Farbkopiert: Negative per Digitalkamera digitalisieren

Wer schon einmal ein typisches Farbnegativ abfotografiert und dann ratlos mit dem Ergebnis herumexperimentiert hat, wird feststellen, dass es mit einer einfachen Tonwertumkehr wie beim Schwarzseißbild nicht getan ist.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Johannes Leckebusch
Inhaltsverzeichnis

Wer aber schon einmal ein typisches Farbnegativ abfotografiert und dann ratlos mit dem Ergebnis herumexperimentiert hat, wird möglicherweise das Handtuch geworfen haben. Wir beschreiben im Folgenden zwei grundsätzliche Wege, wie man einigermaßen zuverlässig und nach einem festen Workflow zu guten Positiven gelangt, die es mit Papierabzügen aus dem Supermarkt allemal aufnehmen, sie sogar deutlich übertreffen können. Die verwendete Software ist Photoshop CS2 mit Bridge und Camera RAW (alle von Adobe). Die geschilderten Verfahren lassen sich in der Regel in ähnlicher Weise auf entsprechende andere Software übertragen.

Wäre das Bild auf einem Farbnegativfilm demjenigen vergleichbar, das man in einem Bildbearbeitungsprogramm wie Photoshop durch „Umkehren“ erhält, fiele der Vorgang so einfach aus wie bei einem Schwarzweiß-Negativ. Leider ist das Arbeiten mit Farbnegativfilmen aber komplizierter. Auf einem Farbnegativfilm sieht man fast nur braune und orange bis purpurrote Farben, hin und wieder eine Andeutung von Grün. Hauttöne erscheinen in schmutzigen Grautönen von Purpur bis bläulich.

Wenn Sie aufmerksam hinschauen, sehen Sie, dass der Filmträger selbst, also am Rand oder bei den unbelichteten Balken zwischen den Aufnahmen, stark gelborange bis rotorange erscheint (diese so genannte Maskierung ist je nach Filmsorte unterschiedlich gefärbt). Aus diesem Grund ergibt ein einfaches Umkehren blau- bis blaugrünstichige Bilder, auf denen man die wahren Farben eher erraten muss und die zudem recht blass aussehen. Der erste Schritt bei der Reproduktion muss daher darin bestehen, diese Orange-Maske zu kompensieren. Sie dient eigentlich dazu, in Verwendung mit entsprechend angepasstem Fotopapier die Farbwiedergabe zu verbessern.

Dazu ist der Weißabgleich einer Digitalkamera nur bedingt in der Lage, vor allem würde er bei automatischer Einstellung sehr instabile Werte liefern. Der einzig hochwertige Weg führt über Aufnahmen im Raw-Format und nachträgliche Bearbeitung auf dem PC. Aber auch hier sind die Korrekturmöglichkeiten mehr oder weniger begrenzt und führen nur manchmal zu einigermaßen akzeptablen Farben. Bessere Resultate erhält man, wenn bei der Aufnahme ein blaues Konversionsfilter verwendet wird, wie man es aus der Analogfotografie kennt, um Kunstlicht für Tageslicht-(Dia-)Film anzupassen, beispielsweise KB 12 von Heliopan oder stärker. Ein solches Filter beseitigt den Orangestich zwar nicht vollständig, verschiebt ihn aber in den Arbeitsbereich von Sensor und Verarbeitungssoftware.

Nach Ausfiltern der Maske per Weißabgleich im Raw-Konverter und Kontrastanpassungen erscheint ein differenzierteres Negativ.

Für die digitale Aufnahme sollte der Ausschnitt nicht zu eng gewählt werden, sodass auch ein Teil unbelichteter Film (etwa der helle Balken zwischen den Aufnahmen) miterfasst ist. Man benötigt ihn, um später die Maske herauszukorrigieren. Bei ansonsten identischen Belichtungsparametern reicht dazu die Aufnahme speziell eines Abschnitts unbelichteten Films. Oft ist es aber einfach nützlich, auf jedem Bild einen entsprechenden, schmalen „Referenzstreifen“ zu haben. Auch komplexere Korrekturen für einen Film beziehungsweise für Aufnahmen unter vergleichbaren Umständen kann man sich quasi als „Profil“ in Adobe Bridge abspeichern.

In der Praxis verlangt allerdings fast jedes Foto individuelle Feinkorrekturen, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Klickt man im Adobe-Raw-Konverter mit der Pipette für den Weißabgleich auf einen unbelichteten Filmbereich, so wird dieser bei einer bereits vorgefilterten Aufnahme weiß. Einige Anpassungen von Kontrast und Belichtung lassen das „Falschfarben-Negativ“ nun brillanter und differenzierter erscheinen. In Adobe Bridge kann man im Bearbeitungsmodus (Camera RAW) gleich das Bild mit dem Beschneiden-Werkzeug auf das eigentliche Negativ oder einen Teil davon begrenzen, um das Histogramm besser beurteilen zu können und dennoch mit der Weißabgleichspipette außerhalb dieses Rahmens auf den Bildbalken klicken, um die Maskenfarbe (vorläufig) wegzurechnen.

