Streit um den Modus der nächsten ICANN-Wahl

Vor der Direktorensitzung der ICANN formieren sich die Kritiker gegen die Vorschläge des Bildt-Kommittees für den neuen Wahlmodus.

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Von
  • Monika Ermert

Mehr Partizipation statt Repräsentation – unter diesem Motto will ein vom ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Carl Bildt geleitetes Expertengremium Internetnutzern ein neues Mitsprachemodell bei der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) schmackhaft machen. Statt der ursprünglich vorgesehenden neun sollen Enduser künftig nur noch sechs Direktoren in das Spitzengremium der Organisation wählen. Auf der heute beginnenden Jahrestagung der für Namen, Nummern und Protokollstandards zuständigen Organisation zweifelt kaum noch jemand, dass sich die ICANN endgültig von der Idee einer Balance zwischen Industrievertretern und von Nutzern gewählten Direktoren verabschieden wird.

Schon im kommenden Jahr soll es wieder regionale Wahlen zur Besetzung des Direktoriums der CANN geben. Außerdem müßten dringend regionale Gremien als Vertretung der Nutzer ins Leben gerufen werden. Wählen sei letztlich die schwächste Form der Beteiligung, urteilte ICANNs Politikstratege Andrew McLaughlin. "Besser wäre es, wenn die Leute auftauchen, sich an Diskussionen beteiligen und ihre Argumente einbringen." Die geplanten regionalen Räte, bestehend aus dem Gewinner und den fünf bestplazierten Kandidaten anderer Länder der jeweiligen Region sollen diese Diskussionen in Gang setzen. "Bislang haben wir keine große Nachfrage nach Mitsprache bemerkt," sagte Pindar Wong, Vizechef des Kommittees um Bildt. Bei diesem Kommittee hätten sich etwas mehr als einhundert Interessierte gemeldet.

Kritische Beobachter sehen die Grenze des eigentlich technischen Mandats aber ohnehin schon lange überschritten. Es müsse dringend eine "Mauer" errichtet werden, damit ICANN nicht nach dem internationalen Markenrecht, das Urheberrecht, und nach diesem Inhalte und Datenschutz zu regulieren beginne, sagte Jerry Berman vom Center for Democracy and Technology (CDT) in einer Sitzung der ICANN-Kritiker am Sonntagabend. Die Mitglieder der NGO and Academic Study Group, zu denen auch CDT-Vertreter gehören, gehören zu den letzten Verfechtern des Erhalts von neun Direktoren-Posten. At-large-Direktor Karl Auerbach hat gegenüber heise online angekündigt, er werde zurücktreten, falls ICANN künfig nur sechs gewählte Direktoren haben sollte. "Wir werden damit zur Bedeutungslosigkeit verurteilt und können nicht wirklich etwas erreichen."

Am Bildt-Vorschlag kritisieren sie aber vor allem auch, dass künftig nur noch Domaininhaber wählen sollen und diese für ihre Regionalräte auch selbst zur Kasse gebeten werden sollen. Der Aufwand für die Einziehung eines Mitgliederbeitrages ist ebenso ein praktisches Problem wie die geplante Authentifizierung über die Registrare. Ihre Kundendaten sollen als Grundlage für ICANNs Wählerverzeichnis herhalten, Domaininhaber sollen von den Registraren auf ihr Wahlrecht aufmerksam gemacht werden. Das Bildt-Kommittee möchte dazu gerne eigens Verträge mit den Registraren und ccTLD-Managern abschließen, wovon beide Gruppen nur wenig begeistert sind. "ICANN sollte das System der letzten Wahl beibehalten" empfahl auch das chinesische NIC in einem Statement.

Bis zur Direktorensitzung am Donnerstag wollen ICANNs Kritiker daher nach Verbündeten gegen den neuen Wahlmodus und die Reorganisation in die drei Gruppen Entwickler, Provider und Nutzer Ausschau halten. Da die diesjährige Jahrestagung ganz unter dem Eindruck des 11. September steht und vor allem das Thema Sicherheit des DNS diskutiert werden soll, wird noch nicht mit einer endgültigen Entscheidung gerechnet. (Monika Ermert) / (anw)