Südchinesisches Meer: "Geheimer Krieg" um Kontrolle über das Internet

Bei den Spannungen im Indopazifik geht es auch um die Herrschaft über Unterseekabel und den Zugriff von Spionen auf die damit transportierten Daten.

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Ein Schild steht auf Holzbeinen im Wasser; es verbietet ankern weil dort ein "underwater cable" verläuft; im Hintergrund grüne Inseln

Symbolbild

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Schier täglich werfen sich China und die USA inzwischen gegenseitig provokative und gefährlichen Aktionen im Südchinesischen Meer vor. Bei dem Kampf um die Hoheit über die strategische Wasserstraße geht es nicht nur um den Transport von Öl, Mineralien und Lebensmitteln, die ein Fünftel des Welthandels ausmachen. Zugleich wird dort laut Maurizio Geri ein "geheimer Krieg" um die Zukunft des Internet ausgetragen.

Geri ist ein ehemaliger hochrangiger NATO-Analyst. Das wichtigste Wirtschaftsgut, das in der Region zur Disposition steht, ist ihm zufolge "Big Data". Die Länder, die den Schifffahrtsweg beherrschten, kontrollierten auch die dortigen Unterseekabel und hätten Zugriff auf die durchgeleiteten Datenmassen.

Nach Angaben der Marktbeobachter von Telegeography werden 99 Prozent des gesamten internationalen Internetverkehrs über 486 Unterseekabel abgewickelt. Die USA haben hier einen Vorteil der frühen Stunde: Auf einen Großteil dieser Leitungen haben US-Konzerne wie die Google-Mutter Alphabet, der Facebook-Eigner Meta, Amazon und Microsoft die Hand drauf. "Diese Datenströme sind wertvoller als Öl, denn sie übertragen alles – von E-Mails über Bankgeschäfte bis hin zu militärischen Geheimnissen", schreibt Geri in einem Gastbeitrag für das Online-Portal "Euractiv".

Daher seien die weltweiten Seekabel zunehmend anfällig für Sabotage und Spionage: Geheimdienste können sie – vor allen in ihrem eigenen Hoheitsgebiet – leicht anzapfen. So habe sich die geopolitische Rivalität zwischen den USA und China in den vergangenen zehn Jahren zunehmend auf die Kontrolle der weltweiten Unterwasserkabelnetze konzentriert.

China plane ein 500 Millionen US-Dollar teures Unterwasser-Internetkabelnetz, um eine superschnelle Verbindung zwischen Asien, dem Nahen Osten und Europa zu schaffen, führt der Italiener aus. Das Reich der Mitte behindere auch von den USA unterstützte Projekte für Seekabel durch das Südchinesische Meer, indem es die Lizenzgenehmigungen verzögere und strengere Betriebsbeschränkungen einführe. Die US-Regierung wiederum habe mehrere chinesische Kabelprojekte im asiatisch-pazifischen Raum wegen Bedenken über Pekings Überwachungsmöglichkeiten vereitelt. Mindestens sechs private Initiativen unter der Führung von Google, Meta und Amazon, die die USA mit Hongkong verbunden hätten, seien von Washington blockiert worden. Dabei sei es vor allem darum gegangen, HMN Tech, eine Tochtergesellschaft des sanktionierten chinesischen Konzerns Huawei, in Schach zu halten.

Die USA sähen Chinas Kabelprojekte als "trojanisches Pferd für die militärische und wirtschaftliche Expansion", berichtet Geri. Die chinesische Regierung lobe HMN Tech als Modell für "zivil-militärische Integration". In einer Pressemitteilung, die nur auf der chinesischsprachigen Version der Website des Unternehmens verfügbar ist, heiße es, das Unternehmen werde "die Modernisierung der nationalen Verteidigung unseres Landes tatkräftig unterstützen".

Um der chinesischen Kontrolle zu entrinnen, bauen die US-Giganten Facebook und Google "Apricot", hebt der Analyst hervor. Dabei handle es sich um das erste innerasiatische Unterwasserkabel, das Hongkong umgehe. Die 12.000 Kilometer lange Leitung werde Japan, Taiwan, Guam, die Philippinen, Indonesien und Singapur miteinander verbinden. Außen vor bleibe aber auch Malaysia, ein einflussreiches Mitglied des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN), das sich schnell zum Dreh- und Angelpunkt des Wettbewerbs zwischen den USA und China um die Vorherrschaft im globalen Internet entwickelt hat.

Die Beteiligung Malaysias an Apricot scheiterte laut Geri an einem Kabotageverbot für ausländische Schiffe in der autonomen Region Sabah in Ostmalaysia im Jahr 2020, das die lokale Schifffahrt vor ausländischer Konkurrenz schützen soll. Transporte durch ausländische Firmen will das Sultanat hier also verhindern. Die malaysische Regierung habe Anfragen und Beschwerden von US-Internetfirmen ignoriert, weiß der Beobachter.

Also hätten Facebook und Google Malaysia auch von den unterstützenden Kabelrouten "Echo" und "Bifrost" durch das Südchinesische Meer ausgeschlossen. Dieser Ausschluss habe allerdings die Allianz des Landes mit der Volksrepublik China beschleunigt: 2022 hat Malaysia sich dem 5000 km langen, von China unterstützten South East Asia Hainan Hong Kong Express Cable System (SEA-H2X) angeschlossen. Es verknüpft Hongkong, China, die Philippinen und Thailand mit Ostmalaysia und Singapur. Die USA müssten daher "eine viel aktiveren Rolle in der Region" spielen, empfiehlt Geri.

(ds)