Mobilfunkpatent: Nokia erwirkt Verkaufsverbot gegen Daimler

Das LG Mannheim ist überzeugt, dass Daimler ein Patent von Nokia verletzt. Damit droht ein Verkaufsverbot, doch der Autobauer bleibt gelassen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 307 Kommentare lesen
Mobilfunkpatent: Nokia erwirkt Verkaufsverbot gegen Daimler

Das vernetzte Auto erweist sich für den Hersteller als Patentfalle.

(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Das Landgericht Mannheim hat einer Patentklage von Nokia gegen den Daimler-Konzern weitgehend entsprochen und untersagt dem Autohersteller den weiteren Verkauf der betroffenen Fahrzeuge. Daimler verletze mit bestimmten Telematikeinheiten seiner Fahrzeuge ein Nokia-Patent für ein Verfahren der Synchronisation in Mobilfunknetzen, entschied die 2. Zivilkammer des LG Mannheim am Dienstag (Az. 2 O 34/19).

Die Kammer verwarf damit die Einwände des Konzerns und zahlreicher Unterstützer aus der Branche wie Bosch und Continental, Nokia hätte auch den Zulieferern eine Lizenz für die patentgeschützte Technologie zu angemessenen Konditionen anbieten müssen. Weder Daimler noch seine Unterstützer seien "ernsthaft bereit" gewesen, "einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen mit der Klägerin abzuschließen", teilte das Gericht mit.

Fraglich ist, ob es aufgrund dieser vollstreckbaren Unterlassungsanordnung tatsächlich zu einem Verkaufsstopp für die betroffenen Fahrzeuge kommt. "Wir gehen nicht davon aus, dass es zu einem Produktions- oder Verkaufsstopp kommen wird", sagte eine Daimler-Sprecherin. "Wir können das Urteil des LG Mannheim nicht nachvollziehen und werden dagegen Berufung einlegen."

Sollte Nokia den Verkaufsstopp durchsetzen wollen, müsste es eine hohe Sicherheitsleistung hinterlegen, laut Informationen von Bloomberg geht es um 7 Milliarden Euro. Diese Summe soll möglicherweise fälligen Schadensersatz absichern, falls die nächste Instanz das Urteil kippen sollte. Ob Nokia das Verkaufsverbot auch durchsetzen will, war am Dienstag noch nicht zu erfahren.

Das Verfahren gehört zu einer Reihe von Patentklagen die Nokia und andere gegen deutsche Automobilhersteller angestrengt haben. Während Volkswagen und BMW eine gütliche Einigung vorgezogen haben, ließ Daimler es auf die gerichtliche Auseinandersetzung ankommen. Der Autobauer wehrt sich vor verschiedenen Gerichten gegen mehrere Patentklagen, darunter in München und Mannheim.

In dem Rechtsstreit geht es um das Patent EP2981103, das ein Verfahren zur Synchronisation zwischen einem Endgerät und einer Funkzelle beschreibt. Es kommt in den Funkchips der Telematikeinheiten zum Einsatz, die Daimler von einem Zulieferer bezieht. Daimler hatte unter anderem argumentiert, Nokia hätte eine Lizenzierung auch Chiphersteller und Zulieferer anbieten müssen, wozu diese auch bereit seien. "Nokia hat bislang eine umfassende direkte Lizenzierung der Produkte unserer Zulieferer abgelehnt", erklärte eine Daimler-Sprecherin.

Auch das Bundeskartellamt hatte in einer seltenen Intervention empfohlen, das Verfahren auszusetzen und diese Frage vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären zu lassen. Das LG Mannheim hält eine Vorlage beim EuGH jedoch nicht für notwendig. Das Gericht stellt fest, Daimler und seine Zuliefere hätten keinerlei "Lizenzwilligkeit" gezeigt. Dadurch habe "sich ein Großteil der Vorlagefragen nicht mehr gestellt".

Nokia freut sich über das Urteil. "Die heutige Entscheidung ist eine wichtige Bestätigung der langfristigen Arbeit der Innovatoren bei Nokia", sagte Jenni Lukander, Präsidentin von Nokia Technologies. "Wir hoffen, dass Daimler nun seinen Verpflichtungen nachkommt und eine Lizenz zu fairen Bedingungen erwirbt. Es gibt mehr zu gewinnen, wenn wir zusammenarbeiten."

Doch die Bilanz der Finnen in Mannheim ist bisher eher durchwachsen: Von vier Verfahren in Mannheim wurde eine Klage abgewiesen, zwei weitere hängen in der Luft, bis das Bundespatentgericht über die Gültigkeit der fraglichen Patente entscheidet. Die Autoindustrie wehrt sich: Sie stellt einerseits die Gültigkeit einiger der vorgebrachten Patente infrage und will andererseits von der EU klären lassen, wie bei der Lizenzierung zu verfahren ist.

Das Problem für die Autobranche: Mit der zunehmenden Digitalisierung der Fahrzeuge wird immer mehr Mobilfunktechnik in die Autos eingebaut. Mobilfunkstandards wie UMTS oder LTE bestehen aus tausenden patentierten Verfahren. Die Inhaber solcher standardessenzieller Patente müssen ihre geschützten Technologien zu fairen und angemessenen Bedingungen lizenzieren – das sogenannte FRAND-Prinzip.

In der Autoindustrie war es bisher gelebte Praxis, das die Hersteller von Bauteilen und die Zulieferer ganzer Komponenten die Lizenzfragen klären. Doch Nokia und seine Mitstreiter gehen nun direkt zum Fahrzeughersteller und machen ihre Ansprüche geltend – auf Grundlage des "Gerätepreises", der bei einem Oberklasse-Daimler deutlich höher ausfällt als beim Zulieferer.

Korrektur: Keine einstweilige Verfügung im ersten Absatz, Milliarden statt Millionen im vierten Absatz. (vbr)