Injektion gegen Lähmung

US-Wissenschaftler arbeiten an einem Nanofaser-Material, das zerstörtes Rückenmarksgewebe beleben soll.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.

US-Forscher haben ein Material geschaffen, das sich in geschädigtes Rückenmark injizieren lässt, um Vernarbungen zu vermeiden und zerstörte Nervenfasern zum Wachstum anzuregen. Die Flüssigkeit wurde von Samuel Stupp, Professor für Materialwissenschaften an der Northwestern University, entwickelt und enthält Moleküle, die sich im Körper zu Nanofasern zusammenbauen, die als Gerüst dienen, auf dem menschliches Gewebe gut wachsen kann, berichtet das Technologiemagazin Technology Review in seiner Online-Ausgabe.

Stupp und seine Kollegen haben das Verfahren bereits im Tierversuch getestet und konnten zeigen, wie sie die Funktion der Hinterbeine gelähmter Mäuse zum Teil wiederherstellen konnten. Ähnlich erfolgreiche Experimente mit Nanotechnologie hatte es zwar schon früher gegeben, doch dabei mussten stets verschiedene Materialien chirurgisch implantiert werden. Die neue Substanz konnte den Versuchstieren hingegen einfach gespritzt werden. Eine Gefahr für den Körper sollen sie nicht darstellen: Die Nanofasern bauten sich anschließend innerhalb von drei bis acht Wochen zu Nährstoffen ab, erläutert Stupp.

Momentan gibt es noch kein Heilmittel für die Tausenden von Patienten allein in den USA, die Verletzungen ihres Rückenmarks erleiden mussten. Wird es beschädigt, bilden Nervenstammzellen Vernarbungen im Bereich der Verletzung, was Verbindungen blockiert und verhindert, dass beschädigtes Gewebe nachwachsen kann. Nerven können dann keine Signale mehr vom oder zum Hirn übertragen – die Patienten verlieren das Gefühl in ihren Gliedmaßen, haben schwerwiegende Probleme mit ihrem Bewegungsapparat bis hin zur vollständigen Lähmung. "Es ist so, als ob man ein Telefonkabel durchschneidet", sagt Kessler. "Wir wollen deshalb nun die Nervenfasern erneut wachsen lassen und den Körper damit sozusagen neu verdrahten."

Das Northwestern-Nanomaterial basiert dabei auf einem einfachen Prinzip: Negativ geladene Moleküle in der gespritzten Flüssigkeit neigen zur Haufenbildung, wenn sie mit positiv geladenen Partikeln des Körpers wie Kalzium- oder Natriumionen in Kontakt kommen. Das Material baut sich dann zu hohlen, zylindrischen Nanofasern zusammen, die ein Gerüst bilden, das Zellen regelrecht einfängt. An der Oberfläche dieser Nanofasern sind Moleküle enthalten, die Vernarbungen verhindern und Nervenfasern das Wachstum zusätzlich erleichtern. "Die Idee, sich selbst zusammenbauende Nanofasern zu nutzen, die sich direkt in das Rückenmark injizieren lassen, ist reizvoll", kommentiert Harvard Medical School-Professor Yang Teng. Stupp und sein Team wollen nun testen, ob ihr Nanofasermaterial auch für den Menschen geeignet sein könnte.

Mehr zum Thema in [i]Technology Review online:[/i]

(bsc)