ITU empfiehlt sich den Länderdomain-Managern

Die International Telecommunication Union hat ihr Angebot an die DNS-Verwalter von der ICANN wiederholt, ihnen einen Teil ihrer Arbeit abzunehmen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die International Telecommunication Union (ITU) hat ihr Angebot an die ICANN wiederholt, ihr einen Teil ihrer Arbeit abzunehmen. Rund 100 Länderdomain-Manager folgten der Einladung der ITU nach Genf, um unter anderem über die Zukunft von IANA zu sprechen, die bislang oberste Instanz für die Registrierung von IP-Adressen, die regionale Weitergabe der IP-Adressräume an die Regional Internet Registries (RIR) und für die Domain-Datenbanken ist. Die Länderdomain-Manager gehörten in den vergangenen Monaten zu den schärfsten Kritikern der DNS-Verwalter von der ICANN und legten teilweise Vorschläge vor, die IANA-Datenbank aus ICANNs Aufgabenkatalog herauszulösen. Nun bringt sich die ITU als mögliches Forum für die Beilegung der Konflikte ins Spiel.

Der Direktor des Bereichs Standardisierung der ITU, Houlin Zhao, nennt in seinem Vorschlag einige Aufgaben, die man ICANN abnehmen kann. So wäre die ITU bereit, die ICANN bei der Neuvergabe einer Länderdomain darin zu unterstützen, das Plazet der entsprechenden Regierung einzuholen. Die ICANN hatte verschiedentlich auf das Problem hingewiesen, über die Autorisierung von Stellungnahmen einzelner Verwaltungen zu entscheiden. Zumindest könne die ITU die Autorisierung für die ICANN bestätigen, heißt es in dem Vorschlag. Das tue man auch beim Telefonnummern-Mapping (ENUM), und dort funktioniere es wunderbar, betonte Houlin Zhao gegenüber heise online.

"Es geht aber keineswegs darum, die ICANN zu übernehmen", versicherte Zhao. Dieser Verdacht rühre zum einen aus Vorbehalten derjenigen, die noch nie innerhalb der ITU gearbeitet hätten, zum anderen allerdings auch aus älteren Erfahrungen mit der ITU. Zhao entwarf jedoch ein Bild einer "neuen" ITU, die sowohl bei Erfahrungen mit Internetstandards, bei der Geschwindigkeit und auch bei der Gleichberechtigung von Privatwirtschaft und Regierungen kräftig Fortschritte gemacht habe. Das Engagement der ITU bedeute auch keineswegs, dass die Regierungen das Ruder übernehmen, betonte Zhao.

Trotz dieser Einschränkungen reichen erste Vorschläge der ITU weit in den Aufgabenbereich der ICANN hinein. Abgesehen von einer Rolle der ITU bei der Verwaltung der Adresszonen .int und .arpa (Letzteres zumindest soweit der ENUM-Bereich e164.arpa betroffen ist), hat die ITU nicht nur die Länderdomains (ccTLDs), sondern auch die generischen Domains (gTLDs) und sogar IP-Adressen im Blick. Die ITU könne Empfehlungen für das umstrittene Verhältnis zwischen Regierungen und Länderregistries erarbeiten, für generelle Prinzipien zur Auswahl neuer gTLDs und auch für die Vergabe von IP-Adressen. Zhao betonte auf Nachfrage von heise online auch, dass die privilegierte Rolle der USA bei der Aufsicht über den zentralen A-Root-Server ein Problem darstelle. "Die Zeit für eine Änderung hier ist wohl noch nicht reif, aber wir sind geduldig." Die ITU könne bei der Lösung dieser Frage sicherlich eine Rolle spielen.

ICANNs Präsident Stuart Lynn zeigte sich dagegen optimistisch, dass die ICANN die ihr gestellten Aufgaben selbst erfüllen wird. Zwar habe bislang noch ein Mechanismus für die Formulierung globaler Regeln gefehlt. Nach vollzogener ICANN-Reform würden die neuen Gremien dies aber übernehmen.

Unterstützung für die ICANN in der "Machtfrage" kommt auch vom Chef des Brüsseler Sekretariats des ICANN-Regierungsbeirats, Christopher Wilkinson. "Die im GAC vertretenen Regierungen -- und das sind doch einige -- befürworten nicht, dass ICANN-Fragen nun innerhalb der ITU entschieden werden." Das GAC plant immerhin nichts weniger als sich selbst einen verfassten Status zu geben, um auch für den Fall gerüstet zu sein, dass die ICANN verschwindet -- kein Wunder, dass man die Kompetenzen nicht an die ITU abgeben will.

Für die ccTLD-Manager, die nun von der ICANN und der ITU umworben werden, ist das Gefecht gegen mehr Regierungseinfluss verloren, gleich, wer das Tauziehen am Ende gewinnt. Während vor allem europäische Länderdomain-Manager nach wie vor eine gewisse "Staatsferne” beanspruchen und die vom ICANN-Regierungsbeirat vorgelegten "Principles for the delegation and administration of country code top level domains” ablehnen, haben laut Wilkinson viele Regierungen diese praktisch im Zuge von Neuausschreibungen bereits umgesetzt. In zahlreichen neugefassten TK-Gesetzen sind Namen, Nummern und Adressen der Aufsicht der Verwaltung unterstellt, übrigens auch im aktuellen Entwurf zum deutschen Telekommunikationsgesetz. Dem Trend zu öffentlicher Aufsicht will sich auch ICANN nicht entgegenstemmen: ICANN sei niemals ein rein privates Unternehmen gewesen, sagte Stuart Lynn. Vielmehr zeige die Rolle des US Handelsministeriums, dass es sich schon immer um eine Private-Public Partnership gehandelt habe. (Monika Ermert) / (jk)