ICANN-Direktor befürchtet Abschaffung der Netzwahlen

Andy Müller-Maguhn, von Europas Nutzern gewählter Direktor der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers fürchtet um das Mitbestimmungsmodell der Organisation.

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  • Monika Ermert

Andy Müller-Maguhn, von Europas Nutzern gewählter Direktor im Vorstand der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), fürchtet um das Nutzer-Mitbestimmungsmodell der Organisation, die so genannte At-large-Mitgliedschaft. Kurz vor dem für das Wochenende anberaumten Treffen des Vorstandes in Washington hat, nach Müller-Maguhns Informationen, ICANNs Anwalt Joe Sims Vertretern der Europäischen Kommission eine mögliche Restrukturierung der ICANN-Führung vorgestellt. "Offensichtlich wird auch der Verzicht auf At-large und eine Regierungsbeteiligung im ICANN-Vorstand ins Kalkül gezogen", meint Müller-Maguhn. Für den heutigen Mittwoch ist ein Treffen der europäischen Mitglieder des ICANN-Regierungskomitees (GAC) anberaumt.

ICANNs Satzung sah bislang lediglich eine beratende Rolle für die Regierungen innerhalb der ICANN vor. Allerdings hat die Organisation bereits mehrfach ihre Satzung geändert, so wurde etwa die Zahl der von Nutzern gewählten Sitze von neun auf sechs verringert. Beim nächsten öffentlichen Treffen der ICANN in Accra Anfang März soll eine Entscheidung zum künftigen Mitbestimmungsmodell fallen.

Ob bei den Brüsseler Treffen und dem ICANN-Vorstandsgespräch in Washington die Abschaffung der Wahlen zugunsten einer direkten Regierungsbeteiligung vorbereitet wird, dazu wollten sich weder Vertreter der Kommission noch ICANN-Pressesprecherin Mary Hewitt äußern. Als typisches "Routinegespräch" bezeichnet Hewitt Sims Präsentation in Brüssel. Bei der Generaldirektion Informationsgesellschaft dagegen nannte man Sims Präsentation gar eine "Privatmeinung", die vorerst noch nicht mit dem Vorstand abgestimmt sei.

Allerdings wird vor allem in den USA die Abschaffung von der Nutzer-Vorstandssitze sehr wohl diskutiert. In einem von der ICANN-kritischen Seite ICANNwatch publizierten Stellungnahme des Ex-Präsidenten Mike Roberts im Mitgliederforum der ICANN urteilt dieser: "ICANN braucht keine selbstorganisierte, weltweite At-large-Organisation, um ihre Aufgabe zu erledigen." Das von ICANN eingesetzte At-large-Komitee (ALSC) habe ebenso wie andere gesagt, dass die Etablierung eines At-large-Gremiums -- der so genannten At large Supporting Organization -- die Arbeit eher erschwere als leichter mache. "Es macht Ärger und kostet Zeit, Energie und Dollars, die wirklich wichtigen Dinge aus dem Rauschen herauszufiltern und mit den Anliegen anderer Interessensvertreter in Ausgleich zu bringen," so Roberts.

Eine stärkere Einbindung der Regierungsvertreter könnte für ICANN mehrere Problem lösen helfen. Nicht nur könnte man die teuren Wahlen getrost wieder nationalen Regierungen überlassen. Auch ICANNs Position im Clinch mit den unbotmäßigen Länderregistraren wie dem Denic könnte sich verbessern; möglicherweise hofft die Organisation sogar auf finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand. ICANN werde von der "Community" finanziert und dazu gehörten auch die Regierungen, äußerte sich dazu Hewitt.

Als Argument gegen die Nutzerbeteiligung wird demgegenüber auch immer wieder das mangelnde Interesse der Öffentlichkeit angeführt. So sei die Reaktion auf eine derzeit noch stattfindende Nutzerumfrage sehr gering, meint Hewitt, "trotz intensiver Kampagne." Allerdings ist das betreffende Webformular nur auf der ALSC-Seite direkt zu finden, nicht etwa bei ICANN selbst. So sehr scheint man an den Rückmeldungen der Nutzer auch wieder nicht interessiert zu sein. (Monika Ermert) / (jk)