Weltwirtschaftsforum: Auf der Suche nach dem Netz von morgen

Nichts beschäftigt die Konzernchefs und Wissenschaftler auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos mehr als die zukünftigen Internet-Strategien.

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Von
  • Anne-Béatrice Clasmann
  • dpa

Wer Breitband für ein Nudelsorte hält und und bei dem Wort Netz zuerst an Spinnen denkt, muss sich auf dem 30. Weltwirtschaftsforum in Davos wie ein Außerirdischer fühlen. Denn nichts beschäftigt die rund 3000 versammelten Konzernchefs und Wissenschaftler mehr als die Frage, welche Internet-Strategien sich in den nächsten fünf Jahren durchsetzen werden. Vor allem deutsche Topmanager, die immer noch an der Tatsache zu knabbern haben, dass sie einst den Beginn der Internet-Revolution verschlafen haben, sind in dem Schweizer Wintersportort auf der Suche nach den Trends von morgen.

Doch die interessantesten Diskussionen zum Thema finden nicht auf dem Podium statt, wo sich die Stars der Branche, Microsoft-Gründer Bill Gates und America-Online-Chef Stephen Case, nur zu vagen Prognosen über die interaktive, vernetzte Zukunft hinreißen lassen. "Eine Vorstellung ohne jeden Tiefgang", meint Michael Dell, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Dell Computer Corporation, nach Gates' Vortrag über neue Computer-Spiele und Video-Bearbeitungsmöglichkeiten für Jedermann.

Auf den Gängen des Kongresszentrums sind die Gespräche meist etwas ernsthafter, doch auch hier wird viel heiße Luft verbreitet. "Hey, wir müssen unbedingt über mein neues Netz reden, aber nicht hier vor allen Leuten", raunt ein kanadischer Wissenschaftler seinem deutschen Gesprächspartner verschwörerisch zu. Der nickt höflich, winkt aber ab.

In der entscheidenden Frage, welches Endgerät schließlich das Rennen um die Gunst der Internet-Kunden gewinnen wird -- der PC, der Fernseher, das Telefon oder die neuen multifunktionalen, tragbaren Internet-Zugangsgeräte -- herrscht unter den Branchenführern noch große Uneinigkeit. "Diese Idee, dass das Telefon, der PC und der Fernseher drei von einander getrennte Geräte sind, wird sich von Grund auf verändern", meint AOL-Chef Case. "Wir werden aber auch in Zukunft nicht ein einzelnes Endgerät haben, das alles kann."

Anders als Case glaubt Michael Dertouzos, Direktor am Massachusetts Institut für Technologie, ohnehin nicht, dass das große Geschäft im Privatkunden-Markt zu suchen ist. Die wichtigsten Internet-Entwicklungen der nächsten fünf Jahren werden sich laut Dertouzos im Online-Geschäft (E-Commerce) zwischen Unternehmen abspielen.

Davon ist auch Siemens-Chef Heinrich von Pierer überzeugt. "Das so genannte Business-to-Business-Geschäft wird schneller wachsen, als das Geschäft mit dem privaten Kunden", meint er. Der Online-Umsatz von Siemens-Computern, -Mobiltelefonen und -Steuerungen habe heute bereits Milliardenhöhe erreicht.

Auch Verleger Hubert Burda ist zuversichtlich, dass die europäische Wirtschaft in puncto Internet bald ihre Position gegenüber den überlegenen US-Firmen verbessern kann. "Wir haben die Herausforderung zu spät angenommen", sagt er. "Die E-Commerce-Frage ist aber auch ein Generationen-Problem. Meine Generation hatte anfangs kein enges Verhältnis zum PC. Bei den 30-Jährigen ist das heute aber ganz anders. Die junge Generation in Deutschland kann mit der amerikanischen Konkurrenz sehr gut mithalten." (Anne-Beatrice Clasmann, dpa) (jk)