NSI gibt Top Level Domains .net und .org ab

Der Ex-Domain-Monopolist NSI will sowohl die Registry für .com weiter betreiben als auch die Adressen vermarkten dürfen.

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Von
  • Monika Ermert

Als "guten Deal für die Internet Community" bezeichnete der CEO der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), Mike Roberts, den Entwurf neuer Verträge zwischen ICANN und dem Ex-Monopolisten für Domain-Registrierungen, VeriSign Global Registry/NSI. Bis zum 1. April dieses Jahres hätte NSI sich laut Verträgen von 1999 entweder von der Registry oder den Registrarfunktion trennen müssen. Die Trennung des Datenbank- und Rootserver-Managements (Registry-Funktion) auf der einen und der Vermarktung der Adressen (Registrar-Funktion) auf der anderen Seite sollte für mehr Wettbewerb im Domainmarkt sorgen.

Heute nun schlugen ICANN und VeriSign gemeinsam eine radikale Kehrtwendung vor: Verisign soll sowohl Registry als auch Registrarfunktion für die Top Level Domain .com dauerhaft behalten. Dafür will das Unternehmen ab 2002 die .org-Registry an eine geeigneten Organisation abgeben, die .org wieder seiner ursprünglich zugedachten Funktion zuführt: der Registrierung nicht-kommerzieller Organisationen.

Grundsätzlich soll es für .com, .net und .org jeweils gesonderte Registry-Vereinbarungen geben. Während VeriSign .net noch bis 1. Januar 2006 verwalten und sich dann einer Ausschreibung stellen will, möchte man .com bis 2007 und – sofern die ICANN keine Beanstandungen am Service hat – auch darüber hinaus behalten. Der Vorschlag liegt jetzt zur Begutachtung auf der ICANN-Webseite aus und wird Gegenstand einer Diskussion bei der Tagung der ICANN in Melbourne vom 9. bis 13. März sein.

Auch wenn Roberts in einer Konferenzschaltung mit Wallstreet-Analysten und Journalisten einräumte, dass die neue Vereinbarung durchaus auch im Interesse der VeriSign/NSI-Aktionäre sei, betonte er, dass man sich davon angesichts der geänderten Marktsituation mehr verspreche als von der Trennung von Registry- und Registrarfunktion. Durch die Einführung von Wettbewerb im Registrarbereich verbucht VeriSign/NSI selbst heute nur noch rund die Hälfte der 28 Millionen Registrierungen in den drei Domain-Bereichen, bei den Neuregistrierungen sogar nur 40 Prozent oder darunter. Mit der Zulassung neuer Top Level Domains, die die ICANN im vergangenen November beschlossen hat, ändere sich bald auch die Situation beim Registry-Wettbewerb.

Nicht ohne Ironie ist dabei, dass in dem Vorschlag darauf verwiesen wird, dass die erst kürzlich für die neuen TLDs entworfene Registry-Vereinbarung "nur noch eine strukturelle, nicht aber eine eigentumsmäßige Trennung von Registrar und Registry vorsieht". Auch davon profitiert unter anderem NSI als Mitglied des Afilias-Konsortiums, das den Zuschlag für die neue Top Level Domain .info erhielt. Gewährleisten müssen die Registry-Registrare nach der jetzt vorgeschlagenen Vereinbarung lediglich eine Trennung der Geschäftsbereiche durch eine "chinesische Mauer" und die Gleichstellung aller Registrare in ihren Geschäftsbeziehungen zur naturgemäß monopolistischen Registry. VeriSign will diese strukturelle Trennung nun zusätzlich durch die Ausgliederung eines Unternehmensteils für die Registry gewährleisten. Die Trennung in nicht-kommerzielle Registry und kommerzielles Adressgeschäft wurde, wie CORE-Registrar Werner Staub bei einem Treffen des ICANN-Studienkreises kritisierte, mit diesen Modellen längst ad acta gelegt.

VeriSign greift aber – ein ebenfalls von der ICANN betonter Vorteil – durchaus für den Dienst an der Gemeinschaft in die Tasche. Da für VeriSign durch die Vereinbarung mehr Planungssicherheit entstehe, habe man auch mehr Investitionsspielraum, sagte VeriSigns Präsident und CEO Stratton Sclavos. 200 Millionen US-Dollar will man in die Forschung und Entwicklung für die Stabilität und Effizienz der .com-Registry stecken. Beim Finanzierungsbeitrag zur ICANN soll VeriSign künftig den neuen TLDs gleich gestellt sein. Überhaupt würden durch den Ersatz der bislang bestehenden speziellen VeriSign/NSI-Verträge durch die Standardverträge auch die Spuren der Sonderstellung des Ex-Monopolisten nach und nach verschwinden, heißt es in dem Vorschlag. VeriSign würde eine Registry wie andere, vorerst allerdings trotz der Einbußen mit einem erklecklichen Marktanteil. Und schließlich verpflichtet sich VeriSign noch zur Bereitstellung von fünf Millionen US-Dollar und kostenlosem technischen Handling bei .org für ein Jahr, um eine kostengünstige Registrierung für Non-Profit-Organisationen zu ermöglichen.

Noch nicht geklärt ist dabei eine ganze Reihe von Fragen: Wie soll der Übergangsprozess von .org zu einer TLD erfolgen, die dann wieder Registrierbeschränkungen unterliegen würde? Und welche Veränderungen sind beim Wechsel der Registry-Vereinbarung für die Kunden zu erwarten? Schließlich dürften bei der Übergabe von .org an eine stark subventionierte Non-Profit-Organisation, der man die technische Unterstützung gleich auch noch anträgt, VeriSigns Chancen nicht schlecht stehen, als Technik-Provider am Ball zu bleiben. Ein kluger Deal ist die vorgeschlagene Vereinbarung also durchaus auch für den NSI, der, so Sclavos, "die Integrität des Unternehmens aus Registrar und Registry-Perspektive sichert".

Noch müssen sowohl ICANNs Direktoren als auch das US Department of Commerce den Vereinbarungen zustimmen. Nach Aussagen von Sclavos hat VeriSign bereits mehrere Angebote für die VeriSign/NSI-Registrarfunktion erhalten. Sollten die jetzt gemachten Vorschläge nicht durchgehen, werde man diesen Weg weiterverfolgen. Dass man die neuen Vorschläge auch im Hinblick auf den schwachen Kapitalmarkt gemacht habe, wies interessanterweise nicht Sclavos, sondern Roberts entschieden zurück. (Monika Ermert) / (jk)