Polizeichef: Internet-Anbieter müssen Kundendaten länger speichern

Der baden-württembergische Landespolizeichef will die Internet-Provider im Kampf gegen die ausufernde Computerkriminalität stärker in die Pflicht nehmen.

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  • dpa

Der baden-württembergische Landespolizeichef Erwin Hetger will die Anbieter von Internet-Zugängen im Kampf gegen die ausufernde Computerkriminalität stärker in die Pflicht nehmen. "Daten der Kunden müssen länger als bislang gespeichert werden", forderte Hetger in einem dpa-Gespräch. Zudem sollte die Polizei künftig auch Computer-Experten von außen um Rat fragen oder Fachleute in den Polizeidienst aufnehmen. "Nur dann können wir erfolgreich in den rechtsfreien Raum Internet eindringen", sagte Hetger. "Wir brauchen eindeutig mehr Experten für das Sicherstellen von Datenträgern", forderte der Polizeipräsident. Die Polizei werde allerdings nicht umhin kommen, sich auch stärker für "externen Sachverstand" zu öffnen. "Die Polizei muss sich von dem Gedanken verabschieden, sie könne alles mit eigenen Möglichkeiten und Bordmitteln erreichen", sagte Hetger.

Dringend notwendig ist nach Ansicht Hetgers auch eine bessere bundes- oder europaweite Koordinierung der so genannten anlassunabhängigen Recherche, also das Ermitteln ohne Verdacht durch surfende Polizeibeamte im Computernetz. "Diese Arbeit sollten sich künftig alle 16 Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt teilen, damit nicht mehrere Länder am selben Fall arbeiten", schlug Hetger vor. Denkbar wäre es auch, einzelne LKAs für Deliktsbereiche auszuweisen. Auf europäischer Ebene sollte Europol bei der Koordinierung die Federführung übernehmen.

"Natürlich müssen wir auch die Anbieter der Internet-Seiten stärker in unsere Ermittlungen einbeziehen", sagte Hetger. Zurzeit müssten die so genannten Provider spätestens 80 Tage nach Begleichen der Rechnung die Daten der Kunden löschen. "Das ist zu kurz. Die internationale Justiz braucht mindestens zwei Jahre Zeit, um die digitale Spur zurückzuverfolgen, die der Täter hinterlässt", sagte Hetger. Für die Provider seien damit zwar immense Investitionen verbunden. "Aber wer so etwas in die Welt setzt, der muss dafür auch gerade stehen."

Vor allem nach dem erneuten gewaltigen Anstieg der Zahlen in der Halbjahresstatistik der Polizei schlägt Hetger Alarm: "Das Internet ist in die eigenen vier Wände eingezogen und dort macht die Gelegenheit eben Diebe", sagt der Polizeichef. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres sei die Zahl der auf elektronischem Weg begangenen Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte gestiegen. "Die Palette ist weit: Betrügereien mit EC-Karten oder Zugangsberechtigungen zu Computern, fingierte Auktionen im Internet, missbräuchliches Nutzen der Verbindungsdaten von Netzanbietern, Software-Piraterie und vor allem auch Kinderpornografie", zählte Hetger auf. Die aktuellen Statistiken geben nach Ansicht Hetgers keineswegs die eigentliche Dimension wieder. "Das ist erst die Spitze des Eisbergs, das Dunkelfeld ist erheblich größer." Nötig sei die stärkere Mitarbeit der Industrie, "um den Eisberg aus dem Wasser zu ziehen", forderte Hetger. (dpa) / (jk)