Der schnellere Weg, zu einem Positiv zu kommen, führt über die Registerseite „Kurve“ im Adobe Raw-Konverter. Schalten Sie hier zunächst auf „Linear“ und ziehen Sie dann den Endpunkt der Gradationskurve rechts oben ganz nach unten, und den Anfangspunkt von links unten ganz nach oben. Gleichzeitig kann man diese Bereiche etwas nach innen verschieben, falls das Histogramm nicht auf der ganzen Breite Werte aufweist. Es erscheint ein Positiv mit einigermaßen erkennbaren Farben, das aber immer noch stark blaugrünstichig ist.

Wenn sich im Bild Objekte befinden, von denen Sie wissen oder annehmen können, dass sie weiß oder neutralgrau sind – in diesem Fall die Fassade des Hauses im Hintergrund – klicken Sie probehalber mit der Weißabgleichspipette darauf. Probieren Sie gegebenenfalls verschiedene Stellen, bis alle Farben einigermaßen natürlich erscheinen. Nun haben Sie das Gröbste hinter sich – aber noch nicht die kniffligen Korrekturen. Ergänzend oder alternativ können Sie im Register „Anpassen“ die Farbtemperatur von Hand ändern (hier nahe 2000 Kelvin, was schon das einstellbare Minimum darstellt), sowie die Farbton-Balance zwischen Cyan (Türkis) und Magenta (Purpur). Kontrollieren Sie das Bild auf Überbelichtungsanzeigen und verschieben Sie, falls erforderlich, die Belichtungskorrektur. Achtung: Diese arbeitet jetzt invers – um eine Überbelichtung herabzusetzen, müssen Sie den Belichtungsregler nach rechts schieben, dadurch wird das Bild dunkler statt heller! Abschließend können Sie noch die Gradationskurve unter „Kurve“ S-förmig verbiegen, was in der Regel zu lebhafteren Farben und einem guten Kontrast führt.

Dieses Verfahren führt, vorausgesetzt, bei der Aufnahme wurde ein Blaufilter verwendet, oft zu brauchbaren Ergebnissen. Hier werden bereits ausgeglichenere Töne und vor allem eine bessere Schattenzeichnung als auf dem Supermarkt-Abzug erreicht. Die Farben sind noch etwas blass, was sich aber weiter korrigieren lässt, entweder indem man die Gradation steiler macht oder durch Anheben der Sättigung auf der Registerseite „Anpassen“ in Camera RAW. Die ausgearbeiteten Einstellungen lassen sich in Bridge mit „Camera RAW-Einstellungen kopieren“ (rechte Maustaste auf ein Vorschaubild) und mit „Camera RAW-Einstellungen einfügen“ (Klick auf andere Bilder oder Mehrfachauswahl) übertragen, was viel Arbeit spart, selbst wenn individuelle Nachkorrekturen nötig sein sollten.

Umkehr des Bildes im Raw-Konverter liefert erkennbare Farben, aber noch einen starken Blau-Grün-Stich.

In schwierigeren Fällen oder bei höheren Ansprüchen an die Farbwiedergabe empfiehlt es sich, ein anderes, aufwendigeres Verfahren zu erproben, das im Folgenden am Beispiel von Photoshop CS2 geschildert wird. Es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht nur darauf ankommt, die Maskenfarbe herauszurechnen, sondern vor allem darauf, dass die verbliebenen Farben sich schon vorher innerhalb des verarbeiteten Farbraums befunden haben, sonst kommt es zu nicht korrigierbaren Verfälschungen. Als bestes Mittel, das zu gewährleisten, erweist sich der Einsatz eines Blaufilters bereits bei der Aufnahme und die Verwendung einer eher „kühlen“ Lichtquelle (z. B. Weißton-Leuchtstofflampe statt Warmton oder Glühlampenlicht. „Coolwhite“ oder „Daylight“ wäre noch besser).

Ein Heliopan Konversionsfilter KB 12 (blau) reicht an einer Canon EOS 300D offenbar bereits aus (auch wenn es das Maskenorange nicht ganz beseitigt), um den Tonwertumfang des Negativs in den Farbraum der Kamera und der anschließenden Verarbeitungsschritte zu verschieben. Die ersten beiden Schritte – Wegfiltern der Orangemaske und vorsichtiges Anpassen von Kontrast und Belichtung – werden wie bereits geschildert ausgeführt. Besser sollte man den Kontrast noch etwas weicher belassen. Auf die Tonwertumkehr wird verzichtet, auch die „Kurve“ im Register „Kurve“ können Sie auf „Mittlerer Kontrast“ belassen.

Nach einigen weiteren Korrekturen, insbesondere einer s-förmigen Gradationskurve, erscheinen schon ganz akzeptable Farben.

