Vom Fujiyama ins deutsche Wohnzimmer - Fotografien aus drei Jahrhunderten im Münchner Stadtmuseum

Museen können sich Kunst kaum noch leisten, das gilt mittlerweile auch im Bereich der Fotografie. Sie sind deshalb immer häufiger auf Schenkungen angewiesen. Das Münchner Stadtmuseum dankt mit einer großen Ausstellung allen, die in den vergangenen Jahren großzügig ihre Sammlung gespendet oder Ankäufe möglich gemacht haben. Unter dem Titel „Geschenkt. Gekauft. Gefunden“ stellt es bis zum 31. Juli 2016 über 220 Exponate aus diesem Fundus aus.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Dr. Thomas Hafen
Inhaltsverzeichnis

Viele Museen leiden unter einer Misere, die sie selbst geschaffen haben. Sie machen mit großen international beachteten Werkschauen Künstler berühmt, nur um sich hinterher deren Bilder nicht mehr leisten zu können. Dies gilt längst auch für den Bereich der Fotografie.

"In dieser Spirale, aus der wir uns regelmäßig selbst hinauskatapultieren, erhält der Vorgang des Schenkens eine eminent wichtige Bedeutung", sagt Dr. Thomas Weidner, Stellv. Direktor des Münchner Stadtmuseums bei der Pressekonferenz zur Ausstellung Geschenkt. Gekauft. Gefunden. Ankäufe und Schenkungen der letzten zehn Jahre. Mit der Schau, die noch bis zum 31. Juli 2016 in der Sammlung Fotografie zu sehen ist, will sich das Münchner Stadtmuseum bei diesen Spendern und Sponsoren bedanken. "Die Ausstellung ist eine Hommage und ein Dankeschön an die vielen Stifter, die uns ihre Sammlungen anvertraut haben, obwohl einzelne Werke im Kunsthandel hohe Preise erzielen würden", sagt Kurator Dr. Ulrich Pohlmann, der zusammen mit seinem Team für die Auswahl der Exponate verantwortlich zeichnet. Deshalb sei in den Bildlegenden auch immer der Schenker beziehungsweise Sammler angegeben, so Pohlmann weiter.

Die Werkschau ist ein Gang durch drei Jahrhunderte Bildkunst. "Die Ausstellung versucht den klassischen Dreiklang eines Museumsalltages widerzuspiegeln , nämlich das Sammeln, das Bewahren und das Vermitteln", sagt Pohlmann.

Dabei stellen die über 220 ausgestellten Fotografien jedoch nur einen kleinen Ausschnitt der tatsächlich im Bestand befindlichen Werke dar, betont Pohlmann: "Man muss sich immer wieder vergegenwärtigen, dass bei Sammlungen im Allgemeinen weit weniger als ein Prozent der Objekte jemals in einer Ausstellung sichtbar wird." Doch schon die 220 Exponate decken ein enormes Spektrum ab, das von der Daguerreotypie über die japanische Fotografie des 19. Jahrhunderts bis zu Herlinde Koelbl mit ihren Ansichten deutscher Wohnzimmer aus den 1970er Jahren oder den Vogelbildern von Edgar Leciejewski reicht, die in den vergangenen zehn Jahren entstanden sind.

Die Kuratoren haben versucht, die Fülle in Themenschwerpunkte zu gliedern, die sich teilweise durchdringen, teilweise dialektisch gegeneinander stehen. Die verschiedenen Kapitel sollen nicht nur die Schwerpunkte der einzelnen Spender und Sammler repräsentieren, sondern auch die unterschiedlichen Verwendungsweisen von Fotografie vom 19. bis zum 21. Jahrhundert beleuchten: Frühe Reisefotografien aus dem 19. Jahrhundert etwa stellen den Orient als Inbegriff des Fremden und Exotischen dar.

