Kindergeld: Hamburger Service bekommt Sprachassistenten mit KI-Technik

Der Hamburger Kombiservice "Kinderleicht zum Kindergeld" zu Verwaltungsdiensten für Eltern hat einen Sprachassistenten mit KI-Technik bekommen.

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Antragskombination mit KI-gestützter Sprachein- und -ausgabe

Namen geben, Meldeformalitäten erledigen, Kindergeld beantragen – all das soll in Hamburg mithilfe eines künstlich intelligenten Sprachassistenten unkomplizierter als gewohnt funktionieren.

(Bild: Hirn und Wanst, Imagefilm „Kinderleicht zum Kindergeld“)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Senatskanzlei Hamburg ist stolz auf ihr Projekt "Kinderleicht zum Kindergeld", das seit 2020 eine spürbare Entlastung junger Eltern in puncto Antragsbürokratie verspricht. Auf ihrer Informationsseite wirbt die Hansestadt für ihre Kombination verschiedener Dienste von Bundesbehörden und Standesämtern, die wahlweise mit einem papiernen Kombi-Formular oder komplett online über PCs, öffentliche Browserterminals und Mobilgeräte arbeitet: "In einem Zug können Eltern die für die Beurkundung erforderlichen Angaben zur Geburt machen und ihrem Kind einen Namen geben, Geburtsurkunden bestellen, die anfallenden Gebühren überweisen, das Kind im Meldewesen eintragen lassen, eine Steuer-ID und gleichzeitig das Kindergeld beantragen."

Ohne Personalausweis mit aktivierter Onlinefunktion kann das "Kinderleicht zum Kindergeld"-System seinen Nutzer leider nicht identifizieren.

Das System nutzt jetzt im Pilotbetrieb optional einen auf künstlicher Intelligenz beruhenden Sprachassistenten, den die Fraunhofer-Institute für offene Kommunikationssysteme (FOKUS) und digitale Medientechnologie (IDMT) entwickelt und ins Online-Angebot der Hansestadt integriert haben. Eltern, die auf der Projektseite die Unterstützung durch den "Smart Assistant" wählen, hören eine zwar nicht gerade täuschend menschenähnliche, aber doch gut verständliche männliche Stimme, die sie im Dialogverfahren durch das Antragsverfahren führt.

Angaben nimmt der Assistent über Mikrofon entgegen. Die Senatskanzlei hat einen Imagefilm hergestellt, der den Umgang mit dem Dialogsystem demonstriert und optimistische Statements von Projektbeteiligten und -verantwortlichen transportiert.

Bisweilen leistet sich der Assistent besonders bei zusammengesetzten Substantiven lustige Versprecher und lässt durch seine Wortwahl noch immer deutlich spüren, dass man es letztlich mit einer Behörde zu tun hat. Gerade für motorisch eingeschränkte oder sehbehinderte Nutzer erleichtert er die Antragstellung dennoch deutlich.

Allerdings haben die Entwickler vor den sinnvollen Einsatz des bequemen Systems eine für viele Bürger problematische Hürde gesetzt: Beide Elternteile, die einen Antrag stellen wollen, müssen über den neuen Personalausweis verfügen, dessen Online-Ausweisfunktion freigeschaltet sein muss. Sie müssen ihre PINs für die Verwendung der Ausweise bereithalten. Die Identifikation am Rechner beziehungsweise Mobilgerät funktioniert dann mithilfe einer speziellen App beziehungsweise eines Kartenlesegeräts.

Der Pilotbetrieb des "Smart-Assistant" läuft zunächst bis Ende des Jahres. Um Technik, Nutzerführung und Bedienbarkeit laufend zu verbessern, wollen die Betreiber kontinuierlich Nutzerfeedback auswerten.

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"Digital sprachunterstützte Antragsverfahren sind in der öffentlichen Verwaltung noch Neuland", räumt Christian Pfromm vom Amt für IT und Digitalisierung der Senatskanzlei Hamburg ein. Thilo Ernst, Projektleiter im Geschäftsbereich Digital Public Services beim Fraunhofer FOKUS, hebt hervor, dass die Sprachassistenzfunktion "die hohen bestehenden Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen der deutschen Verwaltung erfüllt".

Die bereits bestehende Webdarstellung des Online-Diensts bleibt, wie die Behörde betont, sicht- und bedienbar. Das Ganze ist jedoch "nahtlos" und "minimalinvasiv" mit der Sprachsteuerung gekoppelt. Ernst legt Wert darauf, dass diese ohne Rückgriff auf externe Cloud-Dienstleister funktioniere und in einem abgesicherten Verwaltungsnetzwerk betrieben werde. Er fügt hinzu: "Einen solchen neuartigen Ansatz zu entwickeln und umzusetzen, ohne auf einschlägige Services der Internet-Riesen aufzubauen oder mit diesen vergleichbare Entwicklungsressourcen einsetzen zu können, geht nur, wenn Wissenschaft und Verwaltung sehr eng und konstruktiv zusammenarbeiten – wie in diesem Projekt."

Um eine Interaktion über das Medium Sprache zu ermöglichen, haben die Entwickler KI-Technik aus dem Forschungsbereich mit dem etablierten Online-Auftritt kombiniert. Dieser Ansatz geht über das hinaus, was sich auf Verwaltungswebsites verbreitet an Chatbot-Lösungen findet: Der "Smart Assistant" verarbeitet gesprochene Sprache und extrahiert daraus eigenständig die Texteingaben, die er zum Ausfüllen des Online-Formulars benötigt. Außerdem können Nutzer über das Sprachinterface besondere Hilfsinformationen anfordern und bekommen diese dann auch in gesprochener Form. Die per Spracheingabe komplett ausgefüllten Anträge verschickt das System dann direkt an die zuständigen Institutionen.

Jan Wellmann, Gruppenleiter am Fraunhofer IDMT, erklärt: "Sprache bietet einen intuitiven und barrierearmen Zugang zu digitalen Dienstleistungen." Die Entwickler, so Wellmann, konnten nicht nur ihren eigenen Spracherkenner, sondern zusätzlich auch bereits gewonnene Erfahrungen im Umgang mit sensiblen Daten etwa im Gesundheits- oder Sicherheitsbereich in das Projekt einbringen.

Die Hamburger Senatskanzlei sieht sich mit ihrem Projekt als Vorreiterin für konkurrenzfähige, serviceorientierte Verwaltung. Dr. Brigitte Klamroth, Projektleiterin "Kinderleicht zum Kindergeld" innerhalb der Senatskanzlei, hantiert mit den Begriffen "modern", "fortschrittlich" und "innovativ". Sie betont: "Die hohen Sicherheitsanforderungen in der Verwaltung bringen besondere Herausforderungen mit sich." Nicht zuletzt durch Rückmeldungen von Eltern wolle man die neue Technik laufend verbessern und letztlich "auch für andere Onlinedienste der Verwaltung nutzbar machen".

(psz)