Geplante Urheberrechtsnovelle "verstößt gegen Völkerrecht"

Informationsrechtler machen Front gegen die Urheberrechtsnovelle; Forscher präsentieren erste Lösungsansätze für den Erhalt der Nutzerrechte im Zeitalter von Kopierschutz und DRM.

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Der Druck auf die Bundesregierung wächst, die geplante Urheberrechtsnovelle auf die nächste Legislaturperiode zu verschieben. Auf der Konferenz "Digitales Urheberrecht zwischen Information Sharing und Information Control" der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin brachten Verbraucherschützer und Forscher am heutigen "Tag des geistigen Eigentums" heftige Bedenken gegen den Vorstoß des Bundesjustizministeriums vor. "Hier versucht eine Ministerin, ein profilloses Gesetz durchzuboxen", empörte sich Thomas Hoeren, Informationsrechtler an der Universität Münster, unter Anspielung auf das Bestreben von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, den Entwurf noch vor den Bundestagswahlen im Herbst festzuklopfen. Dabei verstoße das Vorhaben "eklatant gegen völkerrechtliche Vorgaben", indem es Kopierschutztechniken über die fundamentalen Rechte der Allgemeinheit zum Informationszugang stelle. Die Verträge der World Intellectual Property Organization (WIPO) zum Copyright von 1996 sähen nämlich keinen pauschalen rechtlichen Schutz von Kopiersperren vor.

Dem Gesetzgeber wirft Hoeren absolute Blindheit gegen faktische Entwicklungen vor. So werde beispielsweise der Bereich elektronische Pressespiegel nicht geregelt, obwohl inzwischen jedes Unternehmen und selbst der Bundesgerichtshof (BGH) damit arbeite. So müssten sich die Verleger, die allein gegen Ausnahmerechte zum Erstellen der E-Presseschnippsel votierten, eigentlich auch mit der Frage beschäftigen, wie sie den BGH verklagen können. "Vergessen" hätten die Autoren des Entwurfs zudem neben der klaren Regelung der Privatkopie auch den "Grundsatz der Erschöpfung". Demnach darf etwa ein Käufer eines Buches dieses weiterverkaufen, was analog in digitalen Medien gelten müsse. Auch das Umgehen von technischen Schutzvorkehrungen könne das Justizministerium noch so oft verbieten, da "Leute aus der Ukraine trotzdem entsprechende Tools anbieten." Der Gesetzesentwurf verkenne so die "neue Autonomie des Netzes", pflichtete Rainer Kuhlen, Informationswissenschaftler an der Universität Konstanz, seinem Kollegen bei. Das Napster-Phänomen habe ein normatives Bewusstsein der Nutzer in puncto File-Sharing geschaffen, das man nicht nur mit der Piraterie-Keule beilegen könne.

Einen ersten Lösungsansatz zumindest zur Problematik der für den Gesetzesentwurf zentralen Absicherung von Kopierschutztechniken legte Robert Gehring vom Lehrstuhl für Informatik und Gesellschaft der TU Berlin vor. Demnach sollten an die "technischen Maßnahmen" der Rechteinhaber klare Anforderungen jenseits eines schwammigen Postulats der "Wirksamkeit" gestellt werden und die Durchsetzbarkeit der Privatkopie medienunabhängig gewährleistet werden. Zweitens dürften gemäß der WIPO-Verträge nur solche Vorkehrungen Schutz gegen Umgehung genießen, die sich tatsächlich auf Güter beziehen, die vom Urheberrecht abgedeckt sind. Wasserstandsmeldungen oder Werke, deren Copyright abgelaufen sei, fielen beispielsweise nicht darunter. Drittens müssten die Strafbestimmungen aus dem umstrittenen Kopierschutzparagraphen 95 entfernt werden, um Rechtsklarheit zu schaffen.

Auch im Bundestag mehren sich die Stimmen, die sich gegen eine übereilte Verabschiedung des Gesetzesentwurfs auf dem Justizministerium positionieren, da sich die Eile allein aus der bis Ende 2002 laufenden Umsetzungsfrist der entsprechenden Urheberrechtsrichtlinie der EU speist. "Wir müssen die brisanten Fragen wie die der Privatkopie im Zusammenhang mit den Kopierschutztechniken regeln", erklärte Hans-Joachim Otto, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, gegenüber heise online. Dabei müsse festgelegt werden, in welchem Umfang das private Kopieren erlaubt werde. Es könne nicht angehen, dass nur Verbote sanktioniert würden und damit die Privatkopie praktisch gekillt werde. Zeitlich müsste die Reform des Urheberrechts aber gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode angepackt werden. (Stefan Krempl) / (jk)