"Diese Fotografien sind deshalb besonders interessant, weil sie Stereotypien aufgreifen, die wir auch aus der Orientmalerei des 19. Jahrhunderts kennen", erläutert Pohlmann. Daneben sind Bilder von der „Grand Tour“ nach Italien zu sehen, die zum Pflichtprogramm des gehobenen Bildungsbürgers im 19. Jahrhundert gehörte. Aus ihnen spricht auch die Verunsicherung, die der Mitteleuropäer im Süden verspürte: "Alles war zu laut und lief nach anderen Regeln ab, als man es nördlich der Alpen gewohnt war", sagt Pohlmann.

Ebenfalls um Ferne und Exotik geht es in den Bildern aus der japanischen Meiji-Zeit. Sie entstammen der Sammlung Josef Breitenbach, die neben vielen hundert Originalfotografien auch wertvolle Lackalben in den Besitz des Museum brachte. Die von Hand kolorierten Blätter zeigen arrangierte Studioaufnahmen sowie Szenen aus dem japanischen Arbeitsleben. "Die teils aus Europa stammenden Fotografen arbeiteten mit ähnlichen Requisiten, wie man das aus den europäischen Ateliers kannte, nur eben mit einer japanisch-folkloristischen Einfärbung", sagt Pohlmann. Besonders angetan hatte es den Fotografen der Fujiyama. Er ist auf mehreren Bildern zu sehen, teils im Original abgelichtet, teils gemalt als täuschend echte Studiorequisite.

Mehr Infos

c't Fotografie-Newsletter

2 x pro Woche eine Mail mit c't Foto-News in die Mailbox: Hier anmelden

Ein Großteil der in der Ausstellung präsentierten Arbeiten kreist um die Frage des Raums und das Serielle. So setzt sich Silke Grossmann in ihre Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit dem menschlichen Körper und seinem Bezug zum Raum auseinander. Herlinde Koelbl hat in ihrer Serie "Das deutsche Wohnzimmer“ ebenfalls den Raum und seine Bewohner zum Thema. Eva Bertrams Serie "2 Ein Kind" beschäftigt sich dem Heranwachsen ihrer Tochter, während Edgar Leciejewski vordergründig an naturwissenschaftliche Illustrationen erinnernde Farbfotografien toter Vogelkörper als Serie inszeniert.

Die ausgestellten Fotografien stammen unter anderem aus der Sammlung Dietmar Siegert, die 8.400 Aufnahmen zum Thema „Deutschland im 19. Jahrhundert“ umfasst, und der 2012 / 2013 bereits eine eigene Ausstellung gewidmet war. Auch aus dem Nachlass des deutsch-amerikanischen Fotografen Hermann Landshoff und der Schenkung des Münchner Privatsammlers Wolfgang Begatik sind Werke zu sehen.

Der Ausstellung fehlt zwangsläufig ein wenig der rote Faden, aber allein die Fülle und Vielfalt an Bildern, dürfte jeden Fotokunstinteressierten begeistern. Das Angebot ist viel zu umfangreich, um sie bei einem Besuch zu erfassen, wiederkommen lohnt sich auf jeden Fall. Sonst entgehen einem womöglich die kleinen, unscheinbaren Perlen in der Ausstellung, etwa die Bilder von Buffalo Bill und seiner Wildwest-Show, die auf einer Europatour tatsächlich auch auf der Münchner Theresienwiese Station machte.

Die Ausstellung „Geschenkt. Gekauft. Gefunden. Ankäufe und Schenkungen der letzten zehn Jahre“ läuft noch bis zum 31.Juli 2016

  • Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, St.-Jakobs-Platz 1, 80331 München
  • Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr
  • Eintritt 7 Euro, ermäßigt 3,50 Euro
  • Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm:
  • Vortragsreihe zum Thema Sammeln: 15.06., 21.06. und 05.07.2016 jeweils 19 Uhr, Eintritt: 3,50 Euro
  • Kuratorenführungen: 08.06. und 13.07.2016, jeweils 17 Uhr, Abendticket 3,50 Euro
  • Seminar der Münchner Volkshochschule: „Bilderlust oder der kuratorische Blick“, 31.05.2016 17 bis 20 Uhr, Teilnahmegebühr 15 Euro

(keh)