Urheberrechtsnovelle: Streit um Privatkopie und DRM

Die Lobbys gaben sich fast zufrieden, die Wissenschaftler zeigten sich in der Anhörung im Bundestags-Rechtsausschuss über die Novellierung des Urheberrechts und neue Kopierschutzregelungen gespalten.

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Von
  • Richard Sietmann

Die Musikindustrie kann offenbar zufrieden sein. Sie sei "dringend auf die Novelle des Urheberrechts angewiesen", und der Regierungsentwurf stelle "eine in weiten Teilen gelungene Umsetzung der EU-Richtlinie und der WIPO-Verträge dar", lobte Thorsten Braun, Syndikus des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft, bei der Sachverständigen-Anhörung des Rechtsausschusses im deutschen Bundestag zur Novellierung des Urheberrechts die Bundesregierung.

Braun bezog sich insbesondere auf das greifbar nahe Recht zum Schutz durch technische Maßnahmen, gemeinhin als Digital Rights Management (DRM) bekannt, "denn zukünftig wird jede Form der Verbreitung von Umgehungstechnologien oder der Anleitung zum Umgehen von Kopierschutz ebenso verboten sein wie die Umgehung technischer Maßnahmen selbst". Als besonders wichtig stellte Braun heraus, dass der Regierungsentwurf entgegen allen Forderungen kein subjektives 'Recht auf Privatkopie' verankert. "Einen Anspruch auf Privatkopie gibt es nicht, und ihn darf es auch zukünftig nicht geben. Nur dort, wo keine technischen Schutzmaßnahmen eingesetzt werden, bleibt die Privatkopie zulässig und - das ist ebenfalls wichtig - vergütungspflichtig".

Lediglich in Kleinigkeiten übte der Cheflobbyist der deutschen Plattenproduzenten noch Kritik. So bemängelte er die geplante Kennzeichnungspflicht von Produkten, die mit technischen Kopierschutzmechanismen oder Rechteverwaltungssystemen ausgestattet sind, als "nicht praktikabel" und als "Verstoß gegen das Gebot des freien Warenverkehrs innerhalb der EU".

Der Schutz von DRM-Systemen sei im deutschen Urheberrecht "ein Fremdkörper", bezog Ulf Müller, Rechtsanwalt und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster, die Gegenposition. Er führe in dem austarierten Spannungsverhältnis von geistigem Eigentumsrecht des Urhebers und der Informationsfreiheit des Nutzers zu einer einseitigen Verschiebung zu Gunsten des Rechteinhabers. Müller wies auf die Gefahr hin, dass bei zunehmender Verbreitung von DRM-Systemen auch bisher frei zugängliche 'gemeinfreie' Werke unter die digitale Nutzungskontrolle fallen könnten. "Daher ist die Zulassung technischer Schutzmaßnahmen als gesetzlich sanktioniertes Instrument zur Sicherung von Urheber- und Verwertervergütungen abzulehnen".

So frei sind die Abgeordneten allerdings nicht. Die Vorgaben der EU-Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG stehen dem entgegen. Die verbliebenen Gestaltungsspielräume nutzend, sieht der Regierungsentwurf im § 52a immerhin Ausnahmen -- so genannte Schranken -- bei der Durchsetzung von Urheber- und Verwertungsrechtsansprüchen mit DRM-Systemen vor. Danach dürfen Werke zu Unterrichts- oder wissenschaftlichen Forschungszwecken in einem Intranet öffentlich zugänglich gemacht werden. Nach Ansicht des Sachverständigen Haimo Schack, Professor an der Universität Kiel, komme dies jedoch "einer Enteignung der Urheber und Verleger von Schulbüchern und wissenschaftlicher Literatur" gleich. Was der Bundesverband der deutschen Zeitschriftenverleger davon hält, machte dessen Vertreter Arthur Waldenberger deutlich: "Wir unterstützen voll und ganz die Streichung des § 52a".

Einschränkungen der Urheber- und Verwertungsrechte, assistierte die Rechtsprofessorin Barbara Stickelbrock von der Universität Bielefeld, dürften nur in solchen Sonderfällen angewandt werden, "in denen die normale Verwertung des Werkes nicht beeinträchtigt und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden". Sie erinnerte daran, dass auch die Vervielfältigung zu privaten Zwecken eine Ausnahme sei und es kein 'Recht auf die Privatkopie' gäbe. Das Vervielfältigungsrecht sei grundsätzlich als Recht des Urhebers definiert.

Zu einem Schlagabtausch kam es um die als 'DIN-Passus' vorgesehene Ergänzung im § 5 des Urhebergesetzes, die das geistige Eigentum an 'privaten Normwerken' gewährleistet, selbst wenn Gesetze, Verordnungen, Erlasse oder amtliche Bekanntmachungen auf sie Bezug nehmen. Das sei ein Widerspruch zu dem Grundsatz, dass amtliche Vorschriften keinen urheberrechtlichen Schutz genießen, kritisierte der Architekt Bruno Stubenrauch von der 'Initiative gegen die Direktgeltung privater Normen im Bauwesen'. Dagegen verteidigte DIN-Direktor Thorsten Bahke den Passus vehement, weil ohne die angestrebte Klarstellung das Deutsche Institut für Normung seine wichtigste Finanzierungsgrundlage verlöre. "Kurzfristige Nutznießer einer Urheberrechtsfreiheit von technischen Regeln wären hauptsächlich dritte Verwerter, die zur inhaltlichen Gestaltung und Finanzierung der Normen nichts beitragen".

Als einziger unter den 18 geladenen Sachverständigen brachte der Konstanzer Informationswissenschaftler Rainer Kuhlen in der gestrigen Anhörung grundsätzliche Kritik an dem gesamten Novellierungsvorhaben vor. "Dieses Urheberrecht stabilisiert tradierte Verwertungs- und Eigentumsansprüche, die sich in elektronischen Räumen überlebt haben", erklärte er. Es "verbaut den Weg in eine freie Informationsgesellschaft", die Formulierungen "atmen den Geist der Kontrolle und des Misstrauens". Der Wirtschaft würden keine Anreize für neue Geschäfts- und Organisationsmodelle gegeben. Das rigide Setzen auf technische Schutzmaßnahmen sei mangels fundierter Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Wirkung auf Wirtschaft und jeden Einzelnen "ohne politische Steuerung unverantwortlich"; geboten sei vielmehr eine Lizensierungspflicht für DRM-Systeme. Kuhlen empfahl den Abgeordneten, das Gesetz nicht zu verabschieden; "es sollte an die EU zurückgegeben werden". Dass und wie das geht, exerziert die Bundesregierung im Fall der EU-Richtlinie zum Tabakwerbeverbot ja gerade vor.

Zur Novellierung des Urheberrechts und der Diskussion um das "geistige Eigentum" siehe auch:

(Richard Sietmann) / (jk)