CDU: Abhörpläne der Regierung jenseits der Realität (Update)

Der Entwurf für eine Telekommunikationsüberwachungsverordnung ist der Internet-Beauftragten der CDU/CSU zufolge sachlich verfehlt und unverhältnismäßig.

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Die neue Internet-Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Martina Krogmann, hat im Vorfeld der am heutigen Dienstag in Bonn stattfindenden Anhörung zum neuen Entwurf für eine Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) die Pläne der rot-grünen Bundesregierung scharf kritisiert. Ihrer Meinung nach sind vor allem die Auflagen für Internet-Provider, die auf eigene Kosten zum großen Lauschangriff auf die E-Mail-Kommunikation ihrer Kunden gezwungen werden sollen, "unverhältnismäßig" hoch. Die Verordnung sei insgesamt "sachlich verfehlt", da sie das Leitbild der "klassischen Telefonie" auf das Internet übertrage.

Krogmann, die Mitte Februar zur Internet-Expertin der Konservativen befördert wurde, zweifelt vor allem an, ob und inwieweit durch die Installation eines teuren Überwachungsapparates mit jederzeit verfügbaren Schnittstellen für die Strafverfolger "überhaupt in nennenswertem Umfang Erkenntnisse gewonnen werden können". Verschlüsselungsprogramme würden es den staatlichen Stellen schließlich "nahezu völlig unmöglich machen", den Inhalt elektronischer Botschaften zu lesen. Da die Software teilweise kostenlos im Netz verfügbar sei, hätten auch Kleinkriminelle die Gelegenheit, ohne Kenntnis des Staates miteinander zu kommunizieren. Aber auch die problemlose Möglichkeit zur Anonymisierung der Nutzer durch Dienste wie Safeweb erschwere die Zuordnung abgefangener Daten.

Weiter weist die frisch gebackene Netzexpertin darauf hin, dass "kriminelle Elemente" immer noch Internet-Provider mit weniger als 2.000 Kunden nutzen oder aus internen Firmen-Netzen heraus aktiv werden könnten, die von der Verpflichtung zur permanenten Vorhaltung von Abhörgeräten entbunden werden sollen. Krogmanns Folgerung: Von der "kostenintensiven Realisierung der Vorschrift sind nur diejenigen Kriminellen betroffen, die zu dumm sind, eine dieser Ausweichmöglichkeiten zu beschreiten". Vor diesem Hintergrund stelle sich deutlich die Kosten-Nutzen-Problematik. Der vorliegende Entwurf für eine TKÜV dürfe daher in seiner jetzigen Form keinesfalls bestehen bleiben.

Die Verfasser des Entwurfs – eine vom alten Post- ins Wirtschaftsministerium übergewechselte Truppe von Telefon-Abhörspezialisten – behaupten dagegen, mit den Ausnahmeregeln für kleine Provider und die Betreiber von Nebenstellenanlagen oder Firmennetzwerken bereits den gesamten vom Gesetzgeber vorgegebenen Spielraum ausgeschöpft zu haben. Die Abhörverpflichtungen sind vor allem im Telekommunikationsgesetz (TKG) sowie im "Geheimdienstgesetz" G 10, in §100 der Strafprozessordnung und dem Außenwirtschaftsgesetz angelegt. Laut Krogmann ist es allerdings "unzutreffend, dass das Telekommunikationsgesetz eine so weit reichende Regelung zwingend vorschreibt." In Wirklichkeit biete das TKG einen weiten Spielraum, der "im Interesse des IT-Standorts Deutschland" genutzt werden sollte.

Die CDU-Parlamentarierin ist mit ihrer Kritik nicht allein. Bereits gleich nach der Veröffentlichung der Pläne der Bundesregierung durch Telepolis äußerten sich Wirtschaftsverbände wie der BITKOM, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie der Verband der deutschen Internet-Wirtschaft Eco empört über den neuen TKÜV-Entwurf. Die Reaktionen aus der Wirtschaft reichten von "geschockt" bis "nichts dazugelernt". Auch Vertreter der FDP und der Bündnisgrünen distanzierten sich von der Verordnung in ihrer jetzigen Form.

Dass nun auch die in Abhörfragen sonst nicht gerade zimperliche CDU/CSU-Fraktion Sturm läuft gegen die TKÜV, entbehrt allerdings nicht einer gewissen Ironie. Schließlich stammt der erste, noch wesentlich schärfere und völlig an der Netzrealität vorbei schrammende Entwurf aus den Zeiten der Kohl-Regierung. Die CDU nimmt inzwischen allerdings für sich in Anspruch, dass eine Partei auch dazulernen dürfe. Offen wird in CDU-Kreisen inzwischen zugegeben, dass sich die alte Regierung und ihr Kanzler für das Internet schlicht nicht interessiert hätten. Außerdem habe keiner in der Partei den technischen Fortschritt ­ etwa im Bereich der Kryptographie ­ vorher gesehen. (Stefan Krempl) / (jk)