Was mit Windows XP ins Haus steht

Bill Gates persönlich gab einen ersten öffentlichen Ausblick auf Windows XP, den gemeinsamen Nachfolger von Windows 98 und 2000.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Peter Siering

Seit Tagen schon kochte die Gerüchteküche, welche Änderungen die nächste, zweite Betaversion des gemeinsamen Nachfolgers von Windows 98 und 2000 bringen würde. Vor allem die vermeintlich renovierte Bedienoberfläche in der zweiten Beta-Version von Whistler, das seit einigen Tagen "Windows XP" heißt, wurde mit Spannung erwartet. "Luna", so der Codename, unter dem die eklatanteste Überarbeitung der seit Windows 95 bestehenden Oberfläche bisher bekannt war, macht Windows bunter: Statt 256 Farben nutzt Microsoft 32-Bit-Farbtiefe, hat die Icons anschwellen lassen, die Fensterdekoration abgerundet, den Desktop leergeräumt sowie Taskbar und Startmenü überarbeitet.

Windows XP wird mit all den Ergänzungen daherkommen, die auch Windows ME auszeichnen: der Systemwiederherstellung zum Sichern und Wiederherstellen einzelner Systemzustände, dem Movie-Maker zum Bearbeiten von Videos sowie einem überarbeiteten Windows Media Player (Version 8) und einem neuen Internet Explorer (Version 6). Wie auf Gates Ausblick zu sehen war, ändert sich auch das Aussehen der Applikationen: Durch einen neuen Satz von Controls profitiert zum Beispiel der Internet Explorer 6 von den optischen Veränderungen in Windows. Auf seiner Web-Site für Entwickler dokumentiert Microsoft ausführlich, was es damit auf sich hat. Dort findet sich unter anderem der Hinweis, dass die neue Optik nur unter Windows XP zur Verfügung steht – wer besonders diese mag, muss also umsteigen.

Die kosmetischen Änderungen an der Bedienoberfläche gehen einher mit einem Wechsel des Bedienparadigmas: Statt dem Benutzer nur eine Fülle von Funktionen anzubieten, die er selbst in der richtigen Reihenfolge ausführen muss, gewährt Windows XP ihm konkrete Hilfen beim Bewältigen einzelner Aufgaben, etwa beim Einlesen und Weiterverarbeiten von Bildern aus einer Digitalkamera. Mit wenigen Mausklicks soll es so möglich sein, gerade aufgenommene Schnappschüsse auszudrucken oder gar an einen Photodienst weiterzuleiten. Das alles, mit zahlreichen Ergänzungen etwa für Digitalkameras und portable Audioplayer, soll es nicht nur Neulingen leicht machen, sondern letztlich das "Benutzungserlebnis" – so Microsofts neues Credo – deutlich verbessern.

Sieht man von der grafisch neu gestalteten Bedienoberfläche ab, so ist der Schritt von der ersten Betaversion auf das, was Bill Gates am gestrigen Dienstagabend auf der "Experience Music Project" in Seattle vorgeführt hat, nicht allzu groß. Das überarbeitete Startmenü, die auf einen Knopf der Taskbar zusammenschnurrenden Fenster einer Task, die ausführliche Hilfestellung für einzelne Aufgaben, Fernsteuerfunktionen, etwa um einem örtlich entfernten Benutzer bei der Bedienung zu helfen, und die Möglichkeit, dass mehrere Benutzer ihre Sitzung nur zur Seite legen und später wieder aufnehmen konnten, all das fand sich schon in der ersten Beta (c't hat in Ausgabe 25/2000 ausführlich darüber berichtet).

Mit dem von Gates persönlich gegeben Ausblick auf die Beta 2 scheint der Software-Riese wohl vor allem im Gespräch bleiben und Informationen vorgreifen zu wollen, die an Microsoft vorbei in die Öffentlichkeit gelangen. Noch ist die zweite Beta nämlich nicht erhältlich. Microsoft hat lediglich angekündigt, sie im März ausgewählten Testern zur Verfügung zu stellen. Auf den eigens zu Windows XP eingerichteten Web-Seiten bietet Microsoft immerhin die Möglichkeit für Interessierte, sich für ein "Preview Program" zu registrieren – das dürfte ähnlich wie bei Windows 2000 frühestens dann aufgelegt werden, wenn XP die Reife eines Release Candidate erreicht hat.

Einen Zeitplan dafür gab Microsoft auf der Pressekonferenz ebenso wenig bekannt, wie konkrete Fertigstellungstermine. Weiterhin heißt es, dass die Home Edition (der Windows-98-Nachfolger) und die Professonal Edition im zweiten Halbjahr 2001 erscheinen sollen. Die Server-Varianten kommen nicht mehr zeitgleich wie bisher, sondern mit Verspätung, eventuell erst 2002. Von der einstmals geplanten Zwischenversion, die vom Funktionsumfang irgendwo zwischen Windows 2000 und XP liegen sollte und für Intels 64-Bit-Systeme gedacht war, ist inzwischen nicht mehr die Rede – offenbar kamen Intels Terminnöte Microsoft gerade recht.

Bliebe noch eine bittere Pille, die Umsteiger auf Windows XP zu schlucken haben: Es wird das erste Windows sein, bei dem Microsoft eine Zwangsregistrierung einführt. Nach der Installation des Produkts läuft es ohne Produktaktivierung nicht lang: Der Benutzer hat bei Microsoft einen Aktivierungscode zu bestellen, der die Installation dann unbeschränkt laufen lässt. Den Code selbst berechnet das System aufgrund der aktuellen Hardwarekonfiguration, er ist also nicht übertragbar auf einen anderen PC. Microsoft möchte damit vor allem Lizenzverstößen im Privaten begegnen, wo mal eben eine CD verliehen oder eine einzige Lizenz auf mehreren PCs genutzt wird. Über die dahinterliegende Technik ist noch nicht allzu viel bekannt. Nach bisherigen Erkenntnissen wird Microsoft aber das Verfahren so gestalten, dass zumindest bei moderaten Hardware-Änderungen ein Aktivierungsschlüssel nicht wertlos wird. Ansonsten käme die Infrastruktur für die Schlüsselvergabe zu teuer. (ps)