4W

Was war. Was wird. Wenn nicht nur die Bäume ausschlagen.

Frieden, Krieg, was ist da schon der Unterschied? Hauptsache, man erfährt nichts davon, mäkelt Hal Faber, der eigentlich auch nur seine Ruhe haben will.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 59 Kommentare lesen
Was war. Was wird. Wenn nicht nur die Bäume ausschlagen.

Heraus zum 1. Mai! Heraus zum Kampftag der Arbeiterklasse! Echt jetzt? Och nö. Lieber faul herumliegen. Homeoffice at its best. Der Mai ist gekommen, nicht nur die Katzen schlafen aus.

(Bild: Fritz und Ella)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Der Mai ist gekommen, die Radarwarner bleiben aus.
Da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus.
Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt,
so steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.

Ach ja, die Wissenschaft.

(Bild: Johns Hopkins University)

Tralala, nach Der Mai ist gekommen. Was für ein schönes Lied und was für ein schöner, für sich sprechender Dateiname. Von denen gibt es derzeit viele: BescheuerterLaschetbeiWill.mp4, LindnerohneAhnungbeiIllner.mp4, Familienunternehmerstuss als PNG-Datei, so sind die Zeiten und schon kann ein Vergehen vorliegen. In dieser Woche wurde der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. März veröffentlicht, wonach bereits die Nennung von Dateinamen, der Größe einer Datei oder die Dateiendung als Hinweis auf den möglichen Inhalt einer Datei als Veröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen angesehen werden können. Ja, so muss das investierte Know-How einer Firma ordentlich geschützt, müssen viele Details geschwärzt werden, denn es gilt: "Die Möglichkeit solcher Folgerungen wird verstärkt, wenn sich über die Kenntnis der Dateiendung die verwendete Programmiersprache erschließen lässt, und wird bis hin zur Erstellung eines Gesamtbilds erweitert, je mehr Dateien offengelegt sind und sich in ihren Informationen miteinander verknüpfen lassen. Schließlich sind auch Informationen über die Größe von Dateien aussagekräftig, weil sich in Kombination mit den Dateinamen Hinweise darauf ergeben, welchen Aufwand der Hersteller betrieben hat, um die mit dem Dateinamen bezeichnete Funktionalität einzufügen." Eine recht pfiffige Argumentation vor dem Hintergrund, dass nunmehr SAP und die Telekom die sattsam diskutierte Corona-App fertigstellen sollen. Diese App hat ja schon eine kuriose Entstehungsgeschichte hinter sich und so muss man kein Hellseher oder Schwarzseher sein, um zu ahnen, dass da noch einiges kommen mag. Alles natürlich fein als Open Source dokumentiert, mit ein paar Änderungen, dass man den Aufwand nicht sehen kann, der da betrieben wurde.

*** Große Erleichterung auch an anderer Stelle: Mit der Entscheidung der ICANN, .org doch nicht zu privatisieren und der profitorientierten Ethos Capital zu überlassen, ist dieser unserer Bundesregierung ein großer Stein vom Herzen gefallen. Erinnert sei an die Regierungsantwort auf die Frage, wie viele .org-Domains die Bundesregierung besitzt. Im Januar, als die Gedanken noch freien Ausgang hatten, wurde in dieser Wochenschau die Antwort der Bundesregierung auf die Frage verlinkt und zitiert. Die Namen der regierungseigenen .org-Domains unterlagen der Geheimhaltungspflicht, weil es mindestens 120 solcher Adressen zu geben scheint, darunter so aktuell systemrelevante wie ichpflegeweil.org oder ich-pflege-weil.org, die auf mehr Pflegekraft umleiten. "Nach Einschätzung der Bundesregierung bestehen bezüglich einer öffentlichen Herausgabe nicht unerhebliche Sicherheitsbedenken, da nachteilige Auswirkungen auf Belange der Sicherheit der Informationstechnik der Bundesverwaltung zu erwarten sind. Insbesondere könnten aggregierte Informationen über von der Bundesregierung genutzte Domains geeignet sein, um einen erfolgreichen Angriff auf die Informationstechnik des Bundes – beispielsweise 'DNS-Hi-jacking' und 'DDoS'-Angriffe – zu ermöglichen oder zumindest entscheidend zu erleichtern." Verkauf abgewehrt, Angriffe abgewehrt. deutschlandkanndas.org!

*** Doch halt! Immer neue Bedrohungen tauchen auf, so ein Staat ist eine fragile Sache mit der bekannten Aufschrift "Nicht stürzen!". Das Staatswohl muss täglich aufs Neue gepflegt, begossen und geschützt werden. So auch in dieser Woche. Alle Mauscheleien, die der Bundesnachrichtendienst und der CIA bei der Operation Rubikon austüftelten, sind und bleiben VS Geheim, weil besagtes Staatswohl wieder in äußerster Gefahr ist. Das alles erinnert an das pinkfarbene Buch, dass der Rentner Gerhard Schindler über seine Zeit als BND-Chef verfasst hat. Zum Wohl des Staates schlummern die Memoiren im Bundeskanzleramt. Wer einmal den Rubikon durchquert hat, muss auf der anderen Seite des Flüsschens bleiben.

