mitarbeiter zu rechtfertigen. Bleiben noch die Kunden. Wie viele Maturanten (Abiturienten) oder Volksschulabgänger, fertig Studierte oder Quereinsteiger werden sich voller Freude auf das Angebot stürzen? Zahlen dazu gibt es vom AMS noch nicht, auch keine Auswertung zum Mehrwert.

Der Berufsinfomat schlägt auch ohne persönliche Angaben vor, man könne Youtuber werden. Dafür brauche man eine Nische und solle auf die Qualität achten. Es folgen ein paar mehr Tipps, aber mit keinem Wort wird erwähnt, wie schwierig das tatsächlich sein dürfte. Es klingt eher wie das Pendant: Du willst Profifußballer werden? Dann solltest du dein Leben lang in Vereinen Fußball spielen. Ich hoffe und bin ziemlich sicher, dass die Mitarbeitenden im AMS allesamt bessere Auskunft dazu geben würden. Und ich bezweifle deshalb stark, dass diese halbe Million Euro sinnvoll ausgegeben wurde. Auch KI hebelt keine Kosten-Nutzen-Rechnung aus. Der Vorstandsvorsitzende des Tüv Nord sagte kürzlich, KI sei aktuell ein "Marketinghype", was die sinnvollen Anwendungen sind, werde sich zeigen. Das Unternehmen erarbeite seit Jahren Prüfmethoden für KI-Systeme und Anwendungen. Viele KI-Anwendungen, die bereits erfolgreich sind, haben schließlich gar nichts mit dem aktuellen Hype zu tun.

Ein Kommentar von Eva-Maria Weiß

Eva-Maria Weiß hat an der Universität Wien Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpsychologie studiert und arbeitet seither als Journalistin.

Man kann einen Chatbot machen. Vielleicht kann der Mehrwert schon in der Erfahrung liegen, die man damit macht. Denn klar, weggehen wird generative KI nicht. Sie macht Spaß und erweitert Möglichkeiten. Dennoch sollten Erwartungshaltung, Kosten und Nutzen angepasst sein. Denn nur weil es geht, muss es nicht gut sein. Aber richtig eingesetzt kann es sogar sehr gut sein.

(emw)