Siemens zwischen Umbau und Alstom-Poker

Wie geht es weiter bei Siemens? In dieser Woche stellt Konzernchef Kaeser seine mit Spannung erwarteten Pläne vor. Auch der Alstom-Poker sorgt für Unruhe in dem Elektrokonzern.

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Von
  • Christine Schultze
  • dpa
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Seit Monaten schon kündigt sich der nächste Umbau bei Siemens an. Doch ausgerechnet jetzt, da Konzernchef Joe Kaeser die Pläne groß verkünden will, hat sich mit dem Übernahmepoker um Alstom eine neue Großbaustelle für Siemens aufgetan. Das Rennen um den französischen Industriekonzern ist zwar noch nicht entschieden, doch vorerst hat der Siemens-Rivale General Electric (GE) die Nase vorn. Bleibt der deutsche Elektrokonzern jetzt am Ball und legt nach einer Buchprüfung ein bindendes Angebot für Alstom vor? Und wie will Kaeser Siemens fit für die Zukunft und den Wettbewerb machen? Das sind die Fragen der kommenden Tage und Wochen.

Joe Kaeser

(Bild: dpa)

Bereits zur Siemens-Aufsichtsratssitzung am morgigen Dienstag wird sich ein Teil davon klären, einen Tag später erläutert Kaeser seine Pläne dann zur Vorlage der Halbjahres-Bilanz. Auf ihrer Sitzung dürften die Siemens-Aufseher auch den Kauf des Gasturbinen- und Kompressorengeschäfts von Europas größtem Flugzeugtriebwerkhersteller Rolls-Royce absegnen. Beide Unternehmen hatten bereits Gespräche darüber bestätigt. Der Schritt wäre ein Baustein in Kaesers Strategie, Siemens in vielversprechenden Geschäftsfeldern zu verstärken.

Spekulationen gibt es auch um die Zukunft von Deutschlands größtem Hausgerätehersteller Bosch und Siemens (BSH), ein Gemeinschaftsunternehmen der beiden Konzerne. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung könnte sich eine Mehrheitsübernahme durch Bosch anbahnen. Bosch wolle den Anteil von Siemens ganz oder teilweise übernehmen, falls Siemens dazu bereit sei, schrieb das Blatt. Beide Unternehmen wollten sich dazu am Wochenende nicht äußern.

Darüber hinaus war in Medienberichten auch einiges über die anstehenden Umbauarbeiten bei Siemens durchgesickert. Vor allem die Aufteilung des Konzerns in die vier Sektoren Energie, Industrie, Medizintechnik und Infrastruktur & Städte soll angeblich abgeschafft werden, und auch die Zahl der derzeit 16 Siemens-Divisionen dürfte schrumpfen, heißt es in Kreisen. So wolle Kaeser Siemens schlanker und schlagkräftiger machen. Seit Jahren hechelt der Elektrokonzern in puncto Profitabilität GE hinterher.

Was das für die Siemens-Hierarchie und die Arbeitsplätze bedeutet, bleibt abzuwarten. Von möglicherweise Tausenden betroffenen Jobs war zuletzt im Manager Magazin die Rede. Siemens will sich dazu nicht äußern. Auch ein Bericht der Wirtschaftswoche blieb am Wochenende unkommentiert. Demnach sollen die Sektorenchefs anders als bisher nicht mehr exklusiv für einzelnen Geschäftsfelder zuständig sein, sondern sich nur noch im Bedarfsfall um diese kümmern.

Im Zuge des Sparprogramms "Siemens 2014" hatten die Münchner Tausende Stellen gestrichen. Die IG Metall schaut deshalb genau auf Kaesers Pläne: Man stelle sich nicht generell gegen Veränderungen, im Gegenteil, sagt ein Gewerkschaftssprecher: "Wenn Siemens besser aufgestellt wird, ist das ja grundsätzlich auch im Sinne der Arbeitnehmer." Veränderungen dürften aber nicht auf kurzfristige Kostensenkungen abzielen, "sondern müssen die langfristig nachhaltige Entwicklung im Blick haben, und zwar in jeder Hinsicht – wirtschaftlich, technologisch, ökologisch und natürlich auch sozial".

Aber auch andere Überraschungen könnte Kaeser im Köcher haben, glaubt Christoph Niesel von der Fondsgesellschaft Union Investment. Schon länger wird etwa über die Zukunft der Siemens-Medizintechnik spekuliert. Auch wegen zahlreicher technischer Herausforderungen rechnen Experten über kurz oder lang mit einer Abspaltung des Geschäfts, beispielsweise über einen Börsengang.

An ein ernsthaftes Interesse von Siemens am Energiegeschäft von Alstom glaubt Niesel dagegen nicht. Bei dem Übernahmepoker soll der Elektrokonzern den Franzosen sein Bahngeschäft im Tausch gegen die Energietechnik-Sparte von Alstom angeboten haben. In Sachen Profitabilität würde das den Dax-Konzern aber eher zurückwerfen, sagt Niesel. "Siemens sollte das Geld besser einsetzen." Der Experte vermutet eher ein taktisches Manöver: Der Elektrokonzern sei der französischen Regierung, die einen Alstom-Verkauf an die Amerikaner ablehnt, als "Weißer Ritter" zur Hilfe geeilt, und habe zugleich signalisiert, dass seine Zugsparte zu haben ist und nicht mehr zum Kerngeschäft von Siemens gehöre.

An so viel Kalkül glaubt Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz dagegen nicht: Aus ihrer Sicht könnte Siemens von einem Alstom-Deal durchaus profitieren. Auch wenn Alstom bei der Rentabilität hinterherhinke, spiele Marktgröße eine durchaus entscheidende Rolle im Tagesgeschäft. "Wenn solche Chancen kommen, muss man sie auch nutzen", sagt Bergdolt. (anw)