AOL erschwindelte sich schwarze Zahlen

Die US-amerikanische Börsenaufsicht hat von AOL die Zahlung von 3,5 Millionen US-Dollar Strafe wegen den Vorlage unkorrekter Geschäftsberichte erwirkt.

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Von
  • Christian Rabanus

Die US-amerikanische Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) hat vom Online-Dienst AOL die Zahlung von 3,5 Millionen US-Dollar Strafe wegen der Vorlage unkorrekter Geschäftsberichte erwirkt. Die SEC wirft AOL vor, in den Geschäftsjahren 1995 und 1996 Werbungskosten, unter anderem die Kosten für das Verschicken von Disketten und CD-ROMs an potenzielle Kunden, unberechtigterweise als Aktivposten verbucht zu haben. Hätte AOL diese Werbungskosten in Höhe von insgesamt rund 385 Millionen Dollar nicht als Aktiva ausgewiesen, hätte der Online-Dienst in sechs der acht Quartale der Geschäftsjahre 1995 und 1996 Verluste statt schwarzer Zahlen präsentieren müssen. Die gesamten 385 Millionen Dollar verbuchte AOL erst im ersten Quartal des Geschäftsjahres 1997 als Negativposten. AOL willigte zwar in die Zahlung der Strafe ein, betonte aber, in keiner Weise falsch gehandelt zu haben.

In der Tat ist es im US-amerikanischen Recht nicht ganz eindeutig, wie Werbungskosten im Finanzbericht ausgewiesen werden müssen. Unter den vom American Institute of Certified Public Accountants (ACIPA), der Dachorganisation amtlich zugelassener US-amerikanischer Wirtschaftsprüfer, herausgegebenen Empfehlungen findet sich auch das Statement of Position (SOP) 93-7, Reporting on Advertising Costs. In diesem SOP ist zwar festgelegt, dass Werbungskosten grundsätzlich als Passiva zu verbuchen sind, allerdings kennt es auch Ausnahmen von dieser Regel: Als Guthaben dürfen Werbungskosten dann ausgewiesen werden, wenn sie entweder in direkter Reaktion auf die Werbung zu Einnahmen führen, oder wenn sie zu Einnahmen führen, die nachweislich durch die Werbung verursacht sind.

Unter Berufung auf diese Empfehlung hatte AOL die fraglichen Werbungskosten in den Geschäftsjahren 1995 und 1996 als Einnahmen verbucht. Mit Beginn des Geschäftsjahres 1997, also ab dem 1. Oktober 1996, änderte der Online-Dienst seine Abrechungsgrundsätze: Ab diesem Quartal wollte man alle Werbungskosten als Ausgaben verbuchen.

Die SEC sieht es aber als erwiesen an, dass AOL nicht nach den Ausnahmeregelungen des SOP 93-7 hätte abrechnen dürfen. Das Marktsegment und die Entwicklung des Online-Diensts zu dieser Zeit seien viel zu unsicher gewesen und die zur berechtigten Inanspruchnahme der Ausnahmeregelungen des SOP 93-7 notwendigen verlässlichen Vorhersagen über die Entwicklung der finanziellen Situation von AOL seien zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Die Finanzberichte für die Geschäftsjahre 1995 und 1996 seien also als nicht korrekt anzusehen.

Die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelungen des SOP 93-7 kamen AOL Anfang der 90 Jahre sehr gelegen. Damals hatte der Konzern große Probleme, eine ausgeglichene Bilanz vorzulegen. 1992 lag der Gewinn pro Aktie bei acht Cent, 1993 nur noch bei zwei Cent und 1994 bei drei Cent. 1995 machte der Konzern sogar einen Verlust von 51 Cent pro Aktie. Mit einem ausgewiesenen Gewinn von 28 Cent pro Aktie ging es 1996 wieder aufwärts. Die Kosten für die Werbung aus den Jahren 1995 und 1996 schlugen dann im Finanzbericht 1997 voll durch: Der Online-Dienst musste einen Verlust von 5,22 Dollar pro Aktie ausweisen, fast 80 Prozent davon sind auf die "Umbuchung" der Werbungskosten zurückzuführen. Die Werte für 1995 und 1996 müssen jetzt als Makulatur angesehen werden. (chr)