Kooperierende Multimediatechnik steht noch am Anfang

Gut ein Jahr, nachdem Microsofts Universal Plug and Play offiziell freigegeben wurde, trafen sich in Darmstadt Fachleute, um über die Zukunft der "mühelos kooperierenden Multimediatechnik" zu beraten.

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Von
  • Detlef Borchers

Gut ein Jahr, nachdem Microsofts Universal Plug and Play Version 1 auf der WinHEC 2003 offiziell freigegeben wurde, trafen sich in Darmstadt die Fachleute, um über die Zukunft der "mühelos kooperierenden Multimediatechnik" zu beraten. Damit die Multimedia-Appliances sich zukünftig selbst organisieren können, wurde im Rahmen der Tagung der Arbeitskreis "Interaktive Anwendungen für mobile und ubiquitäre Systeme" im Rahmen der GI gegründet.

Marketingtechnisch ist alles kein Problem: Der Anwender schleppt Fernseher, DVD-Player, Settop-Box, Lautsprecherboxen, Digitalkamera, Fotodrucker und digitale Bilderrahmen in sein Wohnzimmer, gibt den Geräten Strom und ruft vielleicht noch ein symbolisches "nun macht mal schön". Unverzüglich nehmen die Geräte via TCP/IP und SSDP Kontakt miteinander auf, schicken ihre IP-Adressen herum und tauschen sich über die Fähigkeiten der jeweiligen Devices aus. Jedes Gerät beschreibt, was es kann. Kommt der Anwender wieder, hat sich der Multimedia-Schwarm organisiert und drahtlos autonom zusammengestöpselt. Der Master Control Point weiß, welche Geräte Server sind und welche als Renderer angesprochen werden müssen, welche Geräte sich via GENA betriebsbereit gemeldet haben und präsentiert dem Anwender im Browser auf dem TV-Schirm die Wahlliste der Geräte samt Filmtitel, oder Künstlernamen der digitalen Inhalte, die gefunden wurden. Wie spielerisch einfach der Multimediaschwarm funktioniert, wie mühelos "Ambient Intelligence" daheim zu haben ist, zeigte Microsoft im Verein mit Ikea zuletzt auf der CeBIT in Hannover. Universal Plug and Play, das dieser Tage mit der Version 2.56 um die von der Medienindustrie sehnsüchtig erwarteten DRM-Features und Kopierschutzfunktionen erweitert wird, kennt keine Probleme, so die Message.

Neben dem Marketing gibt es jedoch noch die Forschung. Sie tüftelt bei der Roomware zu Hause, in den Büros und auf öffentlichen Plätzen an den Details herum, die dann zu Tage kommen, wenn der Computer verschwunden ist, alle Alltagsgegenstände ihre IP-Adresse haben und ihre Schwarmintelligenz ausreichen muss, die Technik zu beherrschen. Was die Forscher in Darmstadt aus ihrer laufenden Arbeit präsentierten, deutet nicht unbedingt darauf hin, dass alle Probleme gelöst sind. So berichtete Stefan Fischer von der Universität Braunschweig von der Swarmnet-Forschung, die es sich zum ehrgeizigen Ziel gesetzt hat, intelligente Sandsäcke zu produzieren, die bei Flutkatastrophen miteinander kommunizieren und gefährdete Stellen frühzeitig melden. Zurzeit experimentiert man mit Mini-Blimps, die in einer Halle herumfliegen und Schwarm-Befehle wie "mache Kreis" ausführen sollen. Von der Massenproduktion von billigen "Sandsack-Chips" ist man noch weit entfernt.

Näher dran an den Problemen von Alltagsgegenständen mit IP-Adressen refererierte Jens Neumann vom Hannoveraner Kompetenzzentrum der Loewe Opta. "Wenn sich Ensembles von Alltagsgegenständen selbst organisieren können, können sie ins Internet, und das Internet kommt zu ihnen." Noch habe man auf der Ebene der Anwendungslogik keine Vorkehrungen getroffen, wie auf DDOS-Attacken, Spoofing oder Man-in-the-Middle-Attacken reagiert werden kann, von Viren, Würmern und Trojanern ganz zu schweigen. "Das Ausspähen von Daten, das Löschen oder der Diebstahl von Multimedia, die Privatsphäre des Heimanwenders stellen uns vor große Probleme. Was macht man mit Fehlfunktionen im selbstorganisierenden Netz, die mangels Administration nicht zu lösen sind?", fragte Neumann in die Runde.

Muss der normale Anwender, der keine Tastatur benutzt, die Handbücher sofort entsorgt und schon den simplen Kinderschutz heutiger Empfänger nicht einstellen kann, wirklich geschult werden? Kann nicht die Technik bessere Antworten liefern und dem Anwender die komplizierte Steuerung mit einfachen Fragen und Antworten überlassen? Diese Frage will das Open-Source-Projekt Dynamite angehen, das "Dynamisch Adaptive Multimodale IT-Ensemble" untersucht und vom BMBF initiiert wurde. Auf der Darmstädter Tagung wurde Dynamite mit einfacher Spracheingabe erstmals vorgeführt. Auch auf europäischer Ebene soll in naher Zukunft ein Open-Source-Projekt gestartet werden, das die noch vorhandenen Probleme ins Visier nimmt. Es trägt den schönen Namen Amigo, der ausgeschrieben als "Ambient Intelligence for the Networked Home Environment" schon etwas von den Forschungszielen verrät. (Detlef Borchers) / (wst)