Bundeswehr steht bei "Network Centric Warfare" noch am Anfang

Die Ziele der digitalen Kriegsführung seien aber auch im Irak-Krieg noch nicht erreicht worden, sagte der neue IT-Direktor der Bundeswehr, Gerhard van der Giet.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Für die Medien war der Irak-Krieg zweifelsohne bereits die Realisierung des Information-Warfare-Konzepts. Fachleute bezweifeln dies jedoch: Die Ziele der digitalen Kriegsführung, die im Fachjargon als Network Centric Warfare (NCW) bezeichnet wird, seien im Irak-Krieg noch nicht erreicht worden, sagte der neue IT-Direktor der Bundeswehr, Gerhard van der Giet, auf der Bundeswehr-Fachmesse AFCEA in Bonn.

Network Centric Warfare stattet alle Gefechtsfeldteilnehmer mit Netzwerk-Fähigkeiten aus. Zu der Vision gehört etwa die Vorstellung, dass jeder Soldat über eine 2 MBit-Standleitung auf einem Display mit einer individuellen Lagedarstellung versorgt wird, die ihm eigene Entscheidungen ermöglicht. Ziel ist ein gemeinsames Lagebild, eine höhere Planungs- und Befehlgeschwindigkeit, ein abgestimmtes Handeln und eine höhere Waffeneffektivität im multinationalen Verbund. Die Digitalisierung der Streitkräfte will die Bundeswehr mit ihrer IT-Reform vorantreiben. Heute sei die Bundeswehr, erklärte van der Giet auf der AFCEA-Messe, noch nicht in der Lage, Network Centric Warfare flächendeckend zu realisieren. Es wurden jedoch gerade einmal die Lagekarten digitalisiert und der Fettstift durch die Maus ersetzt.

Deshalb müsse sich die Bundeswehr bei der Modernisierung der IT-Infrastruktur auf einzelne Bereiche konzentrieren. Ziel sei ein durchgängiges, bei multinationalen Einsätzen interoperables System. Marktgängige Standards sind dabei das A und O. Allein die Einführung von SAP/3 sei "eine gewaltige Aufgabe". Tatsächlich soll das SAP-System der Bundeswehr laut Insidern die bisher größte SAP-Anwendung -- für die Rechnungerstellung der Deutschen Telekom -- weit in den Schatten stellen. Das Informations- und Kommunikationssystem soll "den Minister mit dem Soldaten", "die Sensoren mit den Entscheidern", "Interne mit Externen" verbinden. Auch sollen die bisher verstreuten Zuständigkeiten von Heer, Luftwaffe, Marine, Wehrverwaltung und Rüstung in eine durchgängige Verantwortung überführt werden. "Jeder soll die Daten erhalten, die er braucht", beschrieb Van der Giet das Ziel. Intelligente Verfahren sollen die Datenauswertung unterstützen, um die Bundeswehr in Informationshoheit zu versetzen. Die Entwicklung der IT-Landschaft der Bundeswehr müsse in einer Roadmap auf "Network Centric Warfare" ausgerichtet sein.

Vor allem die US-Streitkräfte sehen in Network Centric Warfare einen neuen Ansatz, um Informationstechnik im Sinne der Kriegsführung zielgerichtet und ganzheitlich zu nutzen. Im Prinzip soll es für die Kriegsführung dasselbe bedeuten, was E-Business heute für das herkömmliche Business bedeutet. Noch jedoch, so schreiben Major i.G. Bernd Stingl und Hauptmann Boyd Buchin im neuesten Wehrtechnischen IT-Report, gebe es allerdings auch bei den USA noch "signifikante Schwierigkeiten in der Umsetzung, insbesondere auf der operativen Ebene". Probleme gibt es in der verfügbaren Übertragungsbandbreite, der Interoperabilität verschiedener vorhandener Systeme und der führungsebenengerechten Informationsauswertung. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (jk)