Deutschland soll Ursprungsland der Online-Demokratie werden

Die Initiative D21 will die politische Kultur Internet-tauglich machen und fordert die Einrichtung eines Netz-Barometers.

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Von
  • Stefan Krempl

Nach dem "Aufbruch" in die Informationsgesellschaft will die Vernetzungsinitiative D21 nun für den "Durchbruch" sorgen. Erwin Staudt, Chef von IBM-Deutschland und Vorsitzender des von rund 300 Unternehmen und der Bundesregierung getragenen Vereins, forderte die rund 1000 Besucher des Jahreskongresses von D21 in Nürnberg am heutigen Montag dazu auf, "jetzt dran zu bleiben." Auch wenn die "hohen Zuwachsraten beim Umsatz unserer Unternehmen" sowie bei den Börsenkursen vorbei seien, "ist und bleibt die Entwicklung der Kommunikations- und Informationstechnologien der Motor des gesellschaftlichen Wandels."

Am "Niederreden der New Economy", die inzwischen selbst vom Gründernetzwerk First Tuesday als Schlagwort offiziell begraben wurde, "dürfen wir uns nicht beteiligen", erklärte Staudt. Die Startup-Firmen hätten die etablierten Unternehmenstanker mobilisiert, sodass in diesem Jahr allein die 30 Dax-Firmen 17 Milliarden Mark ins E-Business investieren. Vor allem habe sich aber die vor wenigen Jahren noch bei Jugendlichen anzutreffende "Null-Bock-Mentalität" in "jede Menge Zukunft" verwandelt.

Nötig sei jetzt vor allem eine aktivere Beteiligung der Bürger am politischen und gesellschaftlichen Leben durch das Internet. Bund, Länder und Kommunen rief Staudt daher dazu auf, "die politische Kultur in Deutschland Internet-tauglich zu machen." Die besten Chancen dazu sieht der IBM-Chef über Pionier-Anwendungen im Bereich E-Demokratie. "Wir wollen das erste Land in Europa sein, das die Online-Wahl zu Parlamenten entwickelt und durchführt", gab Staudt als Devise aus. Dabei peilt der eifrige Schwabe im Gegensatz zur Bundesregierung, die den virtuellen Urnengang nicht vor 2010 für möglich hält, bereits das Jahr 2006 an. "Die Online-Demokratie des 21. Jahrhunderts", so Staudt, "muss aus Deutschland kommen."

Um die Voraussetzungen für die Teilhabe aller an den E-Wahlen und den Möglichkeiten der Netzgesellschaft insgesamt zu schaffen, dringt Staudt auf die Einrichtung eines "Internet-Barometers". Die Politik müsse dazu Kriterien schaffen, mit "denen wir messen, dass die digitale Spalte geschlossen wird." Als Indikatoren könnten flächendeckende öffentliche Zugänge oder die "Anzahl der Schulabgänger mit "Medienkompetenz pro Bundesland" dienen.

Die viel beschworene digitale Spaltung der Gesellschaft in User und Loser existiert für Hans Martin Bury, Staatsminister beim Bundeskanzler, allerdings gar nicht mehr. "Beim Thema Teilhabe sind wir schon sehr weit gekommen", sagte der SPD-Politiker. Zwei Jahre nach der Gründung von D21 seien bereits "fast alle Schulen am Netz", zahlreiche öffentliche Bibliotheken mit "Medienecken" und Internetzugang ausgerüstet, über 80.000 Arbeitslose in Schulungen fürs neue Medienzeitalter qualifiziert und 60.000 Ausbildungsplätze in der IT-Branche geschaffen worden. "Technikfeindlichkeit gibt es nicht mehr" hierzulande, konstatierte der Minister, der den von Bundeskanzler Gerhard Schröder vor einem Jahr ausgerufenen "10-Punkte-Plan" zur Schaffung des Internet für alle weit gehend erfüllt sieht.

Trotz des allgemeinen Schulterklopfens auf dem Kongress der mit einem Jahresbudget von rund 1,5 Millionen Mark ausgestatteten Initiative D21 sieht Staudt gerade im Bildungssektor noch Nachholbedarf. Für rund 18 Millionen Mark hätten Mitgliedsunternehmen zwar in den vergangenen zwei Jahren bereits Hard- und Software für Schulen gespendet. Viele PCs seien allerdings veraltet. Die Kongressbesucher aus der Wirtschaft rief Staudt daher zu auf, die durch die Verkürzung von Abschreibefristen frei werdenden Internet-fähigen Rechner zur Verfügung zu stellen: "Machen Sie aus Schulen 386er- und 468er-freie Zonen." Gleichzeitig müsse allerdings auch ein Strategiewechsel vollzogen werden, da ohne Konzepte für den Einsatz der PC im Unterricht die Hardware nichts bringe. (Stefan Krempl) / (jk)