Lernout & Hauspie: Die BND-Connection

Lernout & Hauspie, der belgische Spezialist für Spracherkennungssysteme, steckt in einer tiefen finanziellen Krise. Die Verwicklung des BND in den Skandal lässt sich nun im Detail nachvollziehen.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Sammeln, verarbeiten, analysieren und verbreiten - das ist der Wissenszyklus der Nachrichtendienste. Er unterscheidet sich nur unwesentlich von dem der Wissensmanagementfirmen: Einfangen, umwandeln, kommunizieren, nutzen. In den USA setzen die Nachrichtendienste seit Mitte der 90erJahre auf die Entwicklung neuer Werkzeuge für das Wissensmanagement. Nicht zuletzt aus Kostengründen griffen die Dienste zu Produkten aus dem Ladenregal ... und schnitten sie auf ihre Bedürfnisse zu: Zum einen passten Systemintegratoren verschiedene Werkzeuge genau auf die Anforderungen an, zum anderen förderten die Dienste die technische Entwicklung in den Firmen und Universitäten. Sowohl für die Dienste als auch für die Industrie war das eine glückliche Situation.

Genau nach diesem Prinzip arbeitete auch der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) – allerdings mit fragwürdigen Methoden. Bereits Anfang Januar wurde die Verwicklung des BND in den Skandal rund um Lernout & Hauspie bekannt.

Inzwischen lassen sich die Details nachvollziehen: Der BND gründete über Tarnfirmen und dubiose Investoren Startups rund um den in finanzielle Turbulenzen geratenen belgischen Sprachtechnologiekonzern Lernout & Hauspie, die Übersetzungskomponenten für Sprachen wie Farsi (Persisch), Bahassa und Slawisch entwickelten. Der BND trieb zudem die Entwicklung von Wissensmanagementsystemen in EU-Projekten voran und bootete im EU-Projekt SENSUS eine Anbieterfirma aus.

Projektkoordinator für SENSUS war Stephan Bodenkamp vom "Amt für Auslandsfragen", einer Tarnbehörde des BND im Süden Münchens. Dort war er Direktor für "maschinelle Übersetzung und künstliche Intelligenz". Die Zugehörigkeit des Amts für Auslandsfragen (AfA) zum BND sei der Europäischen Kommission von Anfang an bekannt gewesen, teilte der ehemalige Projekt-Manager der EU-Kommission, Norbert Brinkhoff-Button, gegenüber c't mit. Die Tarnbehörde sei von sich aus wegen der Finanzierung an die Kommission herangetreten.

Als das SENSUS-Projekt Ende 1998 in die technische Implementierungsphase ging, war der Sprachtechnologieexperte des BND, Stephan Bodenkamp, an der Gründung von mindestens drei belgischen Startups beteiligt, der Farsi Development Company, der Bahassa Development Company und der Slavic Development Company. Sie gehören zu den belgischen Startups rund um Lernout & Hauspie.

Auch Frans van Deun, Geschäftsführer der Radial Belgium N.V., einem Schwesterunternehmen der Radial Sprachtechnologie GmbH, war Manager und Anteilseigner bei denselben Startups wie Bodenkamp. Er gilt als dessen belgischer Verbindungsmann. Radial Belgium war der anfängliche Investor bei diesen Startups. Van Deun war zudem bei weiteren vier Startups für griechische, polnische, ungarische und tschechische Sprachentwicklung beteiligt.

Sowohl für Bodenkamp beziehungsweise den BND als auch für Lernout & Hauspie handelte es sich bei der Kooperation um eine Gewinn bringende Situation: Bodenkamp bekam die Entwicklung von Sprachkomponenten, die für den BND von strategischem Interesse sind. Lernout & Hauspie verbuchte angebliche Lizenzeinnahmen in Höhe von 61 Millionen US-Dollar. In Wirklichkeit wurde jedoch nur ein Bruchteil gezahlt.

Die Verwicklung des BND in den Skandal um Lernout & Hauspie und die Ungereimtheiten bei EU-Projekten schildert ein Hintergrund-Bericht in der c't-Ausgabe 2/2001 (ab dem 15. Januar im Handel). (Christiane Schulzki-Haddouti) / (jk)