*** Was aber tun, wenn das Staatswohl im Staube von Afghanistan liegt und geheime militärische Papiere des Stufe VS NfD entwichen waren, die zu allem Übel in die ungewaschenen Hände recherchierender Journalisten gefallen sind? Die diese Papiere einordnen und erklären, um sie schließlich unter dem etwas reißerischen Namen Afghanistan-Papiere in der Art von Wikileaks zu veröffentlichen. Klare Sache, man nimmt die Keule des Urheberrechtes und haut zu. Diesmal klappte es nicht, denn die Journalisten berichteten im Rahmen tagesaktueller Ereignisse, befand das Gericht. Denn die Veröffentlichung geschah, um die Frage zu klären, ob die Bundeswehr sich in Afghanistan auf einer "Friedensmission" oder eben in einem Krieg befand. Ob schwierig zu lesende Lageberichte generell vom Urheberrecht geschützt sind oder ob das nicht greift, wurde nicht entschieden. Bis zum nächsten Keulenschlag. Wie war das noch mit den urheberrechtlich geschützten Glyphosat-Gutachten in den Giftschränken der Ministerien?

*** Es gibt Verschwörungstheorien, in denen die Bill und Melinda Gates-Stiftung für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich gemacht wird. Es gibt auch das Gegenteil, die quasi-religiöse Verehrung für die Gates-Familie, die jetzt zu dritt in ihrem Haus in Seattle festsitzt – die älteste Tochter lebt als Berufsreiterin mit ihrem Lebensgefährten. Leider steckt das Interview mit Melinda Gates hinter einer Paywall, doch diese Worte über die Lockerungen der Auflagen sollte man schon lesen: "Ich habe mit Kanzlerin Merkel darüber gesprochen, wie man Öffnungen richtig machen kann. Man folgt der Wissenschaft, man bewegt sich sehr, sehr langsam, man beobachtet genau, ob es neue Ausbrüche gibt. Es ist ein Balanceakt." Richtige Worte, zusammen mit der Einschätzung von ihr, dass es zwei Jahre dauern wird, bis wir alle wieder in einer Art der Normalität leben. Aber folgt man denn der Wissenschaft?

*** Der Blödsinn, den Politiker wie Laschet, Kubicki oder Kemmerich über die Herrschaft der Virologen von sich geben ist bedenklich. Deutschlands oberster Wissenschaftserklärbär Ranga Yogeshwar beschäftigt sich in einem großen Text (auch hinter einer Paywall) mit den Äußerungen dieser Politiker und wird grundsätzlich, wenn er auf die Verdrängung zu sprechen kommt, die nach der Öffnung kommen wird. "Wir alle sind Meister in diesem kollektiven Verdrängungsprozess, denn nur so lässt sich erklären, dass wir in einem Jahrhundert gleich zwei Weltkriege führten und inzwischen wieder zu Exportweltmeistern der Rüstungsindustrie aufgestiegen sind."

In der anstehenden Woche werden die Politiker des Bundestages über das "zweite Corona-Schnellgesetz" beraten, mit dem eine "Immunitätsdokumentation" umgesetzt wird. Das wird in aller Wahrscheinlichkeit eine kontaktlose NfD-Chipkarte sein, die den Namen der Krankheit, das Datum der Feststellung der Immunität, die Testmethode und den Namen und die Nummer des Arztes gespeichert hat, der die Immunität bescheinigt. Bereits im Juni könnte das System anlaufen, allen Problemen zum Trotz. Der größte Schwachpunkt ist, dass das Gesetz "vorsorglich" durchgereicht wird, weil es noch gar keine zuverlässige Methode zur Bestimmung der Immunität gibt, sondern nur Vermutungen und Tests, die auch bei anderen Coronaviren als SARS-CoV-2 anschlagen. Schon jetzt darf man sich auf die App freuen, die ein solches Immunitätsdokument simuliert, wenn der Chip unter einem Smartphone liegt – zur Sicherheit der Datenspeicherung und des Zugriffs gibt es nur vage Überlegungen und eine Warnung des Bundesdatenschutzbeauftragten, dass Gesundheitsdaten "nicht zu Diskriminierungen führen" dürfen.

Macht nichts, hübsch locker werden, das ist doch auch ein Abenteuer. Schließlich feiern wir in der nächsten Woche das Kriegsende, das in Berlin schon am 1. Mai 1945 begann.

Genau, diese Woche feiern wir den 75. Jahrestag der Befreiung.

(Bild: Antonio.cartoni / Shutterstock.com)

Mit ausreichender sozialer Distanz und Maskenpflicht kann man im Historischen Museum bald zu Hannah Arendt gehen und lesen, wie Arendt als Geschäftsführerin der Jewish Cultural Reconstruction die überlebenden Deutschen als lebende Gespenster beschrieb, "die man mit Worten, mit Argumenten, mit dem Blick menschlicher Augen und der Trauer menschlicher Herzen nicht mehr rühren kann". Doch schon bald kam Leben in die Ruinen, es wurde aufgeräumt, angepackt und gefringst, was das Zeug hielt. Erwähnte Arendt, dass sie Jüdin war, gab es nur eine kurze Verlegenheitspause und "eine Flut von Geschichten, wie die Deutschen gelitten hätten". Mit der Judensache hatte man nichts zu tun und mit diesen Kriegsverbrechern da hätte man doch bitteschön kurz & schnell den Prozess machen können, so wie es die ja vorher auch gab. (jk)