Open Source zwischen Marx und Fundis

Von freier Software zu einer freien Welt: Die 1. Oekonux-Konferenz versuchte in Dortmund die politische Bedeutung quelloffener Software abzustecken.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Rund 150 Freunde der freien Software-Entwicklung trafen sich am Wochenende in Dortmund, um auf der 1. Oekonux-Konferenz über die politischen Konsequenzen von Open Source zu beratschlagen. Unter dem Motto "Die freie Gesellschaft erfinden – Von der Freien Software zur Freien Welt" luden die Betreiber der Oekonux-Mailingliste, unterstützt vom Dortmunder mek (Mobiles Einsatzkommando Software) und der Rosa-Luxemburg Stiftung der PDS zum kostenlosen Gedankenaustausch. Die Mischung der Veranstalter brachte es mit sich, dass sich alle Teilnehmer an der Kollision von Parallel-Universen erfreuen konnten: Die Spannbreite reichte vom ehemaligen LPG-Leiter, der hoffte, dass Software-Entwickler zu der Klasse werden, die die Kapitalisten das Fürchten lehrt, bis zum Linux-Fundi, der alle politischen Institutionen durch offene User Groups und Mailinglisten ersetzt wissen wollte.

An drei eng gefüllten Kongresstagen ohne nennenswerte Pausen bemühten sich alle Teilnehmer sehr ernsthaft, die politische Bedeutung der quelloffenen Software abzustecken. Schulungskurse zur Einführung in das marxistische Denken ("Der Computer als Dampfmaschine zur klassenlosen Gesellschaft") fehlten ebenso wenig wie Debatten über die Bedeutung von Patenten und Lizenzen.

Eine kalte Dusche bescherte dem Programmierer-Lager der Fuldaer Informatik-Professor Winzerling, der aus marxistischer Perspektive den Mythos Linux in seiner ganzen Unbedarftheit skizzieren wollte. Winzerling verwies darauf, dass Linux sich nur entwickeln konnte, weil alle Parameter durch die Grundlage von Unix System V bereits gelegt worden seien. So habe eine durchschnittliche universitäre Schulung genügt, die Linux-Entwicklung als einfaches Handwerk zu betreiben. Spitzenleistungen seien so jedoch nicht zu erreichen, meinte Winzerling.

Als Beleg für seine These führte er in der Tradition von Andrew Tannenbaum die gescheiterten Versuche um Hurd an, ein moderneres System ohne monolithischen Kernel zu entwickeln. Den Erfolg von Linux erklärte Winzerling mit der vertikalen Organisation der Softwareindustrie, in der es in jeder Sparte einen Marktführer und ein, zwei Wettbewerber gebe. Jeder Wettbewerber sei dabei in der Lage, sofort die Führungsrolle zu übernehmen. Beim Scheitern der Systemsoftware in den 80ern, als Novells Netware und IBMs OS/2 auf der Strecke blieben, habe man das System von "Checks and Balances" mit Linux schnell reparieren können. Eine ökonomische Erklärung für den Zusammenbruch von Netware und OS/2 blieb Winzerling allerdings schuldig.

Die erste Oekonux-Konferenz machte deutlich, dass weiterhin großer Diskussionsbedarf besteht. Sind Programmierer quelloffener Software einfache Handwerker oder hochqualifizierte Spezialisten, die das Zeug haben, eine Gesellschaft zu erschüttern? Ist die GPL schon der Kern einer neuen Eigentumsordnung oder nur eine willkommene Beigabe der zunehmenden Computerisierung? Ist das Programmieren bereits Selbstenfaltung im Stil einer kommenden Gesellschaft oder nur fortgeschrittene Selbstausbeutung? In Dortmund blieben jedenfalls viele Fragen noch ohne Antwort. (Detlef Borchers)/ (em)