KI-Unternehmen zum AI Act: Lobbyismus oder unangebrachtes Eingreifen?

Aleph Alpha und Mistral haben ihre Nähe zu den Regierungen genutzt, um den AI Act mitzugestalten. Lobby Control sieht zu viel Eingreifen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 14 Kommentare lesen
Waage

(Bild: Shutterstock)

Stand:
Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

General Purpose AI (GPAI) wird laut dem nun beschlossenen AI Act nur wenig kontrolliert. Dafür sollen vor allem das deutsche Unternehmen Aleph Alpha und das französische Start-up Mistral gesorgt haben. Sie standen auch während der Verhandlungen über das KI-Gesetz immer wieder im Fokus, ihretwegen drohte das Gesetz zu scheitern. Jetzt werden Vorwürfe laut, das sei kein üblicher Lobbyismus mehr, sondern ein Eingreifen in die Gesetzgebung. Die Kritik richtet sich entsprechend auch an die Regierungen. In Frankreich wechselte sogar ein Regierungsmitglied zu dem KI-Startup. Zudem ist das Hauptargument einer Unabhängigkeit europäischer KI-Unternehmen inzwischen ziemlich obsolet – Microsoft finanziert Mistral.

Lobby-Control titelt: "AI Act: Von der Industrie in die Zange genommen." Die europäischen KI-Unternehmen sollen sich mit "Google, Microsoft und Co verbündet haben, um das KI-Gesetz der EU auszuhöhlen". Tatsächlich lässt sich die Handschrift der Gruppe in der aktuellen Fassung des AI Acts erkennen. Zu Beginn der Verhandlungen um das Gesetz drohte den Anbietern von GPAI (auch Basismodelle oder Foundation Models genannt) noch eine strenge Regulierung, sie sollten in einer höheren Risikogruppe eingestuft werden. Der AI Act verfolgt einen Risiko-basierten Ansatz, bei dem je nach Größe des Risikos für die Menschen mehr Pflichten auf die Anbieter zukommen. Statt die Basismodelle selbst zu regulieren, müssen nun die darauf aufsetzenden Anwendungen gewisse Transparenzpflichten einhalten. Die Verantwortung liegt also in der Regel weniger bei Aleph Alpha und Co., sondern mehr bei den nachgelagerten Nutzern.

Grund für diese Entscheidung sei auch gewesen, dass man die Entwicklung europäischer Exzellenz im Bereich KI nicht behindern wolle. Es ist die immer wiederkehrende Mär von den zu strengen Regulierungen, die die Wirtschaft behindern würden. Und es ist das übliche Spannungsfeld, in dem Lobbyismus steht. Auf der einen Seite die Regulierer, die vor allem die Bürgerrechte im Blick haben (sollten) – und das beim AI Act auch immer wieder betont haben. Auf der anderen Seite die Wirtschaft, die vor allem finanzielle Interessen im Sinn hat.

Kommission, Parlament und Mitgliedsstaaten versuchen also hier einen Kompromiss zu finden. Wobei das Parlament üblicherweise und sichtlich auch beim AI Act die Grundrechte und die Sicherheit der Menschen im Blick hat, die Kommission eine vermittelnde Rolle eingenommen hat und die Mitgliedsstaaten in diesem Fall offenbar sehr wirtschaftlich interessiert waren. Das zeigt denn auch die geleakte Fassung des AI Acts, der jeweils die Text-Vorschläge der Parteien beinhaltet. Das Parlament wollte sowohl mehr Kontrollen über GPAI als auch weniger Ausnahmen, um biometrische Echtzeitüberwachung zu erlauben.

Deutschland und Frankreich – Italien als eine Art ins Boot geholter Zaungast – drohten mit einem Nein zum Entwurf. Der ursprünglich größte Streitpunkt über die biometrische Echtzeitüberwachung geriet in den Hintergrund. GPAI war offenbar hinter verschlossenen Türen Kern-Streitpunkt. Wie Lobby Controll nun aufdeckt, gibt es neben der geleakten AI Act Fassung auch einen Text-Vorschlag von Aleph Alpha – in selber Optik, mit eigenen Wünschen. Jonas Andrulis, CEO und Gründer von Aleph Alpha traf sich mehrfach mit Regierungsvertretern – von Olaf Scholz bis Robert Habeck, Volker Wissing und weiteren. Wobei das nicht automatisch ein übergriffiges Verhalten darstellt. Lobbyismus darf verhandeln und kann natürlich auch hilfreich sein. Lobbyisten sind oftmals Experten in ihren Bereichen.

Im Falle Mistral ist der Regierungsvertreter gleich mal komplett zu dem KI-Startup gewechselt. Cédric O war zuvor Staatssekretär für Digitales in Frankreich und enger Vertrauter von Emmanuel Macron. Dann übernahm O die Verantwortung für die Kommunikation zwischen Mistral, der französischen Regierung und der EU. Zuvor hatte O in Brüssel bereits am Digital Markets Act mitgearbeitet.

Gemeinsam mit weiteren Vertretern der Wirtschaft initiierte er einen offenen Brief, in dem die Unterzeichner vor einer Überregulierung von KI warnten und schrieben, der AI Act könnte die "Wettbewerbsfähigkeit und die technologische Souveränität Europas gefährden", so schreibt es Lobby Control. Spannend daran ist, dass Mistral nur wenig später mehr als zwei Milliarden Euro von Microsoft angenommen hat. Ob diese Investition allerdings die Unabhängigkeit europäischer KI-Unternehmen fördert, darf man getrost bezweifeln. Mistrals KI-Modelle wandern etwa in die Microsoft-Cloud. Verhandlungen zwischen Mistral und Microsoft sollen bereits gelaufen sein, während noch um die Ausgestaltung des AI Acts gerungen wurde.

Deutschland hat den AI Act unterzeichnet, auch das EU-Parlament hat zugestimmt. GPAI wird wenig kontrolliert. Noch ist fraglich, wie konkret die im AI Act festgelegten Transparenzpflichten aussehen werden. Es ist zu erwarten, dass die Einflussnahme der KI-Unternehmen noch nicht beendet ist.

Gleichzeitig ist nicht davon auszugehen, dass die KI-Unternehmen die Unterzeichner zu ihren Entscheidungen gezwungen haben. Dennoch ist die Frage angebracht, ob diese Form des Lobbyismus zu weit gegangen ist. Mistrals inkonsequentes Verhalten ist zumindest nicht die feine englische Art.

Eine Analyse von Eva-Maria Weiß

Eva-Maria Weiß hat an der Universität Wien Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpsychologie studiert und arbeitet seither als Journalistin.

Vergessen sollte man aber auch nicht, dass auch Bürgerrechtsorganisationen in Brüssel lobbyieren. Es gibt ein Register, in dem jedes Treffen festgehalten werden muss. Die Liste ist lang, sie umfasst natürlich alle großen IT-Unternehmen – neben den zwei europäischen KI-Speerspitzen auch Microsoft, OpenAI, Google, Cohere, Anthropic und weitere KI-Anbieter. Bei den Treffen waren aber auch die Industrie- und Handelskammer, der Tüv, zahlreiche juristische Verbände, etwa jene, die sich um das Urheberrecht kümmern, die Online-Aktivisten von Avaaz oder der Bundesverband der Musikindustrie dabei.

Wichtig und gut ist, dass wir über diese Abläufe informiert sind. Transparenz ist das oberste Gebot. Die Treffen mit der Bundesregierung könnten da definitiv noch etwas transparenter werden. Und auch auf Seiten der EU gibt es noch zu viele verschlossene Türen, etwa bei den Marathonsitzungen des Trilog.

(emw)