Energiepolitik der Ampel bekommt Lob und Kritik

Der IEA-Chef zieht eine positive Bilanz der Energiepolitik der Ampel, ein US-Physiknobelpreisträger kritisiert den deutschen Atomausstieg.

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Belgisches AKW Tihange.

(Bild: Engie Electrabel)

Lesezeit: 4 Min.

Der Chef der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol hat die Energiepolitik der Ampelkoalition insgesamt positiv bewertet. "Die deutsche Regierung war sehr erfolgreich darin, sich von der russischen Energie wegzubewegen", sagte Birol der dpa in Paris vor dem Ministertreffen des Verbands am Dienstag. Deutschland sei vielleicht am meisten von der Invasion der Ukraine durch Russland betroffen gewesen, weil Deutschlands Abhängigkeit von Russland sehr stark gewesen sei.

Kritischer sieht Birol hingegen, dass die Ampel am Atomausstieg festhält. Er hätte als Regierung, für die es eine Technologie gebe, "die hervorragend funktioniere", noch einmal darüber nachgedacht, diese beiseitezulassen und andere Optionen anzuschauen. Die belgische Regierung habe vor der russischen Invasion der Ukraine eine ähnliche Politik betrieben und dann ihre Meinung geändert.

Der Physiknobelpreisträger Steven Chu, Energieminister unter dem ehemaligen US-Präsident Barack Obama, äußert sich gegenüber dem deutschen Atomausstieg entschiedener. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte er, Industrien wie die chemische oder petrochemische Industrie benötigten eine extrem stabile Versorgung mit günstigem Strom. Wenn diese nicht gewährleistet sei, drohe eine Abwanderung der Schwerindustrie aus Deutschland.

Atomkraftgegner sollten laut Chu bedenken, dass es sehr teuer sei, Energie aus Wind und Sonne saisonal zu speichern. Die Energie aus den abgeschalteten Atomkraftwerken werde nun mit fossilen Energieträgern ersetzt. Die Deutschen sollten sich fragen, ob sie Arbeitsplätze und Wohlstand erhalten und gleichzeitig ihre Klimaziele erreichen oder ob sie nur ihre Klimaziele erreichen wollten. "Man kann sich um das Klima sorgen und trotzdem abstruse Ideen haben", sagte Chu. Von den Grünen kämen viele Falschinformationen zum Thema Atomenergie.

Chu stellt in Frage, ob Atomkraftwerke gefährlich sind. Als Beispiel erläuterte, dass die Einleitung des Tritium-Wassers aus dem 2011 havarierten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi zu einer relativ geringen Belastung führe. Die statistischen Todesfälle pro erzeugter Terawattstunde Strom seien im Zusammenhang mit Braun-, Steinkohle, Öl, Holzpellets oder Biomasse wesentlich höher als mit Atomenergie. Sie sei sogar sicher als Windenergie.

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Das Problem des Atomabfalls ist für Chu "signifikant", aber in den Griff zu kriegen. "Sobald man anfängt, kilometertiefe Löcher für den Atomabfall zu bohren, und die geologische Situation dafür geeignet ist, kommen viele Standorte für Atomreaktoren in Frage", sagte er. Um die Klimaziele zu erreichen, werde eine weitere Generation an AKW benötigt, die könnten etwa 60 Jahre lang laufen. Chu hält es für möglich, die Reaktoren rechtzeitig und innerhalb des vorgegebenen Budgets zu bauen.

IEA-Chef Birol sieht bereits ein Comeback der Atomkraft, beispielsweise in dem Sinneswandel in Belgien. Das Land hatte vor knapp einem Jahr beschlossen, den Atomausstieg zu verschieben. Birol verweist auch auf Frankreich, Asien, Nordamerika, und den Mittleren Osten. "Viele Länder haben nach der russischen Invasion der Ukraine die Bedeutung von Atomkraft zusammen mit Erneuerbaren und örtlicher Stromgewinnung verstanden." Die Frage des Atommülls sei natürlich eine ernsthafte Herausforderung. Aber: "Ich denke nicht, dass dies ein Grund ist, die Technik einfach beiseite zu tun, ohne auf Lösungen für Atommüll zu schauen." Das sei zwar eine Herausforderung, könne aber gelöst werden.

Chu bringt Small Modular Reactors (SMR), also relative kleine Atomkraftwerke ins Spiel, die einige Hundert Megawatt oder weniger Leistung produzieren. Diese könnten gründlich geprüft und überwacht in Fabriken laufen.

Einer der ersten geplanten SMR im US-amerikanischen Bundesstaat Idaho wird allerdings nicht gebaut, wie im November 2023 bekannt wurde. Potenzielle Abnehmer des Stroms, der dort produziert werden sollte, haben sich zurückgezogen. Im Januar hieß es aus Großbritannien, das Atomkraftwerk Hinkley Point C werde voraussichtlich wesentlich teurer als geplant und auch später fertig. Das AKW soll der Auftakt für eine Reihe weiterer Atomkraftprojekt in Großbritannien werden.

(anw)