Union teilweise zu temporärem Tempolimit bereit

In der Union bröckelt der Widerstand gegen ein Tempolimit auf Autobahnen. Führende Köpfe der CDU können sich ein Tempolimit vorübergehend vorstellen.

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"Freie Fahrt für freie Bürger" - der Slogan wird nun selbst in Teilen der Union nicht mehr getragen.

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 4 Min.
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Die Union positioniert sich neu zu einem möglichen Tempolimit auf Autobahnen. Man hofft, die Grünen dazu bringen zu können, eine Laufzeitverlängerung für die Kernkraft mitzutragen. Noch ist eine Festlegung nicht absehbar – immerhin besteht die Gefahr, sich über das umstrittene Thema selbst zu entzweien.

Mit Unionsfraktionsvize Jens Spahn hat erneut ein hochrangiger CDU-Politiker eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h auf Autobahnen ins Gespräch gebracht. Im ARD-Morgenmagazin gab er sich flexibel: "Ich kann ja bei der Kernenergie nicht sagen: Bitte keine Tabus, bitte alle Ideologien zur Seite legen, alle Optionen auf den Tisch, und dann selbst gleich schon wieder Denkverbote errichten beim Tempolimit." Zuvor hatte bereits die stellvertretende Parteivorsitzende Karin Prien der Süddeutschen Zeitung gesagt: "In der aktuellen Situation müssen Denkverbote auf allen Seiten weg und alle Optionen auf den Tisch, dazu gehört auch ein befristetes Tempolimit".

Hintergrund ist die Haltung der Grünen, eine längere Laufzeit der Kernkraftwerke nicht mittragen zu wollen, um die durch den Erdgasmangel wachsende Energiekrise zu bewältigen. Darauf bezog sich Spahn, als er sagte: "Wenn die Grünen sagen, das wäre dann ein nationaler Kompromiss, wir machen bei der Kernenergie für ein halbes Jahr länger eine Nutzung in der Mangellage, dann finde ich, sollten wir auch über ein Tempolimit reden können." Spahn scheint also eine Art Gegengeschäft vorzuschweben. Die Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang hatte in der Talksendung Anne Will erstmals eine Verlängerung nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. Sie sagte: "Sollte man sehen, dass eine Strommangellage erwartbar ist, werden wir alle Maßnahmen noch einmal auf den Tisch setzen."

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Dem Vorstoß von Jens Spahn gingen bereits jene des CDU-Obmanns im Klimaschutz-Ausschuss, Thomas Gebhart und des Partei-Vize Andreas Jung am Wochenende voraus. So äußerte Jung gegenüber der Bild, nun müsse "alles in den Topf, was uns über den Winter hilft und CO₂ spart" und schließt dabei die Kernenergie sowie ein Tempolimit für eine gewisse Zeit ein.

Bislang war sich die Union einig in ihrer Ablehnung eines allgemeinen Tempolimits. Das Bekenntnis zu einer Begrenzung könnte einen Keil in die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP treiben. Während Grüne und Teile der SPD ein Limit befürworten, ist die FDP strikt dagegen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagt dazu: "Wir müssen alles tun, um die drohende Gaslücke zu schließen. Die Verlängerung der AKW-Laufzeiten kann dazu einen nennenswerten Beitrag leisten, das Tempolimit nicht."

Friedrich Merz ist zu diesem Thema zurückhaltend, es könnte ja auch die Einigkeit des eigenen Lagers bedrohen. Der Chef der CDU-Programmkommission, Carsten Linnemann, beispielsweise ist dagegen, und auch der niedersächsische Landesvorsitzende Bernd Althusmann kann sich mit einem Tempolimit nicht anfreunden. Aus der ohnehin fast immer deutlich konservativeren CSU hört man bisher noch keine Zustimmung. Der CSU-Abgeordnete Ulrich Lange findet "Ein starres Tempolimit entspricht nicht unserer Position und ist auch nicht die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen". CSU-Generalsekretär Martin Huber ließ über Twitter verlauten, die CSU sei gegen ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Er findet: "Statt die Menschen zu gängeln, brauchen wir Lösungen – zum Beispiel bei der Dynamisierung der Pendlerpauschale."

Um das Thema Tempolimit wird seit Jahren immer mal wieder erbittert gestritten. In den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene im vergangenen Jahr konnte sich mit der FDP der kleinste der drei Partner mit seiner Ablehnung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen durchsetzen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) deutete kürzlich an, die Debatte darum nicht erneut eröffnen zu wollen. Das habe diese Regierung nicht vereinbart, deswegen komme es auch nicht.

(fpi)