Urheberrecht: Das Internet als Goldgrube?

Eine angestrebte Ergänzung der "Berner Übereinkunft zum Schutz der literarischen und künstlerischen Arbeiten" sieht vor, daß jede Speicherung eines urheberrechtlich geschützten Werkes der Zustimmung des Urhebers bedarf.

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Von
  • Frank Möcke

Eine angestrebte Ergänzung der "Berner Übereinkunft zum Schutz der literarischen und künstlerischen Arbeiten" sieht vor, daß jede Speicherung eines urheberrechtlich geschützten Werkes der Zustimmung des Urhebers bedarf. Erhielte diese Regelung Rechtswirksamkeit, könnten Online-Provider kräftig zur Kasse gebeten werden - die Zeche müßten die Nutzer zahlen.

Wenn ein Redakteur auf interessante Beiträge im Internet stößt, darf er diese nicht ohne weiters in der nächsten Ausgabe seiner Zeitschrift publizieren. Es hat das Urheberrecht zu beachten, das auch international durch Vereinbarungen im Rahmen der "Berner Übereinkunft zum Schutz der literarischen und künstlerischen Arbeiten" die Ansprüche des Urhebers schützt. Das wissen auch Studenten, die einen Fachbeitrag in der Bibliothek kopieren. Sie zahlen - in die Kopierkosten eingeschlossen - ebenfalls einen Betrag, den die "VG Wort" erhält und an die Autoren ausschüttet. Musiker kennen die GEMA, über die Aufführungen geschützter Werke abgerechnet werden müssen.

Was nun, wenn ein Surfer sich eine Internet-Seite anschaut oder urheberrechtlich geschützte Texte und Bilder auf seiner Festplatte speichert? Die digitale Kommunikation läuft noch in einem weitgehend rechtsunsicheren Raum ab.

Um dies zu ändern, will im Dezember die in Genf ansässige "World Intellectual Property Organization"(WIPO), eine Unterorganisation der UNO (http://www.wipo.org), die Berner Übereinkunft ergänzen. Eine der Regelungen birgt besondere Brisanz. Der Entwurf sieht nämlich vor, auch temporäre ("ephemere") Kopien genehmigungspflichtig zu machen, und das bedeutet, daß ein Provider gezwungen werden könnte, für jede Speicherung und Zwischenspeicherung eines Dokuments Abgaben zu entrichten. Auch der Internet-Surfer wäre direkt betroffen, denn alle Dokumente, die er sich anschaut, haben ja den Weg in den Speicher seines Computers gefunden.

Die Argumentation gründet sich auf Artikel 9 der Berner Übereinkunft. Er untersagt die Reproduktion literarischer und künstlerischer Werke ohne Zustimmung des Urhebers "in jeder Form", und - so die Folgerung im Entwurf - das könne doch nichts anderes heißen, als daß auch "Vorgänge wie Uploading und Downloading in oder vom Speicher eines Computers" eingeschlossen seien (Artikel 7.01). (http://www.wipo.org/eng/diplconf/4dc_a07.htm).

Wer weiß, daß es praktisch unmöglich ist, den Weg eines Dokuments im Internet zu verfolgen und jede Zwischenspeicherung zu dokumentieren, ahnt, worauf die Initiative hinausläuft: Wird die Regelung in Kraft gesetzt, könnten die Provider gezwungen werden, eine Pauschalabgabe, die sich auf den gesamten Datenumsatz bezieht, zu entrichten und auf die Teilnehmer ihres Dienstes umzulegen.

So sieht es der Bonner Rechtsanwalt Norbert Küster. Er administriert für Deutschland die Aktivitäten der "Ad hoc Alliance for a digital Future", die als ein im September 1996 gebildeter internationaler Zusammenschluß von Unternehmen, Organisationen und Institutionen aus den Bereichen Netzbetreiber, Access-Provider, Hardware- und Softwarehersteller sowie Bibliotheken fungiert und so namhafte Mitglieder wie AOL, Netscape, CompuServe, Philips, Prodigy, AT&T und Sun vertritt (http://www.custodis.de/Alliance/index.htm).

Hier öffnet sich quasi die "Erlaubnis zum Gelddrucken", so Küster zu c't. Er sieht die Verwertungsgesellschaften schon in den Startlöchern. Der GEMA-Vorsitzende Prof. Dr. Reinhold Kreile hat sich, was den Bereich der Musik betrifft, anläßlich der Mitgliederversammlung 1996 bereits hoffnungsvoll geäußert: "Wir haben es mit juristischen Überlegungen und Bemühungen sowohl bei der WIPO in Genf wie bei der EG-Kommission mit herbeigeführt, daß es bei der kommenden Digitalisierung nicht nur die alten Rechtsfiguren der "Vervielfältigung und Verbreitung" gibt, sondern daß hier ein neues Recht geschaffen wird, nämlich ein sogenanntes "Communication to the Public-Recht", also das schützende Recht, daß ein in einem Rechner gespeichertes Werk nur mit Zustimmung des Rechteinhabers dann aus diesem Rechner wohin auch immer übertragen werden darf, um eine Nutzung von Musik zu ermöglichen."

Wenn die WIPO wie geplant am 20. 12. den Entwurf in Kraft setzte, könnten rosige Zeiten für Verwerter anbrechen. Daß die Bestimmungen in nationales Recht umgesetzt werden, ist dann zu erwarten. (fm)