Die französischen Gerichte und das Internet

Ein syrischer Journalist wurde von einem syrischen Präsidentenbruder wegen einer Aussage auf der Internetsite von al-Dschasira in Frankreich angeklagt.

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Von
  • Nathalie Roller

Erst letzte Woche hat das Pariser "Tribunal de Grande Instance" entschieden, den Ex-Yahoo-Chef Timothy Koogle wegen "Rechtfertigung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit" für den 7. Mai vor ein französisches Gericht zu laden (siehe Hyperaktive Richter). Die Strafkammer hat sich für zuständig erklärt, der Klage von ehemaligen Ausschwitzdeportierten gegen Koogle statt zu geben.

Zur Debatte steht noch immer der so genannte Yahoo-Prozess. Grund der bereits im Januar 2001 eingereichten Klage ist, dass die Versteigerung von in Frankreich verbotenen Naziandenken auf Yahoo.com noch immer stattfindet, auf die man auch von Frankreich aus zugreifen könne. Ob Koogle vor dem französischen Gericht erscheinen wird, darf bezweifelt werden, schließlich hatte ein amerikanisches Gericht festgestellt, dass die französische Rechtsprechung nicht für amerikanische Firmen in den USA gilt.

Doch jetzt gibt es schon wieder einen anderen, ähnlich gelagerten Fall. Die Staatsanwaltschaft von Paris hat eine Verleumdungsklage von Rifaat El Assad, einem Bruder des ehemaligen syrischen Präsidenten, gegen den syrischen Journalisten Nizar Nayyouf an die Gerichte weitergeleitet. Dabei geht es um eine Äußerung, die der preisgekrönte, in Syrien verfolgte Journalist über eine Mitverantwortung des Präsidentenbruders an Massakern in den 80er Jahren gegenüber einem redaktionellen Mitarbeiter der Internetsite des arabischen TV-Senders al-Dschasira gemacht haben soll und die online veröffentlicht wurde. Die Staatsanwaltschaft von Paris hat sich für zuständig erklärt, weil die al-Dschasira-Site von französischem Boden aus zugänglich sei und somit eine auf dem Netz begangene Gesetzesübertretung auch eine Gesetzesübertretung in Frankreich sei.

Überdies befand sich der Journalist zum Zeitpunkt der Klage in einem französischen Krankenhaus, während der Präsidentenbruder einen Zweitwohnsitz in Frankreich hat. Der Fall wurde an ein Gericht weiterverwiesen, das am 26. März endgültig darüber entscheiden wird, ob der Verleumdungsklage stattgegeben wird oder nicht.

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