Wir laden also das noch negative Farbbild in CS-2. Hier fügen Sie einige Einstellebenen in das Bild ein, als erstes „Umkehren“, was wieder ein Positiv erzeugt. Offenbar hat es einen Einfluss auf die erzielbare Farbdifferenzierung, wenn man den genannten Schritt erst an dieser Stelle ausführt. Fügen Sie als zweites eine Einstellebene „Tonwertkorrektur“ ein. Nach Einfügen der ersten Einstellungsebene „Umkehren“ erscheint ein blasses, grünstichiges Bild. Im RGB-Histogramm der zweiten Ebene „Tonwertkorrektur“ sieht man zunächst nur eine allgemeine Helligkeitsverteilung. Durch Verstellen des mittleren Dreiecks nach rechts wird der Kontrast (Gamma) erhöht.

Schalten Sie hier als Nächstes von „RGB“ auf die einzelnen Farbkanäle Rot, Grün und Blau um, ohne im RGB-Histogramm etwas zu ändern (außer eventuell die Gradation mit dem mittleren Dreieck). Überprüfen Sie in jedem Kanal das Histogramm und schieben Sie die äußeren Dreiecke auf die Bereiche, ab denen die Kurve ansteigt beziehungsweise abfällt, also noch nicht Null ist. Sollte eine der RGB-Kurven am Rand einen Anstieg in Form eines senkrechten Striches aufweisen, haben Sie im Raw-Konverter den Kontrast zu stark erhöht oder die Belichtungskorrektur falsch eingestellt. Gehen Sie einen Schritt zurück und korrigieren dies in Camera RAW, sonst können Sie nicht alle im Negativ vorhandenen Farbtöne richtig anpassen.

Nach erfolgter Korrektur sollte das Bild schon einigermaßen farbrichtig erscheinen. Sie können jetzt einmal auf RGB zurückschalten und durch Verschieben des mittleren Dreiecks die Gradation anpassen, sodass das Bild genügend „knackig“ erscheint. Feinere Korrekturen von Farbgängen (Abweichungen zwischen Schatten, Lichtern und mittleren Tönen in der Farbgebung) lassen sich durch die mittleren Regler in den einzelnen Farbkurven vornehmen, eventuell auch durch weiteres probeweises Verschieben der Endeinsteller (ganz links oder rechts). Sehr nützlich sind die drei Pipetten „Schwarzpunkt setzen“, „Weißpunkt setzen“ und „Mitteltöne setzen“. Sie führen, wenn sich entsprechende Bildinhalte finden lassen, zu guten Farbeinstellungen, insbesondere im Bereich der Schwärzen, deren Einstellung besonders knifflig ausfallen. Lässt sich das Ergebnis nicht mehr verbessern, speichern Sie es ab.

Mit einer Einstellebene „Gradationskurven“ kann man anhand der bekannten S-Kurve das Bild so richtig knackig und brillant machen.

Sie können zuoberst noch eine dritte Einstellebene namens „Gradationskurven“ einfügen. Hier kann man wieder eine allgemeine Gradationskurve erstellen, die bevorzugt auf ein mehr oder weniger ausgeprägtes „S“ eingestellt wird. Diese Korrektur ist auch nach Farbkanälen getrennt möglich. Das mag zunächst alles etwas mühsam sein, Sie können aber die Einstellebenen für neue Bilder übernehmen, außerdem sind die vorgenommenen Korrekturen reversibel und nachträglich korrigierbar. Dazu laden Sie ein weiteres Bild, das wie geschildert im Raw-Konverter vorbereitet wurde. Klicken Sie dann auf ein bereits bearbeitetes Bild und ziehen Sie mit der Maus (nach Klick auf die Symbole mit dem schrägen Halbmond) diese Ebenen von unten nach oben in das neue Bild. Die Einstellungen passen vielleicht nicht exakt, es macht aber weniger Arbeit, sie anzugleichen, als sie erneut auszutüfteln.

Das zweite Verfahren liefert, obwohl komplizierter, bei geübter Anwendung deutlich differenziertere Farben, vor allem in Grenzbereichen. Insgesamt erhält man so auf dem PC ein „Farblabor“ im Trockenen, das die Möglichkeiten der Farbbeeinflussung gegenüber einem Farblabor mit Handentwicklung deutlich übersteigt und der üblichen automatischen Anfertigung von Abzügen an Qualität überlegen ist. Es gilt natürlich: Übung macht den Meister! Dabei kann man sich für den Anfang durchaus damit begnügen, die Farben auf leidlich brauchbaren Vergrößerungen seines bisherigen Fotolabors zu „treffen“ – oder zu verbessern. Die fallen meistens ziemlich grell, in unserem Beispiel gelbstichig und in den Schatten absaufend aus.

Oft lässt sich, vor allem in der Schattenzeichnung, aus den Negativen einiges mehr herausholen. Letztlich ist alles aber auch eine Geschmacksfrage. Voraussetzung für einen gelungenen Farbabgleich und hochqualitative Farbdrucke als „Abzüge“ ist natürlich ein kalibrierter Monitor, möglichst bei passender Arbeitsplatzbeleuchtung (empfohlen: Biolux-Leuchtstofflampen für 6500 Kelvin) und ein entsprechendes Farbmanagement auch für den Fotodrucker.