Angacom: "Smarthome ist das Internet der Dinge zuhause"

Für Branchengrößen wie Cisco, Alcatel-Lucent oder die Telekom bedeutet die intelligente Vernetzung von Häusern und Wohnungen vor allem neue Martktchancen. Von einer gemeinsamen Strategie sind die Smarthome-Protagonisten aber noch meilenweit entfernt.

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Von
  • Richard Sietmann

Nach Ansicht von Branchenkennern geht es in Sachen Smarthome eher zäh und viel zu langsam voran. "Wir müssen den Markt machen", erklärte deshalb der Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, Christian Illek, auf dem "Connected Home Summit" zum Abschluss der Fachmesse für Breitband, Kabel & Satellit, Angacom, in Köln.

Als Voraussetzungen für "das Internet der Dinge zuhause" nannte der Microsoft-Manager die Interoperabilität durch "einen offenen Standard über Plattformen hinweg" und eine All-IP-Infrastruktur, die Cloud-basiert die Integrationsfähigkeit unterschiedlicher Dienste ermöglicht und auf diese Weise Insellösungen für Gesundheits-, Entertainment- oder Sicherheitsservices vermeidet. Dazu gehörten ferner eine gute Breitband-Anbindung und -Infrastruktur – auch innerhalb des Hauses "zu allen Räumen der Wohnung" – sowie nicht zuletzt Datensicherheit und Datenschutz, so dass man "einen adäquaten Sicherheitslevel" anbieten könne.

Smarthome-Komponenten zum Nachrüsten vom Energieversorger RWE

Damit hatte Illek in seinem Eingangsstatement den Rahmen zu der vom Bitkom-Arbeitskreis Connected Home organisierten Veranstaltung aufgespannt. Doch was die Details angeht, trat in der Diskussion eine beträchtliche Konfusion zutage. Schon bei der Frage, ob sich die verwirrende Vielfalt von Smarthome- und Vernetzungsstandards erst konsolidieren müsse, bevor es zu einem Marktdurchbruch kommt, schieden sich die Geister. "Es wird verschiedene Standards geben", meinte Cisco-Manager Yves Padrines, der lieber von "Connected Life" als von "Connected Home" spricht. Die Unternehmen würden damit auf dem Markt halt "vertikal integrierte Lösungen" für Teilbereiche wie Automatisierung, Gesundheit, Sicherheit anbieten, die sie unter ihrer Kontrolle hätten.

Im Prinzip wollen alle das Smart Home

Auch für Anga-Präsident Thomas Braun ("Wir haben die Infrastruktur, und darüber werden wir künftig andere Dienste anbieten") sind nicht so sehr die technischen Standards, sondern die angebotenen Dienste das Entscheidende. "Dem Kunden ist es doch völlig egal, wie die Anzeige des Stromverbrauchs auf den Fernseher kommt – Hauptsache, es funktioniert", erklärte der Chef des Kabelnetzbetreiber-Verbandes.

Microsoft-Geschäftsführer Illek sah das anders: Servicelösungen ohne übergreifenden Standard seien "ein echter Hemmer", protestierte er. Damit würden die Kunden an einen Anbieter gebunden und Providerwechsel nahezu unmöglich gemacht, und darauf würden sich die Kunden nicht einlassen. "Wer clever ist, wechselt heute schon den Energieversorger jedes Jahr." Auf ähnliche Weise müssten standardisierte Smarthome-Plattformen den umstandslosen Wechsel des Diensteanbieters erlauben. Mit dem Denken in "Einzelunternehmenslösungen" komme man nicht voran. "Wir wollen alle im Prinzip das Smart Home. Aber wenn wir sagen, wir wollen die Kontrolle darüber haben und das nicht offen gestalten, dann wird das meines Erachtens den Adaptionsprozess verlangsamen."

Dirk Wössner, Vertriebsgeschäftsführer bei der Telekom Deutschland GmbH, schloss sich Illeks Forderung nach offenen Systemkonzepten an. "Habe ich ein proprietäres Gateway zuhause, das nur bestimmte Services zulässt, oder lasse ich eine Breite von Services zu", brachte er die Alternative auf den Punkt. "Am Ende des Tages wird das eine offene Plattform sein müssen", erklärte der Telekom-Manager. "Das ist natürlich ein Paradigmenwechsel für uns als Operator."

Im Moment sei zwar zu beobachten, "dass dieses Smarthome-Thema etwas zäh geht", doch die Branche befinde sich in einer Gründerzeit und "alle müssen das Geschäft lernen", schätzt Wössner die Lage ein. Er glaube aber, "dass in den nächsten zwei, drei Jahren hier in Deutschland der Markt gemacht wird", und dafür sei auch entscheidend, "welche Standards sich durchsetzen werden".

L'art pour l'art

Eine Einzellösung wie das von der Bundesregierung auf dem Gesetz- und Verordnungswege gepushte Smart Metering ergibt seiner Meinung nach nur Sinn, wenn man sie mit dem Smart Grid verbindet und damit die Auslastung des Energienetzes steuern kann. Aber das funktioniere im Moment noch nicht, sagte Wössner. Weil sich die Installationskosten von 200 bis 300 Euro "zumindest für den Endkunden" nicht durch Einsparungen bei den Energiekosten rechnen, werde dieser Markt nicht abheben und alle Aktivitäten blieben "l'art pour l'art".

"Da sind die Infrastrukturen nicht nur bei den Endkunden gefragt", pflichtete ihm Anga-Präsident Braun bei, der das Fehlen einer umfassenderen Strategie bemängelte. Weil sich in der öffentlichen Diskussion "Smart Metering" und "Smart Grid" häufig als ein und dasselbe darstellen, zog er zur Klarstellung den für einen Vertreter der Kabelbranche naheliegenden Vergleich mit der Unterscheidung von NE3 (Netzebene 3: Zuführungsnetz) und NE4 (Netzebene 4: Inhaus-Verteilnetz): "Smart Grid ist draußen, Smart Meter ist drinnen."

Auch der Vorstandsvorsitzende der Alcatel-Lucent Deutschland AG, Wilhem Dresselhaus, sieht die Probleme der Energiewende zunächst einmal darin, dass die meisten Energielieferanten auf das Management eines deutlich komplexeren Netzes mit gegenüber heute vielen Tausenden von Netzelementen nicht vorbereitet sind. Diese Herausforderung sei erst einmal zu meistern, "bevor wir darüber reden, wie wir die Endkunden einbinden".

Bei diesen Smarthome-Debatten, meinte ein Teilnehmer aus dem Auditorium, stelle sich ihm stets die Frage, ob er die 400 bis 500 Euro für die Heimvernetzung nun alle zwei, drei oder vier Jahre für Updates aufbringen müsse. Als abschreckendes Beispiel führte er die rasant wechselnden Gerätegenerationen im Mobilfunk an: Sein iPhone 3G erweise sich mittlerweile bei der Installation neuer Apps als Dinosaurier. Und damit schloss sich auf dem Connected Home Summit irgendwie der Kreis: Man war wieder bei den Diensten. "Man muss sich schon entscheiden: Wo ist die Intelligenz?", hatte Dresselhaus zuvor erklärt. "Ist sie mehr im Endgerät, oder ist das Connected Home eigentlich die Verlängerung des Netzes?" (pmz)