ICANN startet Studie zur Mitbestimmung durch Internet-Nutzer

Ein Gremium unter Führung des ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Carl Bildt soll die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Surfer bei der ICANN bewerten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Der ehemalige schwedische Ministerpräsident Carl Bildt, der Chef des Carter Centers, Charles Costello, und Ex-ICANN-Direktor Pindar Wong sollen in den kommenden Monaten die Mitsprachemöglichkeiten der Internet-User innerhalb der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) neu bewerten. Der Vorstand der ICANN einigte sich auf Bildt als Chef einer insgesamt bis zu neunköpfigen Expertengruppe, die innerhalb eines Jahres Empfehlungen zur so genannten At-large-Mitgliedschaft machen soll. Geschäftsführende Direktorin des Studienkomitees wird Denise Michel, Beraterin des früheren US-Wirtschaftministers Ronald Brown.

Die rund 76.000 At-large-Mitglieder der ICANN hatten im vergangenen Herbst in einer weltweiten elektronischen Wahl fünf Direktoren zu ihren Vertretern im Vorstand der Internet-Verwalter bestimmt. Der Sprecher des Chaos Computer Club, Andy Müller-Maguhn vertritt die Nutzer aus Europa. Schon im Vorfeld der Wahl gab es innerhalb der ICANN erhebliche Bedenken gegenüber dem Konzept der Einzelmitgliedschaft. Das Ergebnis war eine Reduzierung der Sitze für die At-large-Direktoren von ursprünglich neun – und damit 50 Prozent des Vorstands – auf lediglich fünf. Die restlichen Sitze werden von den verschiedenen Industrie-Fachgruppen der ICANN vergeben, vier Direktoren stammen noch aus dem ursprünglich auf Initiative der US-Regierung handverlesenen Interims-Vorstand.

Im Rahmen der At-large-Studie sollen Bildt und seine beiden Vizechefs noch einmal grundsätzliche Fragen klären: "Sollte der ICANN-Vorstand At-large-Direktoren haben? Wenn ja, wie viele? Wie sollten solche Direktoren ausgewählt werden?" Und, so ICANNs kurze Mitteilung von Freitagabend: Wie soll die Mitgliedschaft, wenn man sie braucht, organisiert werden? Obwohl es bereits einmal ausführliche Diskussionen zu diesen Fragen im eigens dafür eingerichteten Mitgliederkomitee (Membership Advisory Committee) gab – und man sich letztlich zur Direktwahl entschloss –, besteht der Vorstand nun erneut auf einer bedingungslosen Prüfung der Mitsprachemöglichkeiten.

Bildt, der derzeit als Balkan-Botschafter für die Vereinten Nationen aktiv ist und auch noch einen Sitz im schwedischen Parlament hat, bleiben gerade einmal sechs Wochen, um ein Konzept für die Studie zu erstellen und einen Budget-Vorschlag zu machen. Bereits bei der ICANN-Tagung im März soll die Studiengruppe dazu einen ersten Bericht abliefern. Und weil Änderungen in der Vorstandsstruktur der Organisation bereits Ende 2002 komplett umgesetzt sein müssen, haben die Ergebnisse der Studie voraussichtlich bereits zur Jahrestagung 2001 dem Vorstand vorzuliegen. Vorschläge und Einwendungen der User sollen auf Mailinglisten und bei einer oder mehreren Konferenzen zusammengetragen werden.

"Diese Aufgabe wird einer internationalen, gemeinsamen Anstrengung bedürfen", ließ Bildt schon einmal in der ICANN-Mitteilung verlauten. "Und ich zähle auf die Mitarbeit einer Vielzahl von Internet-Interessengruppen, die sich für ICANNs Arbeit interessieren, um eine arbeitsfähige Lösung vorlegen zu können." Damit bezieht sich Bildt auf die Forderung der ICANN, möglichst viele von unterschiedlichster Seite finanzierte Einzelstudien in die Empfehlungen des Studienkomitees aufzunehmen. Dadurch kann die ICANN auch eine ganze Menge Geld sparen und sich aus den vorgelegten Ergebnissen nach Belieben bedienen. Es bleibt abzuwarten, wie viele Organisationen oder Institutionen bereit sind, einen Beitrag zur Metastudie zu leisten.

Unklar ist auch noch, wie die weiteren Sitze des Studienkomitees, dessen Mitglieder alle ehrenamtlich arbeiten, besetzt werden sollen. "Die weiteren Mitglieder des Komitees werden zu einem späteren Zeitpunkt angekündigt", teilt die Organisation dazu lapidar mit. Bei der Jahrestagung in Marina del Rey hatten sich erstmals Aktivisten zu einem At-large-Mitglieder-Treffen zusammengefunden und ein Mitspracherecht eingefordert. Dazu war ein Interim Coordinating Committee (ICC) eingesetzt worden. Die gewählten At-large-Direktoren hatten sich ihrerseit in einer Pressekonferenz ebenfalls für die Fortsetzung der At-large-Wahlen und vor allem die Besetzung aller neun At-large-Vorstandssitze ausgesprochen. Spätestens im März dürfte Bildt bekannt geben, welche Rolle die At-large-Vertreter in dem Studienkomitee spielen werden. (Monika Ermert) / (jk)