Jugendschutz: Länder fordern erneut Zwangsfilter in allen Betriebssystemen​

Für eine erneute Reform des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags drängen die Länder auf eine Pflicht zur Alterskennzeichnung bei allen Internetseiten.​

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Verpixelte Porno-Bildchen

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Die Länder wollen, dass Pornofilter schon auf der elementaren Ebene von PCs, Laptops und Smartphones installiert werden und fordern eine verpflichtende Alterskennzeichnung für alle Webseiten und Apps. In einem Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission für einen 6. Medienänderungsstaatsvertrag soll auch der seit Jahren umstrittene Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) erneut novelliert werden. Laut Paragraf 12 müssten Anbieter von Betriebssystemen sicherstellen, dass letztere über eine "Jugendschutzvorrichtung" verfügen. Ein solches Filtersystem, heißt es weiter, "muss in einfacher, leicht zugänglicher und abgesicherter Weise aktiviert, deaktiviert und angepasst werden können".

Paragraf 5 JMStV sieht bereits in der aktuellen Fassung vor, dass Anbieter von Inhalten, die die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer "eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit" potenziell beeinträchtigen, mit einer Alterskennzeichnung versehen können. Denn prinzipiell müssen sie dafür Sorge tragen, dass der Nachwuchs in den Altersstufen ab 6 bis ab 18 Jahren solchen Content "üblicherweise" nicht wahrnimmt. Die Alterseinstufung soll "von geeigneten Jugendschutzprogrammen" auslesbar sein. Dazu kommt nun im geplanten erweiterten Paragraf 12 die Pflicht: "Anbieter von Apps versehen ihre Apps mit einer Altersstufe, die von dem Betriebssystem ausgelesen werden kann." Eine Kennzeichnung müsste hier auch erfolgen, wenn nur jugendfreie Inhalte angeboten werden.

Laut dem ausgebauten Paragrafen 5c JMStV müssten Anbieter von Telemedien – prinzipiell also auch alle Betreiber sämtlicher Websites nebst aller Unterseiten – auf eine Alterseinstufung "durch eine deutlich wahrnehmbare Kennzeichnung zu Beginn des Angebots hinweisen". Zu erläutern wären ferner "die wesentlichen Gründe" für das Rating sowie "Gefahren für die persönliche Integrität". Dies soll auch für Inhalte gelten, "die mit dem bewerteten Angebot ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind".

Bei einer Alterseinstufung müsste laut Paragraf 12 im Betriebssystem sichergestellt werden, dass eine Nutzung bei gängigen Browsern wie Chrome, Firefox oder Safari nur möglich ist, wenn diese "eine gesicherte Suchfunktion" aktiviert haben oder wenn ein ungesicherter Zugang individuell und in abgesicherter Weise freigeschaltet wird. Die Installation von Apps dürfe auch nur über Vertriebsplattformen möglich sein, "die die Altersstufe berücksichtigen und ein automatisiertes Bewertungssystem vorhalten".

Gegen ein ähnliches Vorhaben liefen IT- und Medienverbände sowie Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle im Sommer 2021 Sturm. Dies führte mit dazu, dass die einschlägigen Änderungen größtenteils unterblieben. Auch jetzt formiert sich wieder Widerstand gegen den neuen Anlauf der Länder. "Eine Pflicht zur Kennzeichnung auch unproblematischer Inhalte" widerspreche dem Grundsatz des Jugendmedienschutzes, kritisiert etwa der eco-Verband der Internetwirtschaft in einer Stellungnahme. Eine solche Auflage sei "weder sinnvoll noch verhältnismäßig", zumal sie faktisch für alle Betreiber gelte, um Inhalte bei aktivierter Jugendschutzvorrichtung überhaupt anzeigbar beziehungsweise Apps nutzbar zu machen. Die Pflicht für Telemedienanbieter, "zu Beginn" eines Angebots auf potenziell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte hinzuweisen, müsse auf Anbieter von Spielen und Filmen eingegrenzt werden.

Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) geht bei dieser Passage sogar von einem Versehen aus. Sie kann sich gar nicht vorstellen, dass damit bewusst eine umfassende optische beziehungsweise durch den Menschen wahrnehmbare Alterskennzeichnung aller Internetseiten weltweit angestrebt werde. Generell stünden die vorgesehenen Kennzeichnungspflichten teils im Konflikt mit gegebenenfalls höherrangigen Vorgaben aus dem Jugendschutzgesetz des Bundes. Die geforderten Filter als neue, zusätzliche gesetzliche Ebene für den technischen Jugendmedienschutz bringe ferner "keinen praktischen Mehrwert". Sie würden vielmehr "ein trügerisches Sicherheitsgefühl erzeugen und das elterliche Erziehungshandeln erschweren". Zudem führe die geplante Neuordnung der Kompetenzen "zu einer massiven Schwächung des Systems der regulierten Selbstregulierung". Eine Kennzeichnungspflicht für Internetinhalte wollten die Ministerpräsidenten bereits mit der JMStV-Novelle 2010 einführen. Dies scheiterte letztlich an Nordrhein-Westfalen.

(mack)