Hintergrund: Musik zur Miete - mit Tücken

Musik online, das war einmal die Domäne von populären Musiktauschbörsen . Doch die Zeit der kostenlosen Angebote soll nach dem Willen der Musikindustrie nun endgültig vorbei sein.

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Von
  • Tilman Streif
  • dpa

Musik online, das war einmal die Domäne von populären Musiktauschbörsen wie Napster oder Gnutella. Doch die Zeit der kostenlosen Angebote soll nach dem Willen der Musikindustrie nun endgültig vorbei sein. Den ersten Online-Abo-Dienst der Industrie bietet seit vergangener Woche der US-Software-Hersteller RealNetworks an. Ob es ihm gelingt, die Musik verwöhnten Online-Fans mit einem attraktiven Angebot von den weiterhin existierenden kostenlosen Börsen wegzulocken, bleibt abzuwarten. Vorerst ist die Musik- und Videopräsentation des Unternehmens als Abo-Dienst allerdings nur in den USA erreichbar.

Unter dem Namen RealOne bietet RealNetworks neben einigen Videoclips vor allem Musiktitel aus dem Katalog der drei Branchenriesen Bertelsmann Music Group (BMG), AOL Time Warner und EMI. Für rund zehn US-Dollar pro Monat erhält der Abonnent Zugang zu 200 Musiktiteln aus dem Lizenzangebot zum Herunterladen auf die eigene Festplatte oder zum einmaligen Anhören als Stream. Mit einem erweiterten Service für 20 US-Dollar kann er sich neben monatlich 250 Musiktiteln auch Radiosendungen mit Live-Übertragungen von Basketball- und Baseballspielen anhören.

Mag das für manche dann doch noch verlockend klingen, schreckt das Kleingedruckte der Geschäftsvereinbarungen, das sich die Kunden in diesem Fall besonders gut durchlesen sollten, möglicherweise doch wieder ab. Nur die Hälfte der Musiktitel aus dem monatlichen Gesamtangebot, also je nach gewähltem Service 100 oder 125 Songs, dürfen auf der eigenen Festplatte gespeichert werden. Doch selbst nach dem Herunterladen der Dateien im Umfang von jeweils mehreren Megabytes ist das Musikvergnügen nicht dauerhaft: Nach 30 Tage lassen sich die Songs nicht mehr abspielen. Auf tragbaren MP3-Geräten kann man die angemietete Musik überhaupt nicht zu Gehör bringen.

Die zweite Hälfte des Musik-Abos lässt sich jeweils nur einmal anhören. Nach jedem Abspielen eines Stücks zieht der RealOne-Service automatisch einen "Punkt" vom Konto des Kunden ab. Dabei arbeitet die Software nicht einmal störungsfrei: Wenn der Kunde nach einer technisch bedingten Unterbrechung des Live-Streams den gleichen Titel noch einmal komplett hören will, ist gleich wieder ein Punktabzug vom Konto fällig - so verschwindet dann das monatliche Guthaben von 100 bis 125 Punkten für Live-Streams sehr schnell.

Die neue RealNetworks-Software ist vorläufig nur in einer Beta-Version erhältlich, die nicht auf älteren PC-Betriebssystemen wie Windows 95 läuft. Bei der Installation greift sie in vorhandene Dateien der RealNetworks-Produkte RealPlayer und RealJukebox ein. Diese ältere Software des Unternehmens, die Millionen von Internet-Anwendern nutzen, wird mit der Installation des RealOne-Players automatisch funktionsuntüchtig. Ob Compaq den neuen Dienst von RealNetworks nun vielen Kunden schmackhaft machen kann, bleibt abzuwarten: In Zukunft will jedenfalls RealNetworks die Verbreitung seiner Service-Dienste mit Unterstützung des Computerherstellers forcieren.

Siehe zu dem Thema auch den Artikel Der Musikindustrie droht ein neues Fiasko im Internet in Telepolis. (Tilman Streif, dpa) / (jk)