Behörden gehen gegen Handel mit Flensburg-Punkten vor

Die Staatsanwaltschaft Cottbus geht gegen den schwunghaften Handel mit der Übernahme von Flensburg-Punkten bei Online-Auktionshäusern vor. Den Beteiligten drohen empfindliche Strafen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 300 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christian Ebner
  • dpa

Für notorische Raser und Verkehrsrowdys klangen die Offerten in den Internet-Auktionsbörsen verlockend. Unter netztypischen Decknamen wie peter7fuchs oder tuschel100 boten Mitmenschen gegen Bares an, was manch ertappter Autofahrer viel dringender braucht als ein paar 100-Euro-Scheine: "Ich übernehme Ihre Punkte in Flensburg." Der Freikauf vom drohenden Führerscheinentzug fand schnell eine begeisterte Anhängerschaft, die Preise pro Punkt pendelten zwischen 150 und 300 Euro.

Wie viele der illegalen Deals bei eBay & Co tatsächlich zu Stande gekommen sind, weiß niemand. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg, Hüterin der gefürchteten Punktekonten, hat in einer Gegenoffensive etwa 60 aus dem Netz gefischte Verdachtsfälle an die Staatsanwaltschaft Cottbus weitergeleitet. Gleichzeitig startete eine Kampagne gegen den Punktetausch, Verbände wie der Bund Deutscher Fachanwälte (BDF) warnten geblitzte Autofahrer vor saftigen Strafen.

In Flensburg ist man hochzufrieden mit den ersten Erfolgen der offensiven Öffentlichkeitsarbeit und lobt die betroffenen Internet-Marktplätze eBay und ricardo: "Wir haben dort besten Unterstützungswillen gefunden", sagt KBA-Vizepräsident Ekhard Zinke. Die Sperren und Löschungen der Marktplatz-Polizei seien effektiv gewesen: "In der Hochphase hatten wir dreistellige Zahlen einschlägiger Angebote. Das ist drastisch zurückgegangen."

Die erwischten Punktehändler müssen sich auf unerfreuliche Verfahren einrichten. Die Staatsanwaltschaft am eBay-Rechner-Standort Cottbus ist in einer ersten rechtlichen Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass sowohl Verkehrssünder als auch Punkteübernehmer eines schweren Delikts beschuldigt werden könnten: Der falschen Verdächtigung Unschuldiger. Der eine als Täter, der andere als Anstifter. Bis zu fünf Jahre Haft oder Geldstrafen sieht das Strafgesetzbuch, Paragraf 164, dafür vor -- noch zwei Jahre mehr als für die ursprünglich angenommene gemeinschaftliche Falschbeurkundung.

Die Klarnamen der Punkte-Sünder wollen sich die Ermittler bei den Internet-Marktplätzen holen, sagt Presse-Staatsanwalt Hans-Josef Pfingsten. eBay-Sprecher Joachim M. Guentert sichert die volle Kooperation im Rahmen der geltenden Gesetze zu -- ein richterlicher Beschluss darf es da schon sein zur Herausgabe der Nutzerdaten. Sein Unternehmen habe die dubiosen Angebote schließlich sofort gesperrt, nachdem es von den illegalen Inhalten erfahren habe. Gegen die Website-Betreiber richten sich die Ermittlungen im übrigen nicht. "Gegen eBay liegt nichts vor", versichert die Staatsanwaltschaft.

Dass damit das Punkte-Geschäft komplett gestoppt sein könnte, glaubt aber keiner der Beteiligten. Schon immer, schreibt ein Internetsurfer in einem einschlägigen Chat, sei die Masche mit dem anderen Fahrer über Bekannte und Familienangehörige gelaufen. Der eigentlich einfache Vergleich zwischen den Fotos aus den Radaranlagen und denen der angeblichen Fahrer findet nach Einschätzung von Insidern bestenfalls stichprobenartig statt.

Das Kraftfahrtbundesamt sieht die Ordnungsbehörden in der Pflicht: "Wir registrieren hier lediglich deren rechtskräftige Entscheidungen. Wir können das nicht hinterfragen", sagt Vize-Präsident Zinke. Der Abgleich der Radarbilder mit Vergleichsfotos sei seiner Einschätzung nach keineswegs flächendeckend üblich. Das weltweite Datennetz hat zudem verschwiegenere Winkel als die viel genutzten Auktionsbörsen. Eine lückenlose Kontrolle des Internets sei einfach nicht möglich, heißt es beim Kraftfahrtbundesamt. (Christian Ebner, dpa) / (uma)