Schwere Bedenken der EU gegen die Fusion AOL/Time Warner

AOL hat sich mit seinen Plänen, den Mediengiganten Time Warner zu übernehmen, nicht viele Freunde geschaffen. Auch die EU will den Deal offensichtlich blockieren oder mit schwerwiegenden Auflagen versehen.

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Von
  • Jürgen Kuri

AOL hat sich mit seinen Plänen, den Mediengiganten Time Warner zu übernehmen, offensichtlich nicht viele Freunde geschaffen. Schon bei einer Anhörung vor der US-amerikanischen Aufsichtsbehörde Federal Communications Commission (FCC) mussten die beiden Firmen sich gegen schwere Bedenken verteidigen.

Nun will nach einem Bericht des Wall Street Journal auch die EU-Kommission die Fusion blockieren oder zumindest mit einschneidenden Auflagen versehen. Die europäischen Wettbewerbshüter befürchten, das die Fusion AOL/Time Warner und das gleichzeitige Zusammengehen der Musiksparte des neuen Konzerns mit EMI zu einer marktbeherrschenden Stellung im Musikmarkt führen könne. Außerdem könnte der neue Mega-Konzern die digitale Distribution von Musik und Filmen sowie die entstehenden Märkte für TV und Unterhaltung per Internet dominieren. In den US-Untersuchen geht es darüber hinaus darum, dass die Kombination aus dem Online-Dienst und dem TV-Kabelnetz von Time Warner den Wettbewerb behindern könne – Time Warner ist einer der größten Kabelnetzbetreiber in den USA, der über dieses Netz auch schon Breitband-Internetzugänge anbietet.

Ende August hatte die EU-Kommission AOL und Time Warner aufgefordert, zu der geplanten Fusion genauer Stellung zu nehmen. Nach Angaben des US-Blatts wurden diese Aufforderungen von zwei vertraulichen Dokumenten begleitet, die die Bedenken der EU-Kommission im Detail aufführen. Die Wettbewerbshüter gingen in den Schreiben weit über das hinaus, was bislang bekannt geworden sei. Die Bedenken bezögen sich bei weitem nicht nur auf die Beherrschung des Musikmarkts. Mit 27 Millionen Kunden sei AOL der größte Internet-Provider, eine Dominanz, die bereits Netzwerk-Effekte erzeugt, heißt es bei der EU-Kommission: "Mehr Abonnenten führen zu mehr Inhaltsangeboten, und umgekehert. Je mehr Inhaltsangebote AOL zukauft und je größer seine User-Gemeinschaft ist, desto weniger Gründe gibt es für User, AOLs eingezäunten Garten zu verlassen, und umso größer ist der Anreiz für potenzielle Internet-Nutzer, AOL-Mitglied zu werden." Das Wall Street Journal zitiert die Wettbewerbshüter mit der Warnung, dass AOLs Kunden innerhalb dieser Umzäunung der Zugriff zu der Masse an Inhalten im Internet verweigert werden könnte, ebenso wie zu Angeboten, die mit AOL/Time Warner konkurrieren.

In der kommenden Woche nun wollen die EU-Wettbewerbshüter mit den beteiligten Unternehmen über die Fusionspläne beraten. Eine Entscheidung über den Zusammenschluss von EMI und Time Warner soll am 18. Oktober fallen, die über die Fusuion AOL/Time Warner am 24. Oktober. In den USA ist die Untersuchung durch zwei beteiligte Instanzen etwas komplizierter: Zum einen prüft die Federal Trade Commission (FTC) die Fusion unter wettbwerbsrechtlichen Gesichtspunkten, zum anderen untersucht die FCC aus "öffentlichem Interesse" den Zusammenschluss wegen der Einflüsse auf die TV-Kabel-Netze und Internetzugänge. Die FTC will eine Entscheidung Ende September oder Anfang Oktober bekannt geben, während die FCC ihre Untersuchung Mitte Oktober abgeschlossen haben will.

AOL bleibt inzwischen dabei, man sei zuversichtlich, die Bedenken der Kommission ausräumen zu können. Falls die EU die Fusion nicht vollständig blockiert, müssen die beteiligten Konzerne aber wohl entweder von sich aus Zugeständnisse machen oder mit harten Auflagen durch die europäischen Kartellwächter rechnen. Weder von der FCC noch von der FTC wird dagegen ein Verbot der Fusion erwartet, aber auch hier könnten die Firmen mit Auflagen konfrontiert sein, die etwa Regeln für eine Öffnung des Kabelnetzes beinhalten oder aber den Verkauf bestimmter Unternehmensteile des fusionierten Konzern. (jk)