Europol warnt IKT-Branche und Regierungen vor Ende-zu-Ende-Verschlüsselung

Europol mahnt, Regierungen und Industrie müssten dringend Maßnahmen gegen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ergreifen.

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(Bild: Bild erstellt mit KI in Bing Designer durch heise online / dmk)

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Zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit in sozialen Medien müssten Regierungen und IKT-Branche dringend Maßnahmen gegen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ergreifen, mahnt Europol. Die europäischen Polizeiführungskräfte haben sich am Donnerstag vergangener Woche in London zu einem informellen Treffen versammelt. Eingeladen waren die Polizeiführungen aller EU-Mitgliedsstaaten und den Schengen-assoziierten Staaten, nebst der Europol-Direktorin.

In einer gemeinsamen Erklärung haben die Teilnehmer der Europol-Veranstaltung nun vor der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in sozialen Medien gewarnt. "Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre wie Ende-zu-Ende-Verschlüsselung werden ausgerollt, was Tech-Unternehmen daran hindert, Verstöße auf ihren Plattformen zu sehen. Das wird auch unterbinden, dass Strafverfolger an diese Beweise gelangen und sie in Untersuchungen nutzen können, um die schlimmsten Verbrechen wie sexuellen Kindesmissbrauch, Menschenhandel, Drogenschmuggel, Tötungsdelikte, Wirtschaftskriminalität und Terrorismus zu verhindern und verfolgen", erläutert Europol.

Auslöser sei, dass Meta angefangen habe, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auf der Messenger-Plattform des Unternehmens auszurollen. Die Polizeiführungen der europäischen Mitgliedsstaaten haben sich am 18. April in London auf Einladung der National Crime Agency getroffen. Auch nach dem Brexit findet ein regelmäßiger strategischer Austausch zwischen Europol und dem vereinigten Königreich statt, zur Kooperation.

In der konkreten gemeinsamen Erklärung schreiben die Führungskräfte der europäischen Polizeibehörden, dass sie "anerkennen, dass Strafverfolger und Technik-Branche eine geteilte Pflicht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit hätten, insbesondere der Kinder". "Wir haben diesbezüglich eine stolze Partnerschaft komplementärer Aktionen. Diese Partnerschaft ist in Gefahr", fügen sie hinzu. Zur Gewährleistung der Online-Sicherheit seien zwei Fähigkeiten unerlässlich. Einerseits müssten Technologieunternehmen auf Untersuchungen von Strafverfolgern reagieren und diese mit Daten von verdächtigen Kriminellen bei ihren Diensten reagieren können, "auf Basis einer gesetzlichen Befugnis, mit strengen Sicherheitsmaßnahmen und Aufsicht". Andererseits müssten Technologieunternehmen proaktiv illegale und gefährliche Aktivitäten auf ihren Plattformen aufspüren. "Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die Erkennung von Nutzern mit sexuellem Interesse an Kindern, dem Austausch von Missbrauchsbildern und Kontaktaufnahmen für die Ausübung von Sexualdelikten geht".

"Wir sind sehr in Sorge, dass durch das Ausrollen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung diese Fähigkeiten unterlaufen werden", erklären die Polizeichefs. "Unsere Gesellschaften haben früher keine Räume toleriert, die außerhalb der Reichweite von Strafverfolgern lagen, in denen Kriminelle sicher kommunizieren und Kindesmissbrauch aufblühen können. Das sollten sie auch jetzt nicht." Sie ergänzen: "Wir wissen von dem Schutz, den das Darkweb bietet, wie zügig und umfassend Kriminelle solche Anonymität missbrauchen".

Man unterstütze die Entwicklung kritischer Innovationen wie Verschlüsselung als Maßnahme zur Stärkung der Cybersicherheit und Privatsphäre von Bürgern. Aber eine rein binäre Wahl zwischen Cybersicherheit und Privatsphäre auf der einen und öffentlicher Sicherheit auf der anderen Seite akzeptiere man nicht. Absolutismus sei auf keiner Seite nützlich. "Wir fordern die Technik-Industrie auf, Security-by-Design umzusetzen und sicherzustellen, dass sie die Fähigkeit erhalten, illegale Aktivitäten wie sexuellen Kindesmissbrauch zu erkennen und zu melden und rechtmäßig und ausnahmsweise auf der Grundlage einer rechtmäßigen Vollmacht zu handeln", erörtern die Strafverfolger, "wir rufen unsere demokratischen Regierungen auf, Rahmenbedingungen zu schaffen, die uns die Informationen liefern, die wir benötigen, um die Öffentlichkeit sicher zu halten".

Derartige Forderungen klingen bekannt. Vergangenen Herbst hat Großbritannien bereits vor Ende-zu-Ende-Veschlüsselung gewarnt, insbesondere im Hinblick auf Metas Messenger und Instagram. Die neue BSI-Chefin Claudia Plattner hingegen hat Mitte vergangenen Jahres betont, "es muss eine sicherere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geben". Volker Wissing will in seiner Rolle als Bundesdigitalminister gar das Recht auf Verschlüsselung gesetzlich verankern. Auch die EU-Abgeordneten sind gegen Massenüberwachung und Scans von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation. Im vergangenen Dezember hatte Meta-Chef Mark Zuckerberg angekündigt, dass der Messenger eine automatische Ende-zu-Ende-Verschlüsselung erhält.

(dmk)