Ausschreibung für Europa-Domain: 16 Seiten Kleingedrucktes

Nach vielen Verzögerungen und insgesamt fast drei Jahren Beratungszeit hat die EU-Kommission endlich den Registry-Betrieb für die geplante Europa-Top-Level-Domain ausgeschrieben.

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Von
  • Monika Ermert

Nach vielen Verzögerungen und insgesamt fast drei Jahren Beratungszeit hat heute die EU-Kommission endlich den Registry-Betrieb für die geplante Europa-Top-LevelDomain ausgeschrieben. Jetzt soll es nach dem Willen der Kommission allerdings ganz schnell gehen: Bis spätestens 25. Oktober müssen Interessenten ihre Bewerbungen für die als "nichtkommerzielle" Unternehmung geplante Aufgabe einreichen. Die Kommission, die einen Vertrag mit dem auserwählten Anbieter schließt, behält maßgeblichen Einfluss auf die weitere Gestaltung des .eu-Namensraumes, auch die Rechte an den Registrierdatenbanken.

Bewerben kann sich dabei nur, wer "seinen satzungsmäßigen Sitz, seine Hauptverwaltung und Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft hat" -- Interessenten wie das europäische Registrarkonsortium CORE (Council of European Registrars), das seinen Hauptsitz bislang in Genf hat, müssen daher noch EU-Europäer werden. Immerhin kündigte die Kommission an, das die Verordnung voraussichtlich auf den Europäischen Wirtschaftsraum ausgedehnt werden soll und auch Vereinbarungen mit europäischen Drittländern angestrebt werden könnten. Damit können sich mittelfristig nun auch Domainnutzer und -anbieter aus Nicht-EU-Europa Hoffnungen machen.

Marcus Fauré, Vorstandsvorsitzender von CORE, erklärte außerdem gegenüber heise online, seine Organisation bemühe sich derzeit um eine gemeinsame Bewerbung mit dem für die .eu-Bewerbung ins Leben gerufenen Konsortium "European Domain Registry" und der erst kürzlich unter Federführung der französischen Länderregistrierstelle AFNIC gegründeten EUREG . Wieviele Bewerber sich letztlich bei der EU melden, darauf darf man nach dem vielen Streit unter den Interessenten in den vergangenen Jahren gespannt sein.

Zu den Auswahlkritierien für die Registry gehören laut der jetzt veröffentlichten EU-Ausschreibung vor allem die "Dienstequalität" bei der Registrierung der eu-Domains, bei der Einrichtung der Nameserver und der Bereitstellung von Whois-Abfragediensten. Wie inzwischen im Domaingeschäft üblich, darf der nichtkommerzielle Betreiber der Registry nicht selbst im Endkundengeschäft tätig sein und muss für einen fairen Wettbewerb unter den Registraren sorgen, die gegenüber den Nutzern als Registrierungsdienstleister auftreten. Mittels eines Punktesytems will die Kommission zusammen mit externen Beratern den besten Bewerber hinsichtlich der personellen und technischen Ressourcen, der finanzielle Leistungsfähigkeit, der geplanten Konsultationsmechanismen und des organisatorischen Konzepts beim Shared-Registry-Verfahren herausfinden. Vor der endgültigen Entscheidung für einen Bewerber werden dann noch einmal die Mitgliedsstaaten konsultiert.

Erstmals nimmt mit der Kommission eine (über-)staatliche Stelle erheblichen direkten Einfluss auf die Gestaltung einer neuen TLD-Zone. So legt die Kommission nach Rücksprache mit dem ausgewählten Betreiber unter anderem "die allgemeinen Grundregeln für die Registrierung" fest. Darunter fallen Regeln gegen Cybersquatter und für außergerichtliche Streitschlichtungsverfahren sowie Vorschriften bezüglich des Widerrufs von Domainregistrierungen. Außerdem mischen die Beamten bei Fragen zu den verschiedenen verwendeten Sprachen mit und sie verwalten die Liste der geographischen Adressen, die auf Wunsch der Mitgliedsstaaten zu sperren sind. Wie bei anderen TLDs soll es eine wiederum von der Kommission abgesegnete Startphase geben.

Der ausgewählte Betreiber wird gut daran tun, die vielen Verpflichtungen einzuhalten. Denn von der Befristung auf fünf Jahre abgesehen kann die Kommission den Vertrag unter Angabe einer Reihe von Gründen auch jederzeit kündigen, zum Beispiel, wenn der Auftragnehmer "nach vernünftiger Einsicht der Kommission nicht in der Lage (ist), die TLD 'eu' weiterhin gemäß der Verordnung und den allgemeinen Grundregeln zu verwalten, zu betreiben und zu kontrollieren". Über diesen von den Kommissionsmitarbeitern entworfenen Dienstleistungsvertrag dürfte wahrscheinlich jeder Bewerber gerne noch einmal reden wollen, denn immerhin verteilt er Rechte und Pflichten recht einseitig. Das finanzielle Risiko liegt vollständig beim Betreiber. Es wird zudem wohl kaum jemand eine Prognose wagen, wann Nutzer die ersten eu-TLDs registrieren können. Es müssen neben den internen Prozeduren immerhin auch noch Verträge mit der Internet Corporation for Assigned Names and Number (ICANN) und zwischen Registry-Betreiber und Registraren abgeschlossen werden. Die diversen Vorregistrierungen für .eu-Domains, die einzelne Anbieter bereits offerieren, sind daher auf jeden Fall mit extremer Vorsicht zu genießen: Sicherheit, eine bestimmte .eu-Domain zu erhalten, bekommt man dadurch auf keinen Fall, dies kann kein Provider garantieren. (Monika Ermert) / (jk)