KI-Disruption: Einstellungsstopps, Aktieneinbrüche und Chatbot-Verbote

Der Umbruch durch den Einsatz von KI: Der Aktienkurs der Bildungsplattform Chegg bricht ein, IBM stellt weniger Mitarbeiter ein und Samsung verbietet Chatbots.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

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Die rasanten Fortschritte bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) zeigt erste Auswirkungen. Generative KI, wie ChatGPT, Midjourney und Co., werde Industrien, Märkte und Volkswirtschaften auf der ganzen Welt umgestalten und im nächsten Jahrzehnt laut der Großbank Goldman Sachs ein Wachstum des globalen BIP von sieben Prozent bewirken können. Etwa zwei Drittel der Arbeitsplätze in den USA würden sich zukünftig verändern oder wegfallen, das berichtet Bloomberg.

Die Geschwindigkeit des Umbruchs, der durch den weltweiten Ansturm auf künstliche Intelligenz ausgelöst wurde, sie diese Woche deutlich zu spüren. Das Unternehmen Chegg, das sich auf Bildung spezialisiert hat, habe demzufolge am Dienstag zeitweise knapp die Hälfte seines Wertes verloren – die Aktien schlossen 48 Prozent niedriger. IBM erklärte, dass das Unternehmen die Einstellungen von Mitarbeitern, die zukünftig durch künstliche Intelligenz ersetzt werden sollen, stoppen oder verlangsamen werde und Samsung habe seinen Mitarbeitern die Verwendung von generativen KI-Tools untersagt.

Chegg verlor drastisch an Börsenwert, nachdem das Unternehmen erklärt hatte, dass ChatGPT das Wachstum bei der angebotenen Hausaufgabenhilfe bedrohe. Das Bildungsunternehmen mit Sitz in San Diego bietet Online-Hilfen (Tests, Lernkarten, Aufsätze) für Schüler und Studenten an und verdient den größten Teil seines Gelds mit Abonnements. Für das Verfassen von Aufsätzen würden immer mehr Studenten auf die kostenlosen Tools von ChatGPT ausweichen.

Es werde einen großen Umbruch in der Bildung, der Technologie und auch in den Klassenzimmern geben. Man werde nicht nur die Werkzeuge für die Bildung überdenken müssen, sondern auch die Art und Weise, wie unterrichtet werde und sogar den Zweck der Bildung, sagte Hadi Partovi, CEO von Code.org, gegenüber Bloomberg. "Das eigentliche Thema, über das wir reden müssen, ist nicht, den Einsatz neuer Technologien als Betrug zu betrachten, sondern herauszufinden, wie wir die Ziele der Bildung verschieben können."

IBM werde in den kommenden fünf Jahren etwa 30 Prozent seiner 26.000 Mitarbeiter, die nicht in direktem Kundenkontakt stehen, durch künstliche Intelligenz ersetzen. Samsung sei besorgt um seine Daten, die etwa an ChatGPT gesendet und auf externen Servern gespeichert werden könnten – was zum einen die Löschung der Daten erschweren und andererseits die Weitergabe an Dritte ermöglichen würde. Mit dem Nutzungs-Verbot von generativen KI-Tools schließe sich Samsung unter anderem den Wall-Street-Banken JPMorgan Chase, Bank of America und Citigroup an, die die Technologie ebenfalls verboten oder eingeschränkt hätten.

"Diese Werkzeuge werden die Art und Weise, wie wir Geschäfte machen, in praktisch allen Bereichen der Wirtschaft revolutionieren", sagte Anton Korinek, Fellow bei der Denkfabrik Brookings Institution. "Es besteht in der Tat die Gefahr, dass die Unternehmen das Ausmaß der Revolution, die sich vollzieht, nicht richtig einschätzen. Die Auswirkungen werden wirklich gewaltig sein", berichtet Bloomberg weiter.

Die Writers Guild of America, die mehr als 11.500 Hollywood-Autoren vertritt, habe bei ihrem ersten Streik seit 15 Jahren die Regulierung von KI zu ihren Forderungen gezählt. Die Gewerkschaft sei zwar nicht gegen den Einsatz von KI als Werkzeug, aber die Anerkennung oder Einnahmen für das Schreiben von Drehbüchern werde sie nicht mit der KI teilen.

Der Mitbegründer von Apple, Steve Wozniak, sagte in einem Interview, dass das wachsende Interesse an der Technologie und die aufkommende Besorgnis über den Einsatz von KI in Spam und Falschmeldungen die Notwendigkeit zur Vorsicht unterstreichen. Neue Technologien würden Vor- und Nachteile mit sich bringen, und wir hätten schon viele Beispiele dafür gesehen, sagte er. Der Umgang mit neuen Technologien, die große Veränderungen mit sich bringen, bringe große Verantwortung mit sich.

Im März forderten prominente Tech-Vertreter mit insgesamt mehr als 1.100 Personen in einem offenen Brief eine Zwangspause für die Entwicklung generativer KI, darunter auch Wozniak und Elon Musk, um die Entwicklung gemeinsamer Sicherheitsprotokolle zu ermöglichen.

Geoffrey Hinton, einer der Pioniere der "neuronalen Netze", die die Grundlage der heutigen generativen KI-Systeme bilden, erklärte, dass er Google nach einem Jahrzehnt verlassen werde, um frei über die Gefahren sprechen zu können, die er im Zusammenhang mit der raschen Einführung der Technologie sehe.

Auch in Europa machen sich die ersten Auswirkungen bemerkbar und die Potenziale wurden bereits entdeckt. SAP etwa hat ChatGPT schon im produktiven Einsatz und nutze die KI von OpenAi auch zum Programmieren. Der Online-Modehändler Zalando will auf Basis von ChatGPT einen Berater etablieren, der auch Tipps zu anlassbezogener Kleidung gibt, berichtet die FAZ. Der schwedische Finanzdienstleister Klarna plane demzufolge eine Art Preisvergleich mit dem Chatbot. Dieser soll etwa Fragen beantworten, "wo man die besten Notebooks für unter 500 Euro findet".

Die Autohersteller Mercedes-Benz und Volkswagen prüfen ebenfalls einen möglichen Einsatz von KI-Einsatz in ihren Fahrzeugen.

Jörg Bienert, der Vorstandsvorsitzende des KI-Bundesverbandes, warnt vor einer Vormachtstellung durch Microsoft. Der Softwareriese hat Milliarden in OpenAI gesteckt und setzt ChatGPT in seiner Bing-Suche ein. Europa müsse eigene Alternativen entwickeln, um nicht erneut von US-Tech-Konzernen abhängig zu werden. Mit der Initiative LEAM (Large European AI Models) fordert der KI-Bundesverband "den Aufbau eines Hochleistungsrechenzentrums speziell für die Anwendungsentwicklung und Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz".

